Presseartikel Archiv
2012
Die Welt, 23.1.2012
Bombastischer Scientology-Palast mit «Zeitmaschine»
Scientology-Sekte in Clearwater im US-Bundesstaat Florida die bombastische Lobby
Ein gigantischer Glaubens- und Schulungskomplex für über 100 Millionen Dollar soll am geistigen Zentrum der in den USA als steuerbefreite Religionsgemeinschaft anerkannten Organisation noch in diesem Jahr eröffnet werden. Das Mittelalter im Sonnenstaat. Oder Science-Fiction an Floridas Golfküste. Zuerst Mittelalter: Das siebenstöckige Bauwerk mit kirchenähnlichem Turm, das unter Bezug auf den seebegeisterten Glaubensstifter L. Ron Hubbard und in offenkundigem Wettbewerb mit muslimischer Glaubensstrenge «Flagge Mekka» genannt wird, beherbergt im fünften Stock einen mysteriösen Raum. Laut Plänen, die im Scientology-kritischen Blog «Villagevoice» veröffentlicht wurden, warten darin schwenkbare Platten in Form großer Tische, die mit «heiß-kalt-elektrisch», mit «heiß» und mit «kalt» ausgezeichnet sind. Ein Tisch, gespickt mit Nägeln, wird als «Schmerzstation» bezeichnet. Sollen in diesem Raum jene 57 übermenschlichen Fähigkeiten antrainiert werden, ohne die kein Scientologe auf die höchste Bewusstseinsstufe eines «Thetan» gelangt? Das wäre die harmlosere Spekulation.
Bombastik eines Dubaier Luxushotels
Und dann Science-Fiction: Das Bauwerk beherbergt nicht nur modernste Multimediaräume, in die Wände eingelassene Flachbildschirme samt Überwachungskameras und ein so schickes wie ungemütliches Café, sondern auch eine ominöse Zeitmaschine. Was das sein soll, wird wohlweislich nicht erklärt. Um mit ihr reisen zu können, muss man mutmaßlich ein «Thetan» sein. Als «Super Power Rundown», sinngemäß übersetzt als eine Art Ablaufplan zur Erlangung übermenschlicher Fähigkeiten, sollen die Kursangebote zur Stählung von Geist und Körper dienen, die der 1986 verstorbene Hubbard für dieses schon von ihm erträumte Gebäude vorsah. Das hohe Atrium mit kühn geschwungenen Freitreppen, kunstvollen Skulpturen und der Bombastik eines Dubaier Luxushotels dürfte empfängliche Geister durchaus überzeugen, dass hinter diesen Mauern Vervollkommnung zu erreichen sei. Gleichwohl dürfte es schwer für die Organisation werden, die Plätze für die 1600 Studenten, die dort laut einer Scientology-Broschüre Jahr für Jahr zu höherem Bewusstsein gelangen sollen, zu rekrutieren. Denn gar so mächtig, wie die Sekte von sich selbst und dem einen oder anderen hauptberuflichen Scientology-Beauftragten gern erklärt wird, ist sie keineswegs.
Sekte rechnet sich auf zehn Millionen Jünger hoch
Scientology rechnet sich durch die Addition einmaliger Teilnehmer einzelner «Auditing-Kurse», den Meilensteinen auf dem Weg zum Thetan, auf zehn Millionen Jünger hoch. Nach seriösen Schätzungen kommt die Gemeinde aber weltweit kaum über 100.000 Mitglieder hinaus. Die meisten leben in den USA, wo ihnen die in der Verfassung garantierte Religionsfreiheit eine weitgehend ungestörte Entfaltung ermöglicht. Indes gibt es immer wieder Kritiker aus den eigenen Reihen. Unlängst behauptete der 2006 mit zwei Oscars für den Film «Crash» ausgezeichnete Regisseur Paul Haggis, ein Ex-Scientologe, die Sekte lasse ihn überwachen. Privatdetektive durchwühlten seine Mülltonnen auf der Suche nach schriftlichen Notizen. Haggis hatte im Oktober 2009 nach langer Mitgliedschaft mit Scientology gebrochen und gesagt: «Ich war 34 Jahre lang in einer Sekte. Jeder konnte das sehen. Ich begreife nicht, warum ich es nicht konnte.»
Neuerdings wird die Spitze der Sekte sogar von treuen Gefolgsleuten kritisiert. Debra «Debbie» Cook, die nach eigenen Angaben 29 Jahre lang in SeaOrg, einer Art Führungsorden innerhalb Scientology diente, 17 Jahre davon im Rang eines «Kapitäns», schrieb am Neujahrstag eine in der Geschichte der Organisation beispiellose E-Mail an Tausende Mitglieder.
Streit um Scientologen-Chef David Miscavige
Darin warnte sie eindringlich vor dem Scientologen-Chef David Miscavige. Dieser habe sich zum «Führer» der Sekte gemacht, alle Kontrollorgane aufgelöst und deren Mitglieder entmachtet. Hubbard, von Cook durchgängig als «LRH» abgekürzt, habe hingegen «eine vollständige und brillante Organisationsstruktur, nicht ein einzelnes Individuum» gewollt. Der Scientology-Chef lasse seine Mitglieder ständig Spenden sammeln, setze das Geld aber nicht für die Missionsarbeit oder Anzeigenkampagnen ein, sondern gebe es für Prunkbauten aus oder lasse es auf der Bank liegen und organisiere die Sekte ausschließlich über die Zinserträge. Scientology verfüge über ein Guthaben von einer Milliarde Dollar, so Cook. Sie versichert, weiterhin eine gläubige Scientologin im Sinne Hubbards zu sein. Das Imperium schlug zurück: Cook sei «eine verärgerte Überläuferin», die bereits 2007 bei Scientology «aus Gesundheitsgründen» ausgeschieden sei, so Pressesprecherin Karin Pouw. Diese «kleinliche, ignorante und unaufgeklärte Sicht» werde «nicht geteilt von den Tausenden überglücklichen Scientologen». Und weiter: «Die Kirche betrachtet Personen wie Mrs. Cook als Eichhörnchen. Ein Eichhörnchen ist jemand, der die Schrift verfälscht: ein Ketzer.»
Tagesspigel, 18.01.2012
Wie gefährlich ist Scientology?
Kameras überwachen den Eingang in der Berliner Otto-Suhr-Allee 30–34. Aber an diesem Freitagmittag im Januar gibt es nichts zu beobachten. Die Berliner hasten vorbei, keiner hört hin, was die Stimme aus dem Monitor verkündet: „Scientology: Verstehen Sie sich selbst, verstehen Sie das Leben.“ Drinnen ist es leer, ein Mann von vielleicht 20 Jahren verschwindet fast hinter dem Empfangstresen.
Vor fünf Jahren war das anders. Passanten drückten sich an den Scheiben die Nase platt, Journalisten warteten auf Gesprächstermine, Scientologen aus ganz Europa drängten sich in den Hallen. Am 13. Januar 2007 bezog Scientology das sechsstöckige Haus mit 4.000 Quadratmetern, mitten in Berlin, um die Ecke von Ministerien und Politikern. In einem internen Papier hieß es 2006: „Berlin als die Hauptstadt Deutschlands ist die lebenswichtige Adresse bezüglich Scientology. Um unsere planetarischen Rettungskampagnen in Anwendung zu bringen, müssen wir die obersten Ebenen der deutschen Regierung in Berlin erreichen.“ Die Berliner Repräsentanz solle „die nötigen Zufahrtsstraßen in das deutsche Parlament bauen, um unsere Lösungen tatsächlich eingearbeitet zu bekommen in die gesamte deutsche Gesellschaft“.
Von diesen Plänen wusste in der Öffentlichkeit damals niemand, unbemerkt hatte Scientology das Haus gemietet und eingerichtet, der damalige Berliner Innensenator Ehrhart Körting (SPD) musste zugeben, dass er aus der Zeitung davon erfahren hatte. Nach der Jahrtausendwende war es ruhiger geworden um die Sekte, mit einem Mal stand sie wieder auf der Tagesordnung. Zeitungen und Fernsehsender berichteten, Eltern sorgten sich um ihre Kinder, Schulen klagten über massive Zusendung von Werbematerial, Anwohner beschwerten sich, dass sie in der Otto-Suhr-Allee nicht mehr unbelästigt auf den Bus warten können. Scientologen tauchten im Abgeordnetenhaus auf und ihre Infostände überall in der Stadt. Was ist geblieben von dem Wirbel? Fünf Jahre danach?
Im Erdgeschoss des verglasten Gebäudes in Charlottenburg warten die gestapelten Ausgaben der „Dianetik“, der Bibel des Science-Fiction-Autors Lafayette Ron Hubbard, vergeblich auf Leser. Sofas sind verwaist. Laut Verfassungsschutz hat Scientology in Berlin 130 Mitglieder. 2007 waren es 200. Deutschlandweit sind 1.000 Mitglieder abgesprungen. Heute sollen es noch 4.000 bis 5.000 sein, weltweit 100.000 bis 120.000. Also nicht mehr der Rede wert?
Gehirnwäsche und Psycho-Tricks
In einer Ecke steht das „E-Meter“: zwei Blechdosen, die mit einem Messgerät verkabelt sind. Das ist das wichtigste Arbeitsinstrument der Scientologen: eine Art Lügendetektor. Er zeichnet angeblich jede emotionale Regung des Angeschlossenen auf und ermöglicht Kontrolle über das Denken und Fühlen eines anderen. Denn Ron Hubbards Mission „Clear Planet“ zielt darauf ab, den Planeten zu „säubern“. Alle „geistig gestörten“ Menschen sollen „befreit“ werden. „Geistig gestört“ sind nach Hubbards Auffassung alle Nicht-Scientologen. Das ist ernst gemeint. Mit der Scientology ist nicht zu spaßen. „Die Organisation wendet einer Gehirnwäsche vergleichbare Psycho-Techniken an“, schrieb der Bayerische Verfassungsschutz 2010. „Personen, die sich diesen Verfahren aussetzen, verändern ihre Persönlichkeit erheblich. Sie werden im Kurssystem der Organisation gefangen und entwickeln ein suchtähnliches Verlangen nach weiteren Kursen mit Kosten bis zu mehreren hunderttausend Euro.“ Am Ende stünden oft der finanzielle Ruin und eine lückenlose Kontrolle durch Scientology. „Scientologen werden darauf programmiert, wie eine Maschine zu funktionieren.“
Man merkt schnell, dass hier nichts unkontrolliert geschieht. Einfach mal umschauen ist nicht. Kaum steht man ein paar Sekunden vor den „Dianetik“-Stapeln, kommt eine grauhaarige Frau und fragt, was man möchte. „Mal umschauen.“ „Was genau wollen Sie sehen?“, fragt sie zurück. „Mal umschauen.“ Sie lässt nicht locker: „Wie kann ich Ihnen helfen?“ „Jährt sich nicht demnächst die Eröffnung des Hauses zum fünften Mal?“ Sie sagt, sie wisse es nicht. Auch der junge Mann am Empfang sagt: „keine Ahnung“. Dann wird eine Mitarbeiterin von den oberen Etagen gerufen. Sie erklärt, dass sie dazu nichts sagen kann. Auch ob es eine Feier zum Jubiläum gibt, könne sie nicht sagen. Man möge Sabine Weber anrufen, die Präsidentin von Scientology in Berlin, hier sei die Handynummer. Dann nickt sie in Richtung Tür. Das Gespräch ist beendet.
Das Oberverwaltungsgericht Münster hat festgestellt, dass die Psychosekte nicht nur für den Einzelnen gefährlich ist, der in ihre Fänge gerät, sondern auch für die Gesellschaft insgesamt. Es gebe den „begründeten Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen“, urteilten die Richter 2008, die Beobachtung durch den Verfassungsschutz sei gerechtfertigt. Aus den – zum Teil nicht allgemein zugänglichen – scientologischen Schriften sowie den Aktivitäten ihrer Mitglieder ergäben sich „zahlreiche Hinweise, dass Scientology eine Gesellschaftsordnung anstrebe, in der die Menschenwürde und das Recht auf Gleichbehandlung außer Kraft gesetzt oder eingeschränkt werden sollten“, heißt es in dem Urteil.
„Zur Hölle mit dieser Gesellschaft. Wir errichten eine neue“, schrieb Hubbard 1961. Er träumte von einem Zwei-Klassen-System, in dem nur Scientologen Grundrechte hätten. Die anderen dürften nicht mal heiraten oder Kinder bekommen. So steht es in seiner „Dianetik“, dem „Leitfaden für den menschlichen Verstand“, der wie alles, was Hubbard geschrieben hat, bis heute für Scientologen maßgeblich ist. Scientology sei dabei, ihre Prinzipien in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft mehr und mehr zu verbreiten und lege dabei ein „besonderes Augenmerk“ auf Berlin, urteilten die Münsteraner Richter.
«Wir müssen drillen und viel, viel mehr werben»
Die Aufregung um den Psychokonzern und sein neues Haus in Berlin führte dazu, dass der Berliner Senat im Sommer 2008 eine Leitstelle für Sektenfragen einrichtete. Stefan Barthel ist einer von drei Mitarbeitern. Er sagt am Telefon, dass die Missionierungsversuche 2007 und 2008 durchaus erfolgreich gewesen seien. Auch die Debatte um Tom Cruise habe Scientology geholfen.
Der Hollywood-Star ist „Operierender Thetan“ der Stufe 8 und Freund von Scientology-Boss David Miscavige. Im Sommer 2007 mischte er Berlin mit seinem Film „Valkyrie“ auf. Wochenlang diskutierten Politiker und Journalisten, ob ausgerechnet Cruise, dessen „Sekte mit dubiosen Methoden versucht, Menschen gefügig zu machen“ (Klaus-Uwe Benneter, SPD), den Widerstandskämpfer Stauffenberg spielen sollte. Schließlich durfte er sogar im Bendlerblock drehen. Im November bekam er dafür noch den „Bambi für Courage“ aus dem Medienhaus Burda – und eine Laudatio von Frank Schirrmacher, Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Journalisten schrieben von „Heldengottesdienst“. Kritiker waren sich einig: Besser hätte es Scientology nicht einfädeln können.
Im Archiv findet sich auch der Artikel des Journalisten Fredy Gareis. Er hat fünf Monate undercover bei Scientology in Berlin recherchiert und schreibt, dass es im März 2008 eine Feier mit 250 Mitgliedern gab, weil das Berliner Haus angeblich mehr Zulauf hatte als alle anderen europäischen Niederlassungen. Die einzelnen Niederlassungen werden regelmäßig von der Führung in den USA bewertet und erhalten einen bestimmten Status – je nachdem, wie viele Mitglieder sie angeworben und wie viel Geld sie in die USA überwiesen haben. 2009 sollten die Berliner vom amerikanischen Mutterhaus sogar mit dem begehrten „Saint-Hill-Status“ ausgezeichnet werden. Dann hätten sie noch teurere Kurse anbieten und Operierende Thetanen ausbilden können; die wirtschaftliche Basis wäre gesichert gewesen. Der Pokal war graviert, die Einladungen waren verschickt. So haben es ihm Aussteiger erzählt, berichtet Stefan Barthel von der Berliner Sektenleitstelle. Doch die Feier wurde abgesagt. Barthel schließt nicht aus, dass die Organisation einen Imageschaden befürchtete, nachdem die Polizei kurz zuvor gegen ein Mitglied der Berliner Scientologen Ermittlungen aufgenommen hatte. Den Saint-Hill-Status hat die Berliner Zentrale jedenfalls nicht bekommen. Danach ging es offenbar bergab.
In einem internen „Schlachtplan“ von Juli 2010 wird der „Zustand“ der Berliner Niederlassung mit „normal“ angegeben. Das ist kurz vor der „Notlage“. Das Haus müsse wieder gefüllt werden, heißt es im „Schlachtplan“, man müsse „drillen“ und „viel viel mehr werben“.
Anruf bei Ursula Caberta in Hamburg. Die frühere SPD-Politikern beschäftigt sich seit 20 Jahren mit Scientology. Von 1992 bis 2010 leitete sie die „Arbeitsgruppe Scientology“ in der Hamburger Innenbehörde. 2010 wurde die Arbeitsgruppe aufgelöst, Caberta ist in der Innenverwaltung die Ansprechpartnerin für Scientology geblieben. „Auch auf der obersten Führungsebene von Scientology in den USA gibt es Auflösungserscheinungen“, sagt sie. Vertraute von Chef David Miscavige sind ausgestiegen, darunter die Nummer zwei und der Geheimdienstchef. Vor zwei Wochen ging Debbie Cook in einer Mail an 12.000 Scientologen Miscavige direkt an. „Ein ungewöhnlicher Vorgang“, sagt Caberta, denn Kritik an der Führung sei tabu. Cook war viele Jahre ganz oben in der paramilitärischen Kaderschmiede „Sea Org“ tätig und „Captain“ im spirituellen Zentrum von Scientology in Clearwater in Florida. Cook kritisiert die rabiaten Methoden beim Spendensammeln und wirft Miscavige vor, Führungskräfte auszuschalten und Hubbards Ideen zu verraten. Cooks Ansichten „reflektieren eine kleine, unwissende und unaufgeklärte Sicht der Welt von Scientology“, hieß es in einer Stellungnahme von Scientology. Cook werde nun vermutlich zur Feindin erklärt, sagt Caberta. „Hoffentlich überlebt sie das.“
Versteckt hinter Tarnorganisationen
Die Sektenexperten sehen keinen Grund zur Entwarnung. Der Wille, die Welt zu erobern, sei ungebrochen, sagt Stefan Barthel von der Berliner Sektenleitstelle. Nach wie vor finden Schulen und Jugendclubs Werbung von Scientology in der Post, häufig auch von Tarnorganisationen wie „Sag nein zu Drogen, sag ja zum Leben“ oder „Jugend für Menschenrechte“, bei denen nicht auf den ersten Blick klar ist, dass Scientology dahintersteckt. Auch beim Karneval der Kulturen wollte Scientology mitmachen. Wer eine Immobilie kaufen will, kann Scientologen vor allem in Charlottenburg und Wilmersdorf in die Arme laufen. Und auch Bundestagsabgeordnete sind nie sicher vor ihnen. Sie werden regelmäßig von der Sekte angeschrieben und angesprochen – „in letzter Zeit wieder verstärkt“, heißt es aus dem Bundesfamilienministerium. Nach wie vor beobachtet Scientology genau, was politisch vor sich geht – bis hinein in die Berliner Bezirksparlamente. Als die Zwickauer Neonazi-Zelle aufflog, forderte die Organisation wenige Tage später per Mail an Landtags- und Bundestagsabgeordnete, der Verfassungsschutz solle seine „Ressourcen dort einsetzen, wo sie benötigt werden“ und Scientology in Ruhe lassen.
Offenbar gab es auch Versuche, die junge Piratenpartei zu unterwandern. Gegen ein Düsseldorfer Parteimitglied läuft mittlerweile ein Parteiausschlussverfahren, weil sich der Mann als Scientologe geoutet hat.
In Nordrhein-Westfalen sind die Mitgliederzahlen laut Verfassungsschutz „in den letzten Jahren stark gestiegen auf derzeit 600“. Scientology nutze die neuen Medien intensiv für Werbung und Manipulation und bediene sich Plattformen wie Youtube und Twitter, sowie sozialer Netzwerke wie Facebook, StudiVZ oder SchülerVZ, warnen die Verfassungsschützer. Sabine Riede von der „Sekten-Info NRW“ sagt, dass die Sekte versucht habe, Versicherungen zu unterwandern – bislang wohl ohne Erfolg.
Man ist an jenem Freitag im Januar noch nicht wieder von dem Ausflug in die Otto-Suhr-Allee zu Hause, da ist schon eine Mail von Sabine Weber im Postfach. Scientology habe in der Hauptstadt seit Ende 2006 „einen riesigen Sprung nach vorn vollzogen“, schreibt die Präsidentin von Scientology in Berlin. Damals seien 15 Mitglieder hauptamtlich aktiv gewesen, bei der Eröffnung der neuen Zentrale seien mehr als 100 hauptamtlich Aktive dabei gewesen. Mittlerweile seien es um die 90. Die Zahl der einfachen Mitglieder habe sich von 200 auf 600 verdreifacht. Ein Blick ins Archiv fördert zutage: Vor fünf Jahren, Anfang 2007, hatte die Organisation auch schon angegeben, in Berlin 600 Mitglieder zu haben.
Bild, 17.01.2012, Franz Solms-Laubach
Verfassungsfeindliche Sekte – Innenminister fordern schärferen Umgang mit Scientology
Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall (SPD) sagte dazu zu BILD: „Scientology muss weiterhin genau beobachtet werden.“ Zwar gebe es in Baden-Württemberg keinen verstärkten Zuspruch für diese Organisation. Ihr sei es 2011 auch nicht gelungen, die seit Jahren angekündigte Eröffnung eines repräsentativen Zentrums („Ideale Org“) in Stuttgart vorzunehmen. Doch Scientology habe in Baden-Württemberg nach wie vor das dichteste organisatorische Netz und rund 1000 Anhänger. Zudem hätten Mitglieder der Organisation unlängst in Mannheim versucht, sich in Nachhilfeschulen einzuschleichen. Die „Scientology-Organisation“ hat laut „Verfassungsschutzbericht 2010“ rund 5500 Mitglieder bundesweit. Sie ist unter anderem stark in Bayern (1700 Mitglieder) und Baden-Württemberg (1000 Mitglieder) verwurzelt. Die deutschen Verfassungsschutzbehörden stufen Scientology als Wirtschaftskonzern ein, der einerseits nach Gewinnmaximierung strebt und dafür seine Mitglieder ausbeutet, und der andererseits ein weltweites Herrschaftssystem nach eigenen Vorstellungen errichten will. Als Religionsgemeinschaft gilt Scientology in Deutschland nicht.
Tages-Anzeiger, 05.01.2012
Scientology-Mitglied attackiert den Sektenboss – Scientology kommt in den USA nicht zur Ruhe
In letzter Zeit haben führende Kader die Sekte verlassen und schwere Kritik geübt. Nun verschickte eine ehemalige Mitarbeiterin eine brisante Mail an Tausende von Scientologen und griff darin auch David Miscavige an, den Nachfolger von Sektengründer Ron Hubbard. Urheberin der internen Aktion ist die 50-jährige Debbie Cook, eine bis 2008 ranghohe Mitarbeiterin, die während 20 Jahren viel Insiderwissen anhäufte. Sie bekleidete den Rang eines «Captain». Ihre Kritik ist besonders glaubwürdig, weil sie nach wie vor von den Scientology-Lehren überzeugt ist und zur Organisation steht. Pikant ist auch, dass nun viele Scientologen über die Missstände in ihrer Bewegung informiert sind, denn diese verfolgen die weltweite Kritik in den Medien in der Regel nicht.
Für Cook dürften schwere Zeiten anbrechen, denn Sektengründer Hubbard wertete interne Angriffe als Schwerverbrechen. Cook kritisiert in ihrem Mail die extremen Methoden beim Eintreiben der Spenden, wie die britische Zeitung «Times» schreibt. Für die Geldpolitik macht sie Miscavige verantwortlich.
Unsummen angehäuft
Tatsächlich werden Scientologen oft angehalten, möglichst grosse Spenden zu tätigen. Aussteiger berichten immer wieder, sie seien moralisch unter Druck gesetzt worden. Laut Cook hat der Sektenboss über eine Milliarde Dollar angehäuft. Die Scientologin kritisiert auch, dass die Spendengelder gehortet oder in überflüssige Immobilien investiert würden, was gegen den Willen von Hubbard sei. Ähnliche Vorwürfe richteten in jüngster Zeit auch amerikanische Medien an Scientology. Viele Empfänger der Mails wollten nicht glauben, dass Cook Miscavige attackierte. Inzwischen hat die Scientologin aber auf Facebook ihre Aktion bestätigt. Sie habe es aus Liebe und Respekt zu Ron Hubbard gemacht. Und weil sie möchte, dass Missstände korrigiert würden.
Scientology liess die Kritik nicht auf sich sitzen: «Die Meinungen von Frau Cook zeugen von einem kleinen, ignoranten und unaufgeklärten Blick auf die heutige Welt.» Diese würden laut «Times» von den Tausenden Scientologen nicht geteilt. Die «Patron-Aktion» Cook, die nun voraussichtlich zum Feind gestempelt wird, wollte eine öffentliche Debatte verhindern. Deshalb schrieb sie im Mail an die Scientologen: «Bitte haltet diese Mail unter Scientologen. Die Medien haben in dieser Sache nichts verloren.» Das wichtigste Spendeninstrument von Scientology ist die «Patron-Aktion». Wer viel Geld einzahlt, kommt auf die PatronListe, die in Scientology-Zeitschriften publiziert wird und den Spendern viel Prestige einbringt. Die höchste Patron-Spende beträgt eine Million Dollar. Prozentual gesehen führen Schweizer Scientologen die Spendenliste an, die nach Ländern eingeteilt ist. Allerdings sind die Neuzugänge mässig, weil die Schweizer Scientologen nicht mehr so zahlungskräftig sind wie früher.
Spiegelonline, 03.01.2012
Spendengelder Insiderin schickt Brand-Mail an Scientology-Anhänger
Hamburg – Es ist ein ungewöhnlicher Vorgang in einer Organisation, die so viel Wert auf Geschlossenheit legt: In einer langen E-Mail hat eine ehemals führende Mitarbeiterin von Scientology deutliche Worte an die Führung der Organisation gerichtet. So wie das Schreiben in US-Medien und der britischen «Times» zitiert wird, ist es nichts anderes als ein scharfer Angriff auf den Vorsitzenden David Miscavige.
Verfasserin des Brandbriefs ist Debbie Cook, die sich noch immer als überzeugte Anhängerin der Lehre von Scientology-Gründer L. Ron Hubbard bezeichnet. Cook beklagt das massive Spendeneintreiben der Organisation. Die «extremen Methoden» unter Miscavige hätten es ermöglicht, mehr als eine Milliarde Dollar anzuhäufen, so Cook. Das Geld werde jedoch nicht dazu verwendet, den Glauben zu verbreiten, sondern gehortet oder in unnötige Bauten gesteckt. Das sei eine Abkehr von den Lehren Hubbards. Es gebe keine Frage, so Cook, «das Zeitalter des kontinuierlichen Spendensammelns ist nicht unsere Sternstunde».
Derartige Vorwürfe gegen Scientology gab es schon häufiger. Zuletzt hatten Aussteiger in einer Serie der «Tampa Bay Times» von erzwungenen Spenden berichtet («The Money Machine»). Miscavige und andere Führungsmitglieder haben solche Vorwürfe allerdings stets bestritten. Unangenehm für die Scientology-Führung wird Cooks Kritik vor allem durch ihre eigene prominente Rolle in der Organisation. Laut «Tampa Bay Times» war die 50-Jährige von 1989 bis 2006 «Captain» im spirituellen Zentrum Scientologys in Clearwater, Florida. Sie fungierte außerdem in hoher Position in der Sea Org, einer Kaderorganisation von Scientology. Erst 2008 habe sie den Mitarbeiterstab verlassen. In welchem Verhältnis Cook zuletzt zu aktiven Scientologen stand, ist nicht klar. Sie habe immer noch Insider-Informationen und auch geschäftlichen Kontakt zu Scientologen, schreibt die «Tampa Bay Times».
«Aus Liebe und Respekt zu LRH»
Den Berichten zufolge ging das Schreiben an Tausende Scientologen. Viele wollten offenbar zunächst nicht glauben, dass eine Person wie Cook sich in dieser Weise über Scientology äußert. Doch auf ihrer Facebook-Seite hat sie inzwischen bestätigt, Verfasserin der E-Mail zu sein. Sie habe es «aus Liebe und Respekt zu LRH [L. Ron Hubbard, die Redaktion] getan», schreibt Cook, «und aus dem Wunsch zu sehen, dass wir Zustände korrigieren, die in unserer Gruppe korrigiert werden müssen.» Sie arbeite zwar nicht mehr in der Sea Org, stehe aber gemeinsam mit ihrem Mann immernoch in gutem Verhältnis zu Scientology, schreibt Cook.
Das dürfte sich jetzt ändern: Nach der öffentlichen Kritik werde Cook «als Feind eingestuft», sagt die deutsche Scientology-Expertin Ursula Caberta. Für sie deutet Cooks Schreiben auf einen Abnabelungsprozess von Scientology hin. Cook sei eine spannende Person, die eine Menge aus dem Innenleben der Organisation erzählen könne. Scientology werde daher vermutlich versuchen, Einfluss auf Cook zu nehmen, damit sie sich nicht mehr äußere, so Caberta.
Cook wirft Miscavige auch vor, die Organisationsstrukturen Hubbards abgebaut und Führungskräfte kaltgestellt zu haben. Laut «Times» heißt es in einem ersten Scientology-Statement: «Die Meinungen von Frau Cook zeugen von einem kleinen, ignoranten und unaufgeklärten Blick auf die heutige Welt. Sie werden nicht geteilt von den Tausenden Scientologen, die hocherfreut über unsere 27 neuen Kirchen und deren Bedeutung für ihre Gemeinschaften sind.» Cook selbst wusste offensichtlich um die Brisanz ihres Schreibens und die negative Öffentlichkeitswirkung für Scientology. Denn zum Schluss der Mail – so wie sie übereinstimmend in mehreren US-Blogs zitiert wird – heißt es: «Bitte haltet diese Mail unter Scientologen. Die Medien haben in dieser Sache nichts verloren.»
heute.at, 29.02.2012, Jörg Michner
Scientology-Sekte geht heimlich auf Kinderfang
«Ich bin schockiert, dass eine gefährliche Sekte direkt auf Kinder abzielen kann», erzählt Heute-Leser David besorgt: «Scientology verspricht das Paradies – wenn man ihnen all sein Geld gibt. Ehemalige Mitglieder berichten immer wieder von Gehirnwäsche.» Aufgetaucht sind mehrere Werbungen der Sekte in der App «Nursery TV», erhältlich für Apples iPhone und iPad.
Tages-Anzeiger vom 25.02.2012, Stamm Hugo
Scientologen: Psychiater sind für Suizide verantwortlich
Zürich – Zahlreiche Kindergärten, Schulen, Behörden und Politiker im Kanton Zürich haben in letzter Zeit alarmierende Post von der Bürgerkommission für Menschenrechte CCHR bekommen. Das Couvert enthielt eine DVD mit martialischem Titel: «Psychiatrie – Die Todesfalle». Etliche Empfänger waren ratlos. Von einer Bürgerkommission hatten sie noch nie gehört. Der 90-minütige Film gab auch keinen Aufschluss. Einen Hinweis auf den Urheber fand erst, wer die beigelegte Broschüre genau studierte. Auf einer der letzten Seiten steht: «Die CCHR wurde 1969 von Mitgliedern der Scientology-Kirche und Dr. Thomas Szasz gegründet.»
Die DVD ist ein flammendes Pamphlet gegen Seelenärzte und Pharmaindustrie. Im Film mit dem Untertitel «Wie Psychopharmaka ihr Kind töten können» schwingt permanent die Botschaft mit, dass alle Kinder, denen Antidepressiva und vor allem Ritalin gegen das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom ADHS verschrieben werden, einer tödlichen Gefahr ausgesetzt werden. Laut CCHR betrifft dies 20 Millionen junge Menschen.
Bild einer skrupellosen Industrie
Eltern, die keine Erfahrung mit psychischen Krankheiten besitzen, erhalten tatsächlich den Eindruck, Psychiater betrieben einen vorsätzlichen Massenmord. Mit stereotypen Klischees wird das Bild einer skrupellosen Gesundheitsindustrie gezeichnet. Hauptfigur des Films ist Matthew Steubing. Der junge Amerikaner nahm sich mit 18 Jahren das Leben. Er litt unter einer schweren Depression, weshalb ihm sein Arzt Psychopharmaka verschrieb. Nach dem Tod von Matthew begann seine Mutter zu recherchieren und gelangte zur Überzeugung, dass die Medikamente zu hundert Prozent verantwortlich für den Suizid ihres Sohnes waren. Sie interviewte Leidensgenossinnen und Pharmakritiker und machte daraus den Film.
Die DVD ist nach dem üblichen Strickmuster von Scientology gefertigt. So enthält der Film keine wissenschaftlichen Erklärungen oder Gegenstimmen. Er zieht auch nicht in Betracht, dass die psychischen Krankheiten Ursache für die Suizide sein könnten.
Hass auf die Fachärzte
«Es ist ein übler Propagandafilm», sagte eine Zürcher Lehrerin gegenüber dem TA. «Eltern, die nicht realisieren, dass Scientologen dahinterstecken, können verunsichert werden und die Medikamente bei ihren Kindern absetzen. Das kann die Suizidgefahr erhöhen.» Es ist kein Zufall, dass die Scientologen vor allem Schulen und Lehrer bei ihren Kampagnen ins Visier nehmen. Tatsächlich wird unaufmerksamen Schülern immer häufiger Ritalin verschrieben. Für CCHR ist das ein Verbrechen an den Kindern. Die Organisation behauptet denn auch, es handle sich um die Vermarktung erfundener Krankheiten. Am Schluss des Films werden die Betrachter aufgefordert: «Besorgen Sie sich Fakten. Retten Sie ein Kind.»
Geistiger Vater der Bürgerkommission ist Ron Hubbard. Der Gründer von Scientology schrieb: «Das grösste Verbrechen unserer Zeit ist der Gebrauch von Psychologie und Psychiatrie.» Politiker würden Psychiater unterstützen. Dazu Hubbard: «Mörder scharen sich gern um Mörder.» Ausserdem beschimpfte der Sektenführer die Fachärzte als «verrückte und tötende Psychiater». Der Hass auf Psychologen und Psychiater geht darauf zurück, dass diese Hubbards Pseudotherapien scharf kritisierten. So schrieb beispielsweise der bekannte Psychoanalytiker Erich Fromm schon 1950, Hubbard leiste sich übermässige Vereinfachungen, Halbwahrheiten und platte Absurditäten, der Scientology-Gründer betrachte den Menschen als eine Maschine. Um sich zu rächen, bekämpfen Scientologen seit über 40 Jahren die Psychiatrie.
Ableger auch in Zürich
CCHR hat 350 Büros in 31 Ländern In der Bürgerkommission für Menschenrechte CCHR engagieren sich hauptsächlich Scientologen, die den Kampf gegen die Psychiatrie im Namen ihres Sektengründers Ron Hubbard führen. Ein Ableger ist auch in Zürich aktiv, er organisiert regelmässig Informationsstände beim Pestalozzi-Denkmal, das nächste Mal am kommenden 3. März. CCHR hat in Zürich vor ein paar Jahren eine Demonstration organisiert, bei der Scientologen Transparente mit den Slogans «Psychiater zerstören Leben», und «Psychiater fresst eure Pillen selber» in die Höhe hielten. Gemäss Felix Affolter, dem Präsidenten von CCHR Schweiz, umfasst, die Kommission mehr als 350 Büros in 31 Ländern, welche die Psychiatrie überwachen würden. Wie viele DVDs die CCHR verschickt hat, kann er nicht sagen. Der Film zeige, «wie verheerend – und sogar tödlich – sich die Verabreichung von Psychopharmaka auf Kinder und Familien auswirken kann».
kipa-apic.ch, 25.02.2012
Scientology verschickt Filmpamphlet gegen Psychopharmaka
Zahlreiche Kindergärten, Schulen, Behörden und Politiker im Kanton Zürich haben laut der Zeitung in letzter Zeit alarmierende Post von der Bürgerkommission für Menschenrechte CCHR bekommen. Das Couvert enthielt eine DVD mit Titel: «Psychiatrie – Die Todesfalle». Laut Stamm ist dies Propagandamaterial der Scientology – wie eine beigelegte Broschüre verrate. Die DVD enthalte ein flammendes Pamphlet gegen Seelenärzte und Pharmaindustrie. Im Film mit dem Untertitel „Wie Psychopharmaka ihr Kind töten können“ schwinge die Botschaft mit, dass Kinder, denen Antidepressiva oder Ritalin gegen das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom ADHS verschrieben werden, einer tödlichen Gefahr ausgesetzt seien.
Suizidgefahr – weshalb?
Der Film beschreibt das Leben eines depressiven 18-jährigen Amerikaners, der Psychopharmaka verschrieben erhielt und sich das Leben nahm; worauf dessen Mutter die Psychopharmaka für den Suizid verantwortlich machte. Stamm kritisiert, dass der Film – nach dem üblichen Strickmuster der Scientology – keine wissenschaftlichen Erklärungen oder Gegenstimmen enthalte. Er ziehe nicht in Betracht, dass psychische Krankheiten Ursachen für Suizide sein könnten. Laut einer im Zeitungsartikel zitierten Lehrerin kann die DVD aber die Suizidgefahr erhöhen. Dann nämlich, wenn Eltern durch deren Botschaft verunsichert werden und die Medikamente bei ihren Kindern absetzen.
hamburg.de, 24.02.2012
Scientology geht im Internet auf Mitgliederfang
Seit einiger Zeit bietet Scientology im Internet spezielle Kurse zur Lebenshilfe an. Die Behörde für Inneres und Sport warnt vor diesen Offerten. Scientology gehe es darum, unter einem Vorwand Menschen für die Organisation zu interessieren, betont Hamburgs Scientology-Expertin Ursula Caberta. Die Ziele, die die vom Verfassungsschutz beobachtete Organisation verfolge, seien immer gleich und gelten auch für dieses „kostenlose“ Angebot von Scientology: Die Internet-Werbung soll Caberta zufolge neugierig machen und dient dazu, persönliche Daten zu erfassen, um weitere Kontakte zu ermöglichen und Menschen für die Organisation zu rekrutieren.
Ursula Caberta: „Es ist die klassische Anwerbemethode, von der Straße ins Internet verlagert. Mit Hilfe scheinbar harmloser Einstiegsangebote wie kostenlosen Stress- und Persönlichkeitstests versucht Scientology schon seit jeher, Menschen in die Abhängigkeit zu treiben und ihnen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Viele Betroffene weltweit, die Scientology auf den Leim gegangen sind, haben auf diese Weise schon ihre Persönlichkeit, ihre Familie und ihr Erspartes verloren. Also Finger weg – auch von den Angeboten im Internet.“
Neue Westfälische, 22.02.2012, Matthias Bungeroth
BIELEFELD/ NRW Scientology greift nach den Schulen – Buch soll in Bibliotheken eingeschleust werden
Die Scientology-Sekte versucht, an den Schulen Nordrhein-Westfalens Fuß zu fassen. Davor warnt die Beratungsstelle Sekten-Info NRW. Scientology wolle seine Broschüre «Der Weg zum Glücklichsein» in alle Schulbibliotheken einschleusen, heißt es. «Sehr gefährlich» nennt Sabine Riede, Geschäftsführerin des Büros, die Aktivitäten. Das Buch gehöre dort nicht hin. Auch der Verfassungsschutz NRW warnt vor wachsendem Einfluss der Scientology-Organisation (SO) im größten Bundesland. Nicht nur über die Broschüre versuche Scientology seinen Einfluss zu festigen und neue Mitglieder anzuwerben. «Ein aktueller Angriff auf Kinder und Jugendliche erfolgt jüngst über die (Tarn-)Organisation ,Applied Scholastics‘ (Nachhilfe) und ,ZIEL‘ (Zentrum für individuelles und effektives Lernen)», sagt Birgit Axler vom Innenministerium des Landes NRW. Vor SO-Aktivitäten in der Nachhilfe warnt auch Marc Ratajczak, Sektenbeauftragter der CDU-Landtagsfraktion.
Die oben zitierte OS-Broschüre soll laut Sabine Riede an allen Schulen des Landes verteilt werden mit dem Ziel, dass sie dort in den Bibliotheken platziert wird. «Der Name Scientology taucht dort nicht auf.» Inhalt des Buches seien moralische Themen und Ziele, denen man sich zunächst durchaus anschließen könne. Doch falls Schüler nähere Informationen zu dem Buch haben wollten, «bleibt die Gefahr, dass sie übers Internet mit Scientology in Berührung kommen». Riede sagt, sie habe die zuständigen Fachaufsichten über die aktuellen Vorgänge bereits informiert.
Gerichtsurteil gegen Scientology
«Literatur von verfassungsfeindlichen Organisationen hat in der Schule nichts zu suchen», so Riede. Im NRW-Verfassungsschutzbericht werden Scientology «Strukturen mit totalitärem Anspruch und menschenverachtenden Tendenzen» zugeschrieben. Im bevölkerungsreichsten Bundesland sei die OS-Mitgliederzahl «in den letzten Jahren stark angestiegen – auf derzeit circa 600». Bundesweit habe SO 5.000 bis 6.000 Mitglieder. Das Oberverwaltungsgericht Münster urteilte 2008, dass sich die Lehre von SO «gegen die Menschenwürde, das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz» richte.
Die SO-Broschüre ist laut Auskunft von Riede bereits an Schulen in NRW im Umlauf. «Dass Bücher schon rausgegangen sind, ist eindeutig.» Sie habe hierüber zuverlässige Berichte einer SO-Aussteigerin. Norbert Blüm (CDU), ehemaliger Bundesarbeitsminister, plädierte dafür, die SO- Aktivitäten ernst zu nehmen. «Wir haben es mit einer mächtigen, einflussreichen Organisation zu tun», so Blüm auf Anfrage. «Das ist ein Geldgeschäft.» Als Minister habe er sich viel mit Scientology auseinandergesetzt. NRW sei für Scientology ein «strategischer Brückenkopf bei der Eroberung des Ostens». Die dortigen Länder seien durch den Sozialismus ausgetrocknet. «Dort gibt es große Sehnsüchte», so Blüm. Er setzt bei der Auseinandersetzung mit Scientology aber nicht auf Verbote, sondern auf die geistige Auseinandersetzung. «Ich glaube, dass wir nicht machtlos sind.»
Tages-Anzeiger, 11.02.2012, Hugo Stamm
100 Scientologen in Verlies gesteckt?
Debbie Cook, 17 Jahre lang eine führende Scientologin, schilderte am Donnerstag vor Gericht in San Antonio, Texas, ruhig und in knappen Sätzen, dass Scientology-Boss Miscavige sie «in ein Loch» stecken liess. Als sie von der Demütigung sprach, erstickten Tränen ihre Worte. Nach diesem Erlebnis hatte Debbie Cook den ScientologyDienst quittiert. Sie war mausarm, weil sie nie einen Lohn bekommen hatte. Miscavige zahlte ihr 50 000 Dollar Abfindung. Im Gegenzug musste sie unterschreiben, keine Sektengeheimnisse der Öffentlichkeit preiszugeben (TA vom 5. Jan. und 9. Feb.).
Wütender Sektenboss
Anfang Januar schrieb Cook eine Mail an Tausende Scientologen und kritisierte die harte Spendenstrategie des Sektenbosses. In ihrer Dienstzeit seien 1,7 Milliarden Dollar von Sektenmitgliedern eingetrieben worden. Miscavige sah darin eine Verletzung der Vereinbarung und klagte. Cook zeichnete nun vor Gericht kein schmeichelhaftes Bild vom Sektenboss. Miscavige, der den Sektenkonzern von Gründer Ron Hubbard übernommen hatte, habe sie 2007 am Telefon wegen ihrer mangelhaften Leistung wutentbrannt kritisiert. Deshalb öffnete sie nicht, als es an der Tür klopfte. Kurz darauf seien zwei Männer durchs Fenster in ihr Büro gestiegen. «Sind sie da?», habe Miscavige am Telefon gefragt. Er habe die Aktion offensichtlich selbst angeordnet.
Die Scientologen steckten Cook laut ihrer Aussage in eine Art Verlies. Dort sei sie auf über 100 weitere hochrangige Mitarbeiter getroffen, die ebenfalls eine Strafe absitzen mussten. Noch heute werde sie von diesem Albtraum verfolgt. Die Stimmung unter den Insassen sei aggressiv, oft gewalttätig gewesen, zu essen habe es nur aufgewärmte Reste gegeben, sagte Cook weiter. In «diesem Loch» sei es bis 38 Grad warm geworden, die Eingesperrten hätten auf einem Boden voller Ameisen schlafen müssen.
Sieben Wochen im «Loch»
Sieben Wochen dauerte laut Cook die martialische Strafaktion, während zwei Wochen habe Miscavige sogar den Strom abgestellt. Sie sei auch danach im Scientology-Zentrum in Clearwater gefangen gehalten worden. Deshalb habe sie den Knebelvertrag unterzeichnet. Sie hätte in dieser Situation alles unterschrieben, sagte sie vor Gericht, sogar, dass sie Babys erstochen habe. Die Frage, ob Miscavige sie geschlagen habe, verneinte Cook. Er habe sie aber gepackt und heftig geschüttelt.
Andere ehemalige Scientologen berichteten hingegen früher schon von Prügelstrafen. Der ehemalige Chef des scientologischen Geheimdienstes, Mike Rinder, sagte, er sei mehrere Dutzend Male von Miscavige geschlagen worden. Manchmal habe er blutige Verletzungen davongetragen. Amy Scobee, langjährige Chefin des Celebrity Centers, das Hollywoodstars wie Tom Cruise und John Travolta betreut, bestätigte die Prügelpraxis von Miscavige.
Der Scientology-Anwalt sagte, die Schilderungen von Cook seien irrelevant, es gehe nur um einen einfachen Vertrag. Cooks Anwalt entgegnete, dieser sei unter Druck erzwungen worden und nicht durchsetzbar. Scientology-Sprecherin Karin Pouw erklärte, Cook wolle mit falschen Behauptungen und wilden Geschichten das Gericht ablenken.
Tages-Anzeiger, 08.02.2012, Hugo Stamm
ScientologyBoss-David-Miscavige- schlaegt-zurueck
Der Streit zwischen der einst ranghohen Scientology-Mitarbeiterin Debbie Cook und Sektenboss David Miscavige (TA vom 5. Januar) geht in die nächste Runde und spitzt sich zu: Die Sekte klagte Cook kürzlich ein, weil sie in einer Mail an Tausende von Scientologen Miscavige hart kritisiert hatte. Die ehemalige Scientologin, die 17 Jahre lang im Hauptquartier in Clearwater (Florida) gearbeitet hatte, kritisierte die komplexe Kommandostruktur und die knallharte Strategie zum Eintreiben von Spenden. In ihrer Dienstzeit seien 1,7 Milliarden Dollar von Sektenmitgliedern eingetrieben worden. Ausserdem habe Miscavige die Gelder nicht im Sinn von Scientology-Gründer L. Ron Hubbard verwendet.
Scientology scheint geahnt zu haben, dass die 50-jährige Cook, einst im Rang eines «Captains» tätig, für die Sekte zur lebenden Zeitbombe werden könnte. Als sie und ihr Ehemann Wayne Baumgarten die Arbeit bei Scientology mausarm quittierten, wurden sie mit einer Art Schweigegeld von je 50'000 Dollar gefüttert. Im Gegenzug mussten sie unterschreiben, keine Sektengeheimnisse preiszugeben, wie die Zeitung «Tampa Bay Times» schreibt. Die Vereinbarung sieht Strafen von mindestens 100'000 Dollar für jede abfällige Bemerkung über Scientology in den Medien vor.
300'000 Dollar gefordert
Die erste Anhörung findet bereits heute statt. Scientology verlangt einen Schadenersatz von mindestens 300'000 Dollar. Die Klage könnte für Scientology aber zum Bumerang werden: Sollte Debbie Cook vor Gericht Interna auspacken und ein Sittenbild von der Führungsriege zeichnen, wäre der Imageschaden für die Sekte wohl weit grösser. Der Knebelvertrag von Scientology macht die repressiven und teilweise undemokratischen Methoden deutlich, mit denen die Sekte arbeitet. So mussten Cook und Baumgarten unterschreiben, «bis in alle Ewigkeit» keine Informationen über Scientology, seine aktiven oder ehemaligen Mitarbeiter offenzulegen oder abfällige Bemerkungen über Scientology zu machen. Weiter verbietet ihnen die Vereinbarung, Berichte zu veröffentlichen oder den Medien zu helfen, solche zu erstellen.
Kein Geld für einen Anwalt
In einer Erklärung hielt Scientology-Sprecherin Karin Pouw fest, Cook und Baumgarten hätten eine rechtlich verbindliche Vereinbarung verletzt und Scientology einen grossen Schaden zugefügt. Laut Klage haben 24 Millionen Menschen via Medienberichten von Cooks rufschädigender Mail erfahren. Es gehe um den Schutz ihrer Rechte, so Pouw weiter. Cook wird sich mit dem Argument verteidigen, sie habe ihre Mail nur intern verschickt. Darin heisst es, sie wolle nicht, dass die Öffentlichkeit Kenntnis davon erhalte. Cook erklärte, sie habe kein Geld, um sich mithilfe eines Anwalts zu verteidigen. Tatsächlich arbeiten selbst Führungskräfte meist ohne eigentliche Entlöhnung für Scientology. Marty Rathbun, ein einst hochrangiger Scientologe, hat ein Spendenkonto für solche Fälle eingerichtet und engagiert für Cook nun einen Rechtsvertreter. Der jahrelange Kampf zwischen der Sekte und ihren Aussteigern geht somit weiter.
religion.orf.at, 02.02.2012
Scientology Urteil Frankreich – „Bandenmäßiger Betrug“: Geldstrafe für Scientology Frankreich
Ein Berufungsgericht bestätigte am Donnerstag in Paris ein früheres Urteil, wonach zwei Einrichtungen von Scientology eine Strafe von insgesamt 600.000 Euro zahlen müssen. Fünf Scientologen wurden außerdem zu Geldstrafen oder Bewährungstrafen verurteilt. Den beiden Einrichtungen, dem in Paris ansässigen Celebrity-Zentrum und seiner Buchhandlung, war vorgeworfen worden, Anhänger in den 90er Jahren psychisch unter Druck gesetzt zu haben, um sich an ihnen zu bereichern. Der erste Prozess war durch die Strafanzeige einer Frau ins Rollen gekommen, die rund 20.000 Euro für Bücher, Medikamente und «Kommunikationskurse» der Organisation gezahlt hatte.
In Frankreich als Sekte eingestuft
Die 1954 gegründete Scientology-Bewegung gilt in den USA als Religion, in Frankreich wird sie hingegen als Sekte eingestuft. In Österreich ist Scientology weder eine anerkannte Religionsgemeinschaft noch eine eingetragene Bekenntnisgemeinschaft. Bekannteste Vertreter sind die Hollywoodstars Tom Cruise und John Travolta. Die Organisation will weltweit rund zehn Millionen Mitglieder haben, davon 45.000 in Frankreich. Im ersten Verfahren hatte die Anklage auch die Auflösung der Scientology-Organisationen in Frankreich verlangt. Das war aber unmöglich, weil im Mai 2009, einige Monate vor der Urteilsverkündung, eine Gesetzesänderung verabschiedet worden war, die Sekten vor Auflösung schützt. (AFP)
heute.at, 26.03.2012
Warnung ausgesprochen – Scientology in Schulen auf Mitgliedssuche
Österreichs Schulleiter schlagen Alarm: An mehrere Schulen wurde in den vergangenen Tagen «Unterrichtsmaterial» der Sekte Scientology versandt. Die Kinder sollen mit dem Material manipuliert werden. Das Scientology-Paket habe immer denselben Inhalt – zwei DVDs mit dem Titel «Der Weg zum Glücklichsein». Im Begleitschreiben wird darum gebeten, die DVDs für Präsentationen an der Schule zu verwenden und sie der Schulbibliothek verfügbar zu machen. Zusätzlich wird ein Ausbildungspaket angeboten, um diese Prinzipien zur Lösung von Lebensproblemen im Klassenzimmer unterrichten zu können, berichtet orf.at. Immer wieder wird auch Sekten-Gründer L. Ron Hubbard im Schreiben und auf den DVDs zitiert. In Kärnten, wo sich die Fälle häuften, wurde bereits das Bezirksschulinspektorat eingeschaltet und alle Schulleiter werden vor den «Werbe-Päckchen» gewarnt. Erst kürzlich berichteten Heute-Leser davon, dass Scientology Werbungen in iPad-Spielen eingebaut hatte.
Hamburger Abendblatt, 16.03.2012, jel Landesamt warnt vor Kampagne von Scientology
Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) warnt vor neuen Aktivitäten der Scientology-Organisation. Die Psychosekte versuche derzeit vermehrt über das Internet neue Unterstützer zu gewinnen. Insbesondere wende sich die Organisation im Netz an Kinder und Jugendliche sowie psychisch labile Erwachsene. Ihnen werden scheinbare Lösungen für alltägliche wie auch schwerwiegende Probleme angeboten. Das Ziel der Kampagne: Menschen in eine Abhängigkeit zu locken und sie finanziell auszunehmen.
Der etwas hölzerne Titel der Internet-Kampagne lautet „Effektive Scientology-Lebenshilfen in Form von kostenlosen Online-Angeboten“ und ist offenbar Teil des von Sektenführern bereits 2008 verkündeten „Vorstoßes in den Cyberspace“. Scientology nennt das Angebot „Lebensverbesserungskurse“ und verspricht Hilfe bei Krisen in den Bereichen Arbeit, Drogen, Geld, Ehe, Stress und Kommunikation – und das alles mit wenigen Mausklicks. Die wahren Hintergründe der Netz-Offensive sind nach Ansicht des Verfassungsschutzes, dem die Arbeitsgruppe Scientology um Ursula Caberta angegliedert wurde, anders gelagert.
Sprecher Marco Haase: „Es handelt sich um Lockangebote. Die Scientologen verstehen es, im Sinne ihrer Ideologie zielstrebig zu kommunizieren.“ Zuerst gebe es etwas umsonst, später werde Druck ausgeübt, der Organisation immer mehr Geld zu geben. Auch im Stadtbild zeigen die Scientologen laut LfV neuerdings wieder mehr Präsenz. Seitdem die Hamburger Niederlassung modernisiert wurde, werden vermehrt Prospekte und Einladungen zum Besuch des Gebäudes am Domplatz verteilt. Haase: „Der Scientology-Organisation geht es um Macht, Geld und den Einzug in alle gesellschaftlichen Bereiche. Die Werbebotschaften dienen dem Zweck, mit scientologischen Technologien in die Gesellschaft einzudringen und irgendwann wirtschaftlichen und politischen Einfluss nehmen zu können.“ Eine der Werbebotschaften der Organisation lautet: „Nicht immer geht alles glatt im Leben.“ Der LfV warnt aus genau diesem Grunde vor dem Kontakt mit Scientology: „Es könnten eher weitere Probleme dazukommen.“
Hessen und Deutsches Tageblatt, 15.03.2012
Hamburg – LfV Hamburg: Vorsicht vor kostenlosen Online-Kursen der Scientology-Organisation
Das LfV berät all jene, die bereits Kontakt zu Scientology hatten Hamburg – Das Landesamt für Verfassungsschutz warnt vor kostenlosen Online- Kursen, die auf deutschsprachigen Internet-Seiten der Scientology-Organisation (SO) angeboten werden. Die SO wirbt für diese Kurse unter dem Motto „Effektive Scientology-Lebenshilfen in Form von kostenlosen Online-Kursen“. Bereits seit Jahren baut die SO ihre Internetpräsenz aus, um Interessierte mit populären Themen wie einer Anti-Drogen-Kampagne („Sag Nein zu Drogen – Sag Ja zum Leben“) oder dem Einsatz für Menschenrechte („Jugend für Menschenrechte“) anzulocken. Den Stellenwert des Internets für ihre Mitgliederwerbung untermauerte die SO mit dem im Mai 2008 propagierten „Vorstoß in den Cyberspace“. Und über soziale Netzwerke sucht die Organisation insbesondere den Kontakt zu Kindern und Jugendlichen.
Wurde der Scientology-Hintergrund wegen des schlechten Images der SO häufig auch verschleiert, tritt die Organisation in den neuen Online-Kursen offensiver auf und bietet ein breites Spektrum von Lebenshilfe ganz offen unter dem Titel „Scientology“ an. Dabei werden angebliche Lösungen zu den verschiedensten Problemen des menschlichen Lebens angepriesen – mit wenigen Klicks ist für jede Altersgruppe etwas dabei: Arbeit, Geld, Ehe, Stress, Kommunikation, Drogen und mehr. Die SO nennt das „Lebensverbesserungskurse“, und der Scientology-Pressedienst verspricht durch die scheinbar „vermittelten Lösungen (…) ein erfülltes und glückliches Leben.“ Das LfV Hamburg warnt vor diesen neuen Lockangeboten.
Die Scientologen verstehen es, mit Menschen, die Lebenshilfe suchen, im Sinne ihrer Ideologie zielstrebig zu kommunizieren. Genau das trainieren sie. Geschickt und freundlich beginnt es im Netz und setzt sich dann in den Scientology-Niederlassungen fort. Dort gibt es dann allerdings kaum noch etwas umsonst. Ganz im Gegenteil: Der Druck auf die einzelnen Scientology-Anhänger, ihrer Organisation immer mehr Geld zu geben, hat enorm zugenommen. Dieses „Ausnehmen“ der Mitglieder wurde in der Vergangenheit auch schon intern kritisiert.
Der SO geht es um Macht, Geld und den Einzug in alle gesellschaftlichen Bereiche. Gerade vor wenigen Wochen wurde die Hamburger Niederlassung am Domplatz modernisiert und mit mehr Personal ausgestattet, um Scientology hier vor Ort stärker zu etablieren. Seither verteilt das scientologische Personal in der Innenstadt vermehrt Flyer, in denen zu einem Besuch des renovierten Gebäudes eingeladen wird. Die Werbebotschaften per Flyer und im Netz dienen dem Zweck, mit scientologischen Technologien in die Gesellschaft einzudringen, um sich dort auszubreiten und irgendwann auch wirtschaftlichen und politischen Einfluss im Sinne dieser totalitären Organisation nehmen zu können.
Die SO wirbt für ihr neues Angebot unter anderem mit der Binsenweisheit „Nicht immer geht alles glatt im Leben.“ Das LfV Hamburg warnt davor, den Scientologen sein Leben anzuvertrauen; gerade im Hinblick auf die angebotenen Lebenshilfen und die Folgen könnten die Ratsuchenden mit Scientology in ihrem Leben eher weitere Probleme bekommen.
derwesten.de, 15.03.2012, Melanie Bergs
Wie Scientology versucht, sich in NRW-Schulen einzuschleichen
Das Buch kommt völlig harmlos daher. In seiner naiven Bildsprache erinnert es ein wenig an die Heftchen, die die Zeugen Jehovas an den Haustüren verteilen. Auf dem Cover schlängelt sich ein Weg durch grüne Wiesen, über allem erstrahlt eine leuchtende Sonne. „Der Weg zum Glücklichsein“ lautet der Titel. Das klingt unverfänglich und verheißungsvoll. Ebenso wie die 21 Regeln, die man auf dem Weg ins Glück befolgen soll, etwa: „Geben Sie Kindern Liebe und Hilfe“, „Morden Sie nicht“, „Schützen und verbessern Sie Ihre Umwelt“. Wer sollte dazu schon Nein sagen?
Beliebigkeit und scheinbaren Harmlosigkeit liegt jedoch die Gefahr dieses Buchs. Als Herausgeber tritt zwar die „Way To Happiness Foundation“ auf, eine Stiftung mit Sitz in den USA, doch nach Informationen der Sekten-Info NRW steckt Scientology dahinter. „Die Scientologen versuchen seit einigen Wochen, mit Hilfe dieser Tarnorganisation Kontakt zu Schulen zu bekommen“, warnt Sabine Riede, Geschäftsführerin der Sekten-Info. Das Buch sei bereits an mehrere weiterführende Schulen in NRW verschickt worden, wie eine Aussteigerin den Sekten-Experten berichtet hat.
„Gefahr groß, dass das Scientology-Buch in der Schul-Bibliothek landet“
Die Bücher würden mit einem Begleitschreiben versandt, in dem die Stiftung ihre Ziele darlege, so Riede. Die Schüler sollten wieder verstärkt an moralische Fragen herangeführt werden, erklärten die Absender darin. Auf der Homepage der „Way To Happiness Foundation“ können Pädagogen sogar Material herunterladen, um das Buch im Unterricht zu behandeln. Erfahrungsberichte von Lehrern und Bildungspolitikern aus den USA, Israel und Nigeria gaukeln die Erfolge der Schul-Lektüre vor. „Auch auf der Internetseite der Stiftung ist die Verbindung zu Scientology für Laien kaum zu erkennen“, sagt Riede. Nur der Name des Scientology-Gründers L. Ron Hubbard taucht als Autor des Werks mehrfach auf. „Aber auch damit können nicht unbedingt alle Pädagogen auf Anhieb etwas anfangen“, befürchtet die Sekten-Expertin.
Anfang Februar hat Sekten-Info NRW das Schulministerium deshalb dazu aufgefordert, die Schulen über die neue Tarn-Strategie der Scientologen zu informieren. Auch Marc Ratajczak, der Sektenbeauftragte der CDU-Landtagsfraktion, hat sich dem Appell angeschlossen. „Der Bezug zu Scientology ist für viele Lehrer nicht ersichtlich“, meint Ratajczak. „Daher ist die Gefahr groß, dass das Buch unbemerkt in der Schulbibliothek landet.“ Verband will Warn-Mail an die Schulen schicken Beim Schulministerium reagiert man dagegen gelassen. „Ein solches Buch gehört nicht in die Schule“, erklärt Ministeriums-Sprecher Jörg Harm gegenüber DerWesten. Bisher gebe es jedoch noch keine Hinweise von Schulen, die das Buch erhalten hätten. „Wir verschicken keine allgemeine Warn-Mail an die Schulen, um die Sache nicht unnötig aufzuwerten“, sagt Harm. Beim Ministerium gehe man vielmehr davon aus, dass die Lehrer ausreichend für das Thema Scientology sensibilisiert seien. Für Ratajczak ist das eine „völlig unverständliche Reaktion“.
Das Schulministerium mache es sich sehr einfach, klagt der CDU-Politiker. Auch Andreas Merkendorf vom Philologenverband NRW ist verwundert: „Es wäre für das Ministerium kein großer Aufwand gewesen, die Schulen einfach zu informieren.“ Der Verband möchte nun seine Mitglieder selbst mit einer Rundmail vor „Der Weg zum Glücklichsein“ warnen.
Kontakt zu Scientologen unbedingt vermeiden
Dass Lehrer ihre Kompetenz im Umgang mit Scientology gelegentlich überschätzen, erlebt Sekten-Expertin Riede immer wieder: „Manche Pädagogen laden Scientologen in den Unterricht ein, um diese vermeintlich zu entzaubern oder schicken Schüler zur Referats-Recherche bei der Organisation vorbei.“ Doch persönlicher Kontakt sei ein großes Risiko und sollte unbedingt vermieden werden. „Scientologen treten stets freundlich auf und sind oftmals geschickt darin, ihr Gegenüber zu manipulieren“, sagt Riede. Gerade Schüler in Lebenskrisen seien dadurch leicht verführbar. Auch Merkendorf mahnt die Pädagogen zur Vorsicht: „Unsere Leute sind solchen Konfrontationen nicht unbedingt gewachsen.“ Besonders in der Pubertät seien Jugendliche sehr beeinflussbar.
Dabei ist die Way-to-Happiness-Strategie längst nicht der erste Versuch der Organisation, gezielt an Jugendliche heranzukommen. Der Verfassungsschutz NRW beobachtet seit einiger Zeit, dass Scientologen dabei verstärkt über das Internet operieren. „Scientology und ihre Tarnorganisationen nutzen Social Networks wie Facebook, Channels wie Youtube oder Twitter, Foren, Blogs und die Enzyklopädie Wikipedia“, stellen die Verfassungsschützer im Jahresbericht 2010 fest. „Geschickte Verquickungen sind erfolgreich darauf ausgerichtet, vor allem Jugendlich zu manipulieren, anzusprechen und in den Bann der Organisation zu ziehen.“
„Jugendliche geraten in völlige Abhängigkeit von Scientology“
So versuchte die Organisation 2010 etwa, junge Leute mit einer Informationsseite über Menschenrechte oder einer Anti-Drogen-Kampagne im Netz zu ködern. Auch Nachhilfe-Kurse waren in den vergangenen Jahren ein Mittel der Scientologen, um sich den Weg in die Kinderzimmer zu bahnen. Eine der Hauptgefahren für Jugendliche sei, dass sie den Verheißungen der Scientologen Glauben schenkten, sagt Riede. „Sie raten den jungen Leuten von einem Studium oder einer Ausbildung ab und versprechen ihnen eine glanzvolle Zukunft innerhalb der Organisation. Dabei geraten die Betroffenen in komplette finanzielle Abhängigkeit von Scientology und vernachlässigen ihre Ausbildung.“
Auch das von Scientologen praktizierte „Auditing“ ist laut Riede hochgefährlich. Mit dieser Psycho-Methode sollen die Anhänger zu „perfekten Menschen“ heranreifen. „Doch damit werden gerade bei psychisch vorbelasteten Menschen Probleme wie Depressionen oder Traumata noch verstärkt“, sagt Riede. Im schlimmsten Fall drohe der völlige psychische Zusammenbruch. „Gerade deshalb ist es so wichtig, dass die Schulen informiert werden. Jeder Schüler, der durch diese Aktion in die Fänge von Scientology gerät, ist einer zuviel.
Der Sonntag, 02.06.2012, Aline Wanner
Scientology geht in die Offensive
Mit neuen repräsentativen Gebäuden, sogenannten Ideal Orgs, will Scientology weltweit Präsenz markieren und ihren Mitgliedern den vollen Umfang an scientologischen Diensten zur Verfügung stellen. Das schreibt die Sekte auf ihrer Homepage. In den USA und anderen Teilen Europas haben Scientologen bereits etliche solche Tempel eröffnet. Das soll bald auch in der Schweiz geschehen. Recherchen des «Sonntags» zeigen: Die Bemühungen, eine solche Kirche bald in Basel einzuweihen, sind in vollem Gange. Es wäre nach Berlin erst die zweite Ideal-Org-Kirche im deutschsprachigen Raum.
Zwei Scientologen kauften vor einem Jahr eine rund 4000 Quadratmeter grosse Parzelle nahe der französischen Grenze. Annette Klug, Pressesprecherin von Scientology, bestätigt gegenüber dem «Sonntag» erstmals die Pläne. Ein Eröffnungstermin stehe aber nicht fest, da noch Renovationen anstehen würden, sagt Klug. Scientology werde zu gegebener Zeit informieren. Das Grundstück, wo sich heute der Basler Hauptsitz der Sekte befindet, hat die Sekte bereits verkauft. Der neue Inhaber will Wohnungen daraus machen.
Geplant sind in der Schweiz noch weitere neue Scientology-Tempel. Gemäss Insidern sind die Pläne in Zürich am weitesten fortgeschritten. Als Standorte waren Oerlikon und Schwamendingen im Gespräch. Das Projekt soll aber ins Stocken geraten sein, weil zu wenig Geld vorhanden ist. Anette Klug sagt dazu: «In Zürich sind wir noch nicht so weit.» Abklärungen seien aber weiterhin im Gang. Dies gelte auch für alle anderen Scientology-Kirchen in der Schweiz, die in Zukunft eröffnet werden sollen. Ableger in Form von Kirchen oder Missionen hat Scientology derzeit neben Basel und Zürich in Bern, Luzern sowie in der Westschweiz und im Tessin.
Laut Sektenexperte Georg Schmid werden die neuen Kirchen jeweils von Scientologen vor Ort finanziert. «In Basel scheinen Geldgeber gefunden», sagt er. Der Aufbau von sogenannten Ideal Orgs solle zum Zuwachs von Mitgliedern führen. Scientology habe gemäss Aussagen von Schweizer Aussteigern rund tausend aktive Mitglieder in der Schweiz. «Die Zahl scheint sich seit Jahren in dieser Grössenordnung zu bewegen», sagt Schmid.
Die Geschäftsleiterin von Infosekta, Susanne Schaaf, warnt vor der Gefahr, die nach wie vor von Scientology ausgehe. Die Organisation dürfe nicht verharmlost werden, auch wenn die Mitgliederzahl in der Vergangenheit in der Schweiz nicht angestiegen sei. «Leute, die in die Fänge der Sekte geraten, werden schnell abhängig und massiv in der persönlichen Freiheit eingeschränkt», sagt Schaaf. Zwar seien in der Schweiz viele Leute für die Problematik von Scientology sensibilisiert. Wissen schütze aber nicht immer davor, einer Sekte beizutreten.
Scientology wurde in den 50er-Jahren vom amerikanischen Science-Fiction-Autor L. Ron Hubbard gegründet. Die Sekte versucht weltweit, ihren Einfluss auszubauen und ist aufgrund ihrer Praktiken höchst umstritten.
Süddeutsche, 25.07.2012
Scientology-Aussteiger im Gespräch – «Ich habe als Kind gelernt, Menschen zu kontrollieren» Interview: Tobias Dorfer
Als er hörte, dass Katie Holmes die Scheidung von Tom Cruise eingereicht hat, atmete Markus Stuckenbrock auf. Wie viele andere vermutet auch er, dass Holmes so den Einfluss von Scientology auf Tochter Suri verhindern will. Stuckenbrock weiß, wovon er spricht. Als Kind geriet er selbst in die umstrittene Organisation. Inzwischen hat sichder Neu-Ulmer von Scientology losgesagt. Sein Bruder Uwe schaffte den Absprung nicht. Er starb 2008 in den USA. In der SWR-Dokumentation «Die Seelenfänger», die im Jahr 2010 ausgestrahlt wurde, erhebt Markus Stuckenbrock deswegen schwere Vorwürfe gegen Scientology. Er glaubt, dass die umstrittene Organisation mit am Tod seines Bruder schuld sei, da sie dem an Multipler Sklerose Erkrankten die notwendigen Medikamente und Therapien vorenthielt.
Süddeutsche.de: Herr Stuckenbrock, was dachten Sie, als Sie hörten, dass sich Katie Holmes von Tom Cruise getrennt hat?
Markus Stuckenbrock: Meine erste Reaktion: Gut gemacht, Katie Holmes. Vor allem wegen der Tochter Suri, die meiner Meinung nach in großer Gefahr schwebte.
Süddeutsche.de: Es wird gemutmaßt, dass Katie Holmes mit der Scheidung verhindern wollte, dass Scientology Einfluss auf Suri bekommt.
Stuckenbrock: Genau. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass Scientology für Kinder nicht gut ist. Scientologen glauben, Kinder sind Erwachsene in kleinen Körpern. So werden sie behandelt. Sie bekommen keine Liebe und keine Fürsorge. Das ist in den Leitlinien nicht vorgesehen. Diese Doktrin führt dazu, dass Kinder in Scientology komplett vernachlässigt werden, was ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann. Eltern, die sich an Hubbards Doktrin halten, stellen ihre Kinder meist an die zweite Stelle. Es kann sein, dass sie kein Geld für die Hochzeit oder das Studium erhalten oder dass die Eltern, die für Scientology arbeiten, nicht zum Solokonzert in die Schule kommen. Die Organisation bekommt Liebe, Aufmerksamkeit und das Geld.
Süddeutsche.de: Suri Cruise ist heute sechs Jahre alt und wurde in die Organisation hineingeboren. Sie selbst stießen als Kind zu Scientology. Wie kam
es dazu?
Stuckenbrock: Ich war elf Jahre alt. Unsere Familie hatte es damals nicht leicht. Mein jüngerer Bruder litt an einem schweren Herzfehler, an dem er später starb. Außerdem kriselte es in der Ehe meiner Eltern. Mein Vater ist 1975 in München ganz klassisch von einem Scientologen angesprochen worden. Ich denke, er war damals einfach anfällig für die Botschaften Hubbards.
Süddeutsche.de: Wussten Sie damals, was Scientology ist?
Stuckenbrock: Nein. Wir sind als Familie einfach reingerutscht. Ich selbst wurde ziemlich schnell zu meinem ersten Kommunikationskurs für Kinder geschickt. Das war ein ganzes Wochenende in einer Hütte auf der Schwäbischen Alb. Ich musste auf einem anderen Kurs zu Kindern und Erwachsenen sagen: «Schau auf diese Wand. Danke. Gehe hinüber zu dieser Wand. Danke.» Das mag jetzt harmlos klingen, aber das ist es nicht. Ich habe als Elfjähriger gelernt, andere Menschen zu
kontrollieren.
Süddeutsche.de: Wie ging es Ihnen als Kind bei Scientology?
Stuckenbrock: Für mich war das belastend. Als sich meine Eltern im Jahr 1980 scheiden ließen, zogen wir Kinder zu unserer Mutter und brachen den Kontakt zur Organisation ab. Damals war ich 16 Jahre alt. Mein Vater machte dann Karriere bei Scientology, er ist heute einer der führenden Köpfe in Süddeutschland. Ich war in der zehnten Klasse, als er wieder Kontakt zu mir aufnahm.
Süddeutsche.de: … und Sie sind sofort wieder in die Organisation gerutscht?
Stuckenbrock: Ja. Anfang der achtziger Jahre war die Friedensbewegung stark, es gab Menschenketten gegen die Stationierung von Pershing-Raketen. Scientology verspricht eine Welt ohne Kriege und Krankheiten. Dafür war ich anfällig. Mein Vater lud mich zu einem Vortrag ein und dann bekam ich das Angebot, für die UImer Scientology-Mission zu arbeiten. In der Schule lief es bei mir damals auch nicht gut, deshalb habe ich das Angebot angenommen. Ich brach das Gymnasium ab und widmete mich ganz der Organisation. Bereits ein paar Wochen später wurde ich monatelang zur Sea Org nach Kopenhagen und später dann in die USA geschickt. (Die Sea Org ist eine Elitegruppe innerhalb von Scientology, von der de facto die Macht und Kontrolle über die Organisation ausgeht. Scientology selbst bezeichnet die Sea Org als «Ordensgemeinschaft»., Anm. d. Red.) Süddeutsche.de: Was war der Auslöser, dass Sie Scientology später erneut den Rücken kehrten?
Stuckenbrock: Das war ein längerer Prozess. Ich kam aus der Sea Org in Florida zurück und gab in Ulm Kommunikationskurse, mit denen ich etwa 150 Mark im Monat verdiente. Davon kann man nicht leben. Dann hatte ich Ärger mit dem Chef der Öffentlichkeitsabteilung. Er hat mir meine Studenten weggenommen, um ihnen Auditings (von Scientology zu Therapiezwecken angewandte Gesprächstechnik, Anm. d. Red) zu verkaufen. Dann behauptete er, meine Kursstatistik sei schlecht. Das wiederum führte dazu, dass ich noch weniger verdiente. Ich arbeitete Tag und Nacht und keiner dankte es mir. Irgendwann hat es mir dann gereicht.
«Statt Medikamente bekommen die Kranken Säfte und vitaminreiche Kost»
Süddeutsche.de: Wie lief die Flucht?
Stuckenbrock: Ich bekam die Aufgabe, in Ulm Menschen anzusprechen. Stattdessen bin ich zum Bahnhof gegangen habe mich in den Zug nach Friedrichshafen zu meiner Mutter gesetzt. Scientology hat dann noch oft angerufen, aber meine Mutter und meine Großmutter haben das alles abgeblockt.
Süddeutsche.de: Bei Ihnen ging die Geschichte einigermaßen glimpflich aus. Ihr älterer Bruder Uwe hat den Absprung nicht geschafft.
Stuckenbrock: Nein, er kam mit 16 Jahren in die Sea Org. Erst lebte und arbeitete er in Großbritannien und später im internationalen Scientology-Hauptquartier in den USA. Damit war er für die Familie verloren. Es war, als ob er in einem Schwarzen Loch im Weltall verschwunden wäre. Verpflanzt in die USA mit 17 Jahren. Dann wurde es noch schwieriger mit dem Kontakt. Wenn wir Uwe sprechen wollten, konnten wir bei der Sea Org in Los Angeles anrufen. Mit Glück hat mein Bruder dann Tage später zurückgerufen. Aber wirklich erhellend waren diese Gespräche nicht.
Süddeutsche.de: Wissen Sie, was seine Aufgabe bei Scientology war?
Stuckenbrock: Inzwischen ja. Er war im internationalen Hauptquartier, wo auch Scientology-Chef David Miscavige wohnt, tätig. Uwe war Sicherheitschef in
diesem Hauptquartier. Dort arbeitet die oberste Elite.
Süddeutsche.de: Im Jahr 2008 meldete sich Scientology und teilte Ihnen mit, dass Ihr Bruder gestorben sei.
Stuckenbrock: Mein Vater rief mich an und erzählte es mir. Sechs Jahre zuvor hatte ich zum ersten Mal gehört, dass Uwe an Multipler Sklerose erkrankt war, aber mehr wusste ich damals nicht. Mit einem Kamerateam des SWR bin ich 2010 in die USA gegangen, um die Geschichte meines Bruders zu rekonstruieren. Dort erfuhr ich, dass bereits 1988 die ersten Symptome der Krankheit auftraten.
Süddeutsche.de: Und trotzdem arbeitete Ihr Bruder noch für die Sea Org?
Stuckenbrock: Ja. Als die Krankheit dann später ausbrach, kam er meinen Recherchen zufolge in ein Scientology-Straflager*. Ich glaube, dass mein Bruder als Sicherheitschef zu viel wusste. Außerdem habe ich erfahren, dass er mindestens einmal einen Fluchtversuch unternommen hat. Deshalb haben sie ihn da reingesteckt.
Süddeutsche.de: Was werfen Sie Scientology vor?
Stuckenbrock: Dass die Organisation mitverantwortlich am Tod meines Bruders ist. 1996 – acht Jahre, nachdem die ersten MS-Symptome auftraten – war er zum ersten Mal bei einem Arzt. Bei meinen Nachforschungen in den USA bin ich in den Besitz von Krankenunterlagen meines Bruders gelangt, die meinen Verdacht bestätigen, dass Uwe nicht die dringend nötige medizinische Versorgung erhalten hat.
*) Die ehemalige AG Scientology in der Hamburger Behörde für Inneres wirft Scientology vor, unter der Bezeichnung RPF (Rehabilitation Project Force) Programme zur Rehabilitation «abweichlerischer» Mitglieder zu betreiben. Hierbei soll es nach Recherchen der Behörde, die zu den Ergebnissen im Jahr 2000 eine Broschüre veröffentlichte, unter anderem zu Bestrafung und sozialer Isolierung gekommen sein. Die Broschüre ist noch auf den Internetseiten der Stadt Hamburg abrufbar. Scientology bestätigt auf einer offiziellen Internetseite die Existenz der RPF. Das «Projekt zur Rehabilitierung» sei «eine Möglichkeit der Wiedereingliederung in den Orden nach schwerem Fehlverhalten», geschehe jedoch auf freiwilliger Basis und sei kein Gefängnis oder Straflager. In Deutschland gebe es eine solche Einrichtung nicht.
«Mein Bruder war im Straflager»
Süddeutsche.de: Warum ist Ihr Bruder nicht früher zum Arzt gegangen?
Stuckenbrock: Ich glaube, es wurde ihm verboten. Scientology-Gründer L. Ron Hubbard hat behauptet, 90 Prozent aller Krankheiten lassen sich durch Auditing in den Griff bekommen. Statt Medikamente bekommen die Kranken Säfte und vitaminreiche Kost. Aber mein Bruder hat diesen Lehren ja auch selbst geglaubt. Wir haben versucht, ihm aus Deutschland Medikamente zu schicken. Ohne Erfolg.
Süddeutsche.de: Multiple Sklerose ist nicht heilbar.
Stuckenbrock: Das stimmt. Aber meine Mutter war in der Behindertenpflege tätig und ich selbst arbeite ebenfalls im sozialen Bereich. Wenn wir früher von der Krankheit meines Bruders früher erfahren, hätten wir ihn in Deutschland pflegen können. In den USA hat er unnötig leiden müssen. Wir hätten alles dafür getan, ihn nach Hause zu holen.
Süddeutsche.de: Nach Ihren Recherchen haben Sie in den USA einen Anwalt eingeschaltet, um den Fall juristisch aufzuarbeiten. Was kam dabei heraus?
Stuckenbrock: Ich war in Kontakt mit einem Anwalt. Aber letztlich ist die Sache am Geld gescheitert. Ich habe hier in Deutschland eine Familie, die mir wichtiger ist und wollte deshalb nicht den finanziellen Ruin riskieren. Vielleicht hätte sich Scientology am Ende doch wieder rausgewunden.
Süddeutsche.de: Scientology hat sich zu Ihrem Fall geäußert. Die deutsche Vizepräsidentin Sabine Weber hat zu Jetzt.de gesagt, Ihr Bruder habe eine «intensive medizinische Betreuung» erhalten.
Stuckenbrock: Ich kann Ihnen schildern, wie diese intensive medizinische Betreuung aussah. Der erste nachweisbare Kontakt zum Arzt fand 1996 statt, acht Jahre nachdem die ersten Symptome auftraten. Dieser Arzt sagte, man müsse einen Plan aufstellen, um die Krankheit zu bekämpfen. Nichts geschah. 2002 war Uwe noch einmal beim Arzt. Der hat ihm eine Wassertherapie verordnet. Das ist diese medizinische Betreuung. Medikamente wurden abgelehnt, das weiß ich über meine Mutter. Es wurde immer nur der alternative Weg beschritten und dazu Auditing.
Süddeutsche.de: Scientology sagt auch, Ihr Bruder sei nie in einem Straflager gewesen.
Stuckenbrock: Auch dafür gibt es zahlreiche Zeugen. Einige erzählen davon in der SWR-Reportage «Die Seelenfänger». Mein Bruder war definitiv im Straflager.
Süddeutsche.de: Ihr Vater hat Ihre Familie damals an Scientology herangeführt. Werfen Sie ihm das heute vor?
Stuckenbrock: Das ist eine schwierige Frage. Natürlich werfe ich es ihm vor. Anderseits weiß ich auch, wie anfällig er damals war. Ich hätte gerne Kontakt zu meinem Vater. Aber er hat diesen Kontakt nach der Ausstrahlung der SWR-Dokumentation, die Uwes Geschichte erzählte, im Jahr 2010 komplett abgebrochen.
Süddeutsche.de: Sie haben selbst auch für Scientology gearbeitet und Menschen für die Organisation angeworben. Wie geht es Ihnen damit?
Stuckenbrock: Mein Job war ja vergleichsweise harmlos. Ich war in der Öffentlichkeitsarbeit und gab Kommunikationskurse. Kürzlich jedoch habe ich in Ulm einen Scientology-Stand gesehen. Ich ging hin und wollte mit den Leuten über die Geschichte meines Bruders sprechen. Die Frau, mit der ich sprach, kam mir bekannt vor. Dann erkannte ich, dass sie eine ehemalige Studentin von mir ist. Jetzt ist sie eine überzeugte Scientologin. Diese Erkenntnis hat mir sehr wehgetan, weil ich sie damals in die Klauen dieser Organisation gelockt habe.
Focus, 31.07.2012
Scientology-Aussteigerin über Suri Cruise „Fröhliche Kinder sind nicht vorgesehen“
„Ich will meinen Papa!“, soll Suri Cruise laut dem amerikanischen Magazin „Intouch“ gesagt haben. Bis jetzt hat Katie Holmes nach der Trennung von Tom Cruise das Sorgerecht für die Sechsjährige, die Zeit mit dem Vater ist geregelt. An ihrem ersten Wiedersehenswochenende hatte der 50-Jährige alle Geschütze
aufgefahren, um Suri für sich einzunehmen: Helikopterflug über Manhattan, ein tolles Hotel, jede Menge Süßigkeiten und Spielzeug. 170 000 Dollar soll Cruise sich das Vergnügen laut dem Magazin „Star“ kosten haben lassen.
Dass Scientology auch großzügig in Sachen Scheidung und Unterhaltszahlungen ist, weiß Jeannette Schweitzer. Die Aussteigerin war selbst drei Jahre lang in den Fängen der Sekte verloren. Ihre Erfahrungen mit den menschenverachtenden Maßnahmen hat die gelernte Bankkauffrau und Bilanzbuchhalterin in ihrem Buch „Der Apparat“ verarbeitet. Ein Rauswurf aus der Firma lieferte den rettenden Anstoß für ihr Leben danach. Eine Erlösung ebenfalls für ihre Tochter, die sie in der ganzen Zeit abgeschoben und vernachlässigt hatte. Mit AMICA Online sprach Schweitzer über Repressalien, was sie sich von Katie Holmes wünscht und wie Kinder bei Scientology misshandelt werden.
FOCUS Online: Flucht von Katie Holmes mit Suri, Trennung von Tom Cruise und schnelle Sorgerechtseinigung – wie beurteilen Sie den Trennungsprozess von Katie Holmes und Tom Cruise?
Jeannette Schweitzer: Alles, was mit Scientology zu tun hat, verfolge ich mit Interesse und stelle fest, dass die Dinge sich immer wieder nach dem gleichen Schema abspielen. Ich habe erwartet, dass der Prozess so verläuft. Für die Öffentlichkeit hat man sich schnell geeinigt, damit es keine weiteren Negativschlagzeilen gibt. Es gab nur zwei Möglichkeiten. Entweder hätte Katie Holmes an die Öffentlichkeit gehen und Klartext über Scientology reden können. Dafür hätte ich sie sehr bewundert. Oder die andere Möglichkeit, die eingetreten ist, ist die schnelle Einigung und eine Schweigevereinbarung. Solche Scheidungen gehen bei Scientology ganz schnell, weil man sich gütlich einigt. So bleibt möglichst viel schöner Schein.
FOCUS Online: Sie hätten sich also mehr von Katie Holmes gewünscht?
Schweitzer: Klar wäre es schön gewesen, wenn sie öffentlich gegen Scientology aufgetreten wäre. Andererseits habe ich auch das nicht erwartet, denn sie hätte auf jeden Fall Schwierigkeiten bekommen. Das hat sich vorher ja bereits angedeutet. Sie hat sich von einem hochrangigen Scientologen getrennt, das darf sie natürlich nicht ohne über das scientologische Ethik-Gericht zu gehen. Außerdem hätte sie nicht einfach abhauen dürfen. Das nennt sich bei der Organisation „blown“ und ist ein Schwerverbrechen.Genauso wie die Tatsache, dass sie mit Tom Cruise einen hochrangigen Scientologen in der Öffentlichkeit in ein schlechtes Ansehen gestellt hat. Denn in den Medien stand er als der Mann, vor dem Katie Holmes flüchten musste.
FOCUS Online: Hätte es überhaupt eine scientologisch-korrekte Trennung geben
können?
Schweitzer: Nein. Das ist ja das Interessante. Scientology hat ein eigenes Rechtssystem, ein eigenes Gericht und erkennt die Regelungen des Staates nicht an. Vor diesem sogenannten Ethik-Gericht, das unter Ethik etwas ganz anderes versteht, wird die angestrebte Trennung verhandelt. Die Person muss immer wieder Auditings durchlaufen, so lange bis sie wieder auf Scientology-Linie ist. Scheidung ist nicht vorgesehen, erst recht nicht bei solchen Persönlichkeiten, weil das dem Image schadet.
„Wenn sie nicht funktionieren, werden Kinder bestraft“
FOCUS Online: Nicht-Mitglieder gelten als Fremdkörper. Wie groß schätzen Sie die Möglichkeit ein, dass nicht Katie sich befreit hat, sondern Scientology sie gezielt loswerden wollte?
Schweitzer: Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie nicht Mitglied war. Er hat sie hineingeheiratet und sie zur Scientologin gemacht. Dass sie vielleicht auf dem Papier katholisch war, stört nicht. Ich glaube nicht, dass Scientology sie loswerden wollte, weil Promis ja wichtige Aushängeschilder sind. Sie werden sogar PR-Maschinen genannt.
FOCUS Online: Weil Sie vorher die Repressalien angesprochen hatten. Wie vergleichbar sind sie bei prominenten und „normalen“ Mitgliedern?
Schweitzer: Natürlich ist man hier vorsichtiger. Solange sie in der Öffentlichkeit stehen, ist es schwieriger sie mit den gleichen Mitteln unter Druck zu setzen, wie das bei mir der Fall war. Sie hätten Katie Holmes jetzt nicht entführen können oder dergleichen. Davor hüten sie sich schon, wobei in diesem totalitären System selbstverständlich alle Behandlungen vorgeschrieben sind. Das gilt beispielsweise auch für die Erziehung der Kinder.
FOCUS Online: Wie würde demnach die weitere Kindheit von Suri ausgesehen?
Schweitzer: Dieses Kind erfährt von Anfang an die Ideologie von Scientology. Dort gibt es keine Kinder. Es gibt nur Menschen mit kleinem Körper und Menschen mit großem Körper, das ist die einzige Unterscheidung. Suri müsste weiter das scientologische Studium gemacht, Drills und Strafmaßnahmen erleben.
FOCUS Online: Was müssen wir uns darunter vorstellen?
Schweitzer: Ich habe Kinder erlebt, die den ganzen Tag Putzarbeiten erledigen mussten. Schweigend. Sie durften sich mit niemandem unterhalten. Sie waren ein Nichts, das Fenster und Fliesen putzen, Boden schrubben musste. In manchen Straflagern sollen die Kinder auch noch schlimmer behandelt werden.
FOCUS Online: Wofür werden die Kinder damit bestraft?
Schweitzer: Wenn sie nicht funktioniert haben. Das heißt, wenn sie ihre Aufgaben nicht erledigt haben. Leistung ist ein ganz zentraler Punkt. Kleinste Kinder werden hier schon mit Statistiken bewertet. Beispielsweise bekommen sie ein Sternchen, wenn sie eine scientologische Aufgabe lösen. Am nächsten Tag müssen sie schon zwei Aufgaben lösen und bekommen noch ein Sternchen. Wenn sie diese allerdings nicht schaffen, wird das Sternchen wieder abgenommen. Es wird extrem mit Belohnung und Bestrafung gearbeitet.
FOCUS Online: Wie sieht es aus mit Zeit zum Spielen?
Schweitzer: Ich habe keine fröhlichen, spielenden Kinder bei Scientology gesehen. Fröhlich vor allem nicht. Das ist mir bei dem Mädchen von Tom Cruise und Katie Holmes besonders aufgefallen. Das Kind hat nie kindlich gelacht, oder überhaupt gelacht. Kinder dürfen nicht ausgelassen mit anderen Kindern spielen auf dem Spielplatz oder im Dreck. Sie werden von Anfang an auf Leistung getrimmt und mit dem Gedankengut ideologisiert.
„Mein Muttergefühl war verschwunden“
FOCUS Online: Ihre Tochter haben Sie nur einmal zu Scientology gegeben. Wie haben Sie es geschafft sie dort rauszuhalten?
Schweitzer: Mein Muttergefühl war verschwunden. Das wurde wie alle anderen Gefühle abtrainiert, beziehungsweise überlagert. Aber dieses Kind war als es wiederkam so verzerrt im Gesicht, rot und aufgeblasen, dass doch irgendwie das Muttergefühl durchgekommen ist. Mein Schutzreflex hat mich dazu bewegt, dass ich nur noch an mein Kind dachte und sie nie wieder dort hingebracht habe.
FOCUS Online: Wie ist Ihr Verhältnis heute zueinander?
Schweitzer: Nachdem auch ich aus der ganzen Geschichte ausgestiegen war, hat sie zunächst in den Medien darüber geredet und ihre Sicht geschildert, was ich sehr gut fand. Zu dem Zeitpunkt wollte sie das, hat dann aber mit 18 beschlossen, dass es damit für sie abgeschlossen ist. Wir haben uns beide intensiv damit auseinander gesetzt und ausgesprochen. Die Verletzungen ausgesprochen. Das war für mich wichtig, weil ich diese Verletzungen zuließ. Alles zusammen hat uns, trotz vieler Konflikte, sehr nah zusammengebracht.
FOCUS Online: Wie sind Sie aus dem System Scientology herausgekommen? Schweitzer: Ich hatte nie den Gedanken, ich muss hier raus. Als Scientologe stellt man das System nicht in Frage, weil man schnell lernt, kritische Gedanken zu unterdrücken. Ich hatte das Glück, dass ich von der Firma suspendiert wurde, weil ich die kriminellen Machenschaften nicht mitmachte, obwohl ich bis ins Straflager gehen musste. Nur dadurch habe ich einen wunderbaren Schritt gemacht und bin erst einmal dreihundert Kilometer weit abgehauen. Die räumliche Trennung von diesen Menschen ist ganz wichtig. Denn sie wollen einen halten, knechten, in ihre Ethik zwingen. Bis ich allerdings einen kritischen Gedanken denken durfte ohne Angst zu haben, hat es noch eineinhalb Jahre gedauert.
FOCUS Online: Welchen Rat haben Sie für Frauen in ähnlichen Situationen? Schweitzer: Sie sollten sich an Menschen mit Erfahrung wenden. Katie Holmes hat das toll gemacht, indem sie sich Anwälte genommen hat, die nicht zu Scientology gehörten. Das für die juristische Seite. Um aber mit den Ängsten klar zu kommen, sind Verbündete ganz wichtig. So wie Nicole Kidman für Katie Holmes.
Süddeutsche, 12.07.2012
Sekte mit TV-Programm – Scientology plant eigenen Fernsehsender
Nach den Negativschlagzeilen über die Scheidung von Tom Cruise und Katie Holmes möchte Scientology jetzt offenbar mit einem eigenen Fernsehsender neue Mitglieder anwerben. Die Sekte hat zu diesem Zweck in Hollywood bereits ein Fernsehstudio gekauft. Sie plane, dort eine Medienzentrale zu errichten und «in die Produktion religiösen Fernsehens und Radios einzusteigen», bestätigte Sprecherin Karin Pouw gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Wann der Sendebetrieb beginnen soll, stehe noch nicht fest.
Das etwa zwei Hektar große Studiogelände direkt am berühmten Sunset Boulevard in Los Angeles gehörte zuletzt dem unabhängigen kalifornischen Fernsehsender KCET. Scientology brachte 42 Millionen US-Dollar für den Kauf des Studios auf. Das Hollywoodstudio, so Sprecherin Pouw, werde außerdem das Programm der «Golden Era Productions» ergänzen, einer Firma, die für Scientology DVDs und «anderes audiovisuelles Material» produziert.
Ein Scientology-Sender könnte sich am Vorbild christlicher Fernsehsender wie dem Christian Broadcasting Network oder dem Trinity Broadcasting Network orientieren, zitiert Reuters den Sektenexperten Rick Ross, dessen Institut Informationen über «kontroverse Gruppen» (http://www.rickross.com/sg_alpha.html) sammelt und Ausstiegswillige berät. Die Sekte habe in ihren Reihen «viele talentierte Leute», die für einen solchen Sender Shows produzieren könnten. Selbst Gastauftritte von Stars wie Tom Cruise hält Ross für möglich. Auch Elayne Rapping, Professorin für Amerikastudien an der Universität von Buffalo, sagte zu Reuters, sie sei nicht überrascht von dem Schritt der Sekte. Scientology brauche «gute PR, die sie kontrollieren können, um ihr schlechtes Bild in anderen Medien aufzuwiegen.»
Der Sonntag, 08.07.2012, Aline Wanner
Baufirma will die Psycho-Sekte jetzt verklagen
Hans Alzer, Geschäftsführer der General International GmbH, einer Baufirma in Dübendorf, hat von einem dubiosen Mittelsmann in Berlin Planungsaufträge für Kirchen in Basel und Stuttgart bekommen, ein weiterer Auftrag für Zürich wurde ihm in Aussicht gestellt. Alzer ist verärgert, denn er wartet derzeit vergebens auf über 30 000 Franken. So viel kosten erste Planungsarbeiten, die Alzer und sein Team in Basel ausgeführt haben. Und das ist noch nicht alles: Alzer spricht von einem Betrag von über 100 000 Franken, den er den Scientologen für die bisher geleistete Arbeit in Rechnung stellen werde. Seine Tätigkeit hat Alzer nun bis auf weiteres eingestellt. Der Geschäftsmann geht von einem geplanten Betrug aus.
Alzers Auftraggeber heisst Andrew Carr, Projektleiter der CPC Management Ltd. in Berlin. Dieser vergab Anfang März die Aufträge für die Scientologen. Alzer forderte Carr per E-Mail mehrfach auf, die Rechnungen zu begleichen. Carr lehnte die Bezahlung ohne Begründung ab. Der Mail-Verkehr liegt dem «Sonntag» vor. Carr wollte sich auf Anfrage nicht dazu äussern. Patrick Schnidrig, Präsident der Scientology-Kirche Basel, spricht von einem Missverständnis, von dem er keine Kenntnis hatte. Diese Aussage widerlegt ein Mail, in dem Alzer Schnidrig darüber informiert, dass Rechnungen nicht bezahlt wurden. Alzer droht damit, Schadenersatz in der Höhe von bis zu 400 000 Franken einzufordern. Da weder Carr noch Schnidrig auf die Zahlungsaufforderungen reagierten, hat Alzer nun einen Anwalt engagiert. Dieser hat Carr Anfang Woche schriftlich aufgefordert, die Rechnungen zu begleichen und ihm eine Frist bis Freitag gesetzt. Carr liess die Frist verstreichen. Alzer hat deshalb seinen Anwalt beauftragt, sofort Strafanzeige einzureichen und gegen Andrew Carr zu klagen. Gegenüber dem «Sonntag» sagt Alzer, er werde alle möglichen rechtlichen Schritte gegen Scientology einleiten.
Verfassungsschutz warnt So will Scientology die Harburger ködern
Manfred Napieralla ist Scientology-Experte beim Hamburger Verfassungsschutz. Seiner Einschätzung nach soll mit den Anti-Drogen-Flyern nur eine Tür zu der vom Verfassungsschutz beobachteten Organisation geöffnet werden: «Scientology will mit diesen Aktionen Interesse wecken. Sie sprechen gezielt junge Menschen und Eltern an, um einen Kontakt herzustellen.» In Hamburg habe die Organisation offenbar festgestellt, dass sie mit dem Thema Drogen sehr erfolgreich Leute ansprechen kann. Und entsprechend häufig sind die Mitarbeiter von «Sag nein zu Drogen» im Einsatz: «Das ist zurzeit die aktivste Gruppe der Scientologen.»
Das Problem sei nicht der Inhalt der Flyer, so Napieralla. Hier finden sich allgemeine Warnungen vor Drogen, Erfahrungsberichte von Süchtigen, chemische Details. Aber: «Die meisten wissen nicht, dass Scientology hinter diesen Flyern steht. Es besteht die Gefahr, dass Menschen über diese Gruppe Kontakte zu Scientology bekommen.» Die Hamburger Filiale vermeldet unterdessen den Erfolg der Aktion. Über ihren Pressedienst teilt Scientology mit, dass die Anzahl verteilter Drogenaufklärungshefte jetzt die 40 000-Marke überschritten hat. Der Grund hierfür: «In Hamburg fanden größere Verteil-Aktionen während des Hamburger Doms statt, auf dem Kiez und vielen weiteren Stadtteilen, um möglichst auf breiter Basis die Informationshefte zu verteilen.»
Tages-Anzeiger», 17.08.2012, Hugo Stamm
Zurich Film Festival John Travolta verleiht der Veranstaltung Glanz. Doch die PR-Aktion ist mit Risiken verbunden. Roter Teppich für Scientology
Der 58-jährige John Travolta ist ein braver Sektensoldat, der die höchsten Ausbildungsstufen erklommen hat und glaubt, bald «Ursache über Leben, Materie, Raum und Zeit» zu sein, also göttlich. Über die umstrittene Scientology-Lehre Dianetik sagt er: «Sie brachte mich ganz nach oben.» Dank ihr habe er «etwas wirklich Grosses erreicht». Der Filmstar nutzt seinen Status, um für die Sekte zu werben und zu kämpfen. Zum Beispiel: John Travolta und Tom Cruise wurden immer wieder bei Staatspräsidenten wie Bill Clinton und Nicolas Sarkozy vorstellig und drängten erfolgreich darauf, dass Deutschland vom Menschenrechtskomitee der Vereinten Nationen gerügt wurde. Der Hintergrund: Unser Nachbar lässt Scientology durch den Staatsschutz beobachten.
1997 unterschrieben auf Druck von Travolta 34 Hollywoodstars wie Dustin Hoffman sowie Talkmaster Larry King einen offenen Brief, in dem die Regierung von Helmut Kohl wegen der angeblichen Unterdrückung von Scientologen mit dem Naziregime verglichen wurde. Es kam deswegen sogar zu einer Anhörung im US-Kongress, bei der Travolta Scientology als Garant für die Menschenrechte darstellte.
Obskurer Vergleich
Ausserdem schrieben die Hollywoodstars in einem ganzseitigen Inserat in der «International Herald Tribune»: «In den Dreissigerjahren waren es die Juden. Heute sind es die Scientologen.» Die Filme der Scientologen Travolta und Cruise würden verdammt und wohl bald auch öffentlich verbrannt. Und dies nicht im Deutschland von 1936, sondern von 1996. Auslöser der Kampagne waren einzelne Boykottaufrufe in Deutschland, die allerdings wirkungslos verhallten. Als 1997 das deutsche Bundesarbeitsgericht prüfte, ob Scientology ein kommunes Unternehmen und keine Religionsgemeinschaft sei, organisierte die Sekte in Berlin eine Grossdemonstration «gegen die schlimmste Unterdrückung nicht nur in der Welt, sondern im Universum». Europa und die USA wären «ernsthaft gefährdet», falls Scientology in Deutschland verboten würde, behauptete die Sekte. John Travolta unterstützte die protestierenden Scientologen in ihrem Kampf mit einer Ansprache ab Band.
Travolta hat auch in zwei Filmen Scientology-Themen aufgegriffen. «Battlefield Earth» beruht auf dem gleichnamigen Buch von Hubbard. Travolta war Produzent und Schauspieler. Ausserdem investierte er Millionen in den Streifen, der ein Flop wurde. Beim Film «Phenomenon», auch ein Travolta-Produkt, werden Scientology-Ideen transportiert. Travolta nutzt seinen Prominentenstatus, um der Sekte zuzudienen. Seine Rolle als Schauspieler ist nicht von seiner Funktion als Scientologe zu trennen. Somit rollt das Zurich Film Festival auch den Scientologen den roten Teppich aus, wenn es sich mit Travolta schmückt. Und der Schauspieler kommt gerne – weil andere Festivals ihren Ruf nicht mit einem Scientologen besudeln wollen.
Der Spiegel, 17.08.20, Sebastian Fischer
Vermeintliche Drogenhilfe – Tod in der Sekten-Klinik
Drei Tote in den letzten zehn Monaten – in einer Drogenentzugsklinik im US-Staat Oklahoma mehren sich mysteriöse Todesfälle. Die Einrichtung fällt mit dubiosen Methoden auf – und mit ihrer Nähe zum Scientology-Universum. Es begann mit einem Versprechen. Am Ende aber stand der Tod. «Hier bei Narconon helfen wir Menschen, die drogenabhängig oder alkoholsüchtig sind», heißt es auf der Homepage von Narconon International. «Tausende» seien schon erfolgreich rehabilitiert worden und lebten nun «ein stabiles, ethisches, produktives, drogenfreies Leben». Und: «An unsere Erfolgsrate kommt keiner ran.» Tatsächlich? Jetzt rückt eine ganz andere Rate in den Vordergrund. In der Narconon-Entzugsanstalt Arrowhead im US-Südstaat Oklahoma sind allein in den letzten zehn Monaten drei Patienten verstorben: Der 32-jährige Gabriel Graves im Oktober, die 21-jährige Hillary Holten im April und vor wenigen Wochen im Juli die 20-jährige Stacy Murphy.
Sauna, Nikotinsäure, Sauna, Nikotinsäure. Narconon verfolgt eine mittlerweile berüchtigte Entziehungskur: In mehrwöchigen Kuren müssen die Patienten, die Studenten genannt werden, bis zu fünf Stunden am Tag in der Sauna sitzen, zudem Nikotinsäure und andere Vitamine zu sich nehmen. Vor und nach Abschluss der gesamten Prozedur absolvieren sie eine Art Persönlichkeitstraining. Besonders pikant: Narconon ist mit Scientology verbandelt. Die Sekte wirbt auf ihrer Homepage offensiv für die Einrichtung, listet sie unter der Überschrift «humanitäre Programme». Sogar Narconon Arrowhead wird gewürdigt. Scientologen hätten die Entstehung des Zentrums gefördert, heißt es auf der amerikanischen Seite: «Gegründet im Jahr 2001 ist es der führende Standort des Narconon Netzwerks.» Es sei nicht nur «die weltweit größte stationäre Einrichtung ihrer Art», sondern diene auch als «internationales Trainingszentrum für Drogenentzugsspezialisten».
Stolz schreiben die Sitemacher der Sekte, dass Narconon mittlerweile 180 Zentren in 47 Ländern betreibe. Die Methode für den Drogenentzug ist mehr als dubios: Sie beruht auf Eingebungen von Sekten-Gründer L. Ron Hubbard aus den sechziger Jahren. Nach dessen Vorstellung lagern sich Rückstände der Drogen im Gewebe der Süchtigen ab. Durch Sauna und Co. sollen diese Substanzen dann ohne Medikamente aus dem Körper gewaschen werden. Experten und Kritiker haben dieses Verfahren wieder und wieder als pseudowissenschaftlich gebrandmarkt. Will man also wirklich Drogensüchtigen und Alkoholkranken helfen? Oder geht es um etwas ganz anderes? Tatsächlich dienten all die vermeintlich humanitären Aktivitäten der Scientologen offenbar vor allem einem Zweck: Sie sollen «den Ruhm und die zahlende Heerschar des Sektengründers Hubbard mehren», wie der SPIEGEL bereits 1991 mutmaßte.
Verstörend und traurig ist die Geschichte von Stacy Murphy, der 20-jährigen Toten von Narconon Arrowhead. Öffentlich gemacht wurde sie von Rick S., einem Alkoholkranken, der zeitgleich mit Stacy in der Anstalt lebte; die New Yorker Wochenzeitung «The Village Voice» hat sie in ihrem Blog aufgeschrieben. Demnach soll die 20-Jährige nach einigen Behandlungswochen die Erlaubnis bekommen haben, ihre Familie zu besuchen. «Sie erfüllte keine der Kriterien für solch eine Beurlaubung, aber sie hat alle nötigen Unterschriften bekommen», erinnert sich Rick S. Man mache eine Ausnahme, habe man ihm erzählt.
«Kein Arzt unter dem Personal»
Als Stacy am Mittwoch, den 18. Juli, zurückkehrte, bemerkte das Personal laut Rick S., dass sie «high» gewesen sei. Man habe sie noch in derselben Nacht auf die Entzugsstation der Einrichtung verlegt. Ihre Lage verschlimmerte sich zusehends, offenbar litt sie an einer Überdosis. «Da gab es keinen Arzt, keine Schwester unter dem Personal», berichtet Rick S. dem Blog. «Das ganze Personal setzt sich aus früheren Patienten zusammen.» Ausnahme seien nur Fahrer und Sicherheitskräfte. Die Leute seien überfordert gewesen von Stacys Situation. Und Medikamente, die das Mädchen hätten retten können? Fehlanzeige. «Entweder waren die nicht verfügbar oder keiner wusste, wie man sie handhabt», zitiert «The Village Voice» Rick S. Am nächsten Morgen habe er gehört, dass Stacy gestorben sei.
Auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE äußerte sich Narconon International am Mittwoch nicht zu den mysteriösen Todesfällen. Der US-Sender NBC zitierte ein Statement von Narconon: Man habe «Zehntausenden» geholfen und «drei von vier Narconon-Absolventen» seien befähigt worden, wieder ein «stabiles, drogenfreies Leben» zu führen. Narconon-Arrowhead-Chef Gary Smith sagte NBC, er könne die Todesfälle mit Blick auf Gesetze zum Schutz des Persönlichkeitsrechts nicht kommentieren. Doch seien er und seine Angestellten über den Verlust junger Leben am Boden zerstört: «Unsere Gebete sind mit den Familien und den Verstorbenen», so Smith. Scientology-Sprecherin Karin Pouw erklärte gegenüber SPIEGEL ONLINE, es gebe keine Anhaltspunkte, «dass diese Vorfälle mit der Methodologie des Narconon-Drogenentzugs zu tun haben». Am Ende werde die Wahrheit über Narconon herauskommen «und die erzeugte Kontroverse wird verschwinden». Pouw betonte, dass Narconon «nicht Teil» von Scientology sei. Man unterstütze die Organisation aber «sehr offen».
Narconon und sein berühmter Unterstützer
Werden die Todesfälle nun den Blick auf Narconon verändern? Vielen Hilfesuchenden war in der Vergangenheit die Verbindung des Unternehmens zu Scientology nicht klar. Auch er habe das nicht gewusst, beteuert Rick S. Aber schon «in der ersten Stunde» vor Ort sei ihm klar geworden: «Das ist Scientology.» Prominente Sektenmitglieder machen ohnehin keinen Hehl aus der Verbindung. Da ist etwa Hollywood-Schauspieler Tom Cruise. In einem SPIEGEL-Interview aus dem April 2005 bekennt sich der Star-Scientologe zu Narconon:
Cruise: Ich selbst habe zum Beispiel Hunderten Leuten geholfen, von Drogen loszukommen. Wir bei Scientology haben das einzig erfolgreiche Drogen- Rehabilitationsprogramm der Welt. Es heißt Narconon.
SPIEGEL: Das stimmt nicht. Unter den anerkannten Entzugsverfahren taucht Ihres nirgends auf; unabhängige Mediziner warnen davor, weil es auf Pseudowissenschaft beruhe.
Cruise: Sie verstehen nicht, was ich sage. Es ist eine statistisch erwiesene Tatsache, dass es nur ein erfolgreiches Drogen-Rehabilitationsprogramm gibt in der Welt. Punkt.
SPIEGEL: Bei allem Respekt: Wir bezweifeln das, Mr. Cruise.
Rick S. jedenfalls sorgt sich derzeit weniger um seine Alkoholsucht. Er hat Angst vor Scientology – weil er bei der Untersuchung von Stacys Tod geholfen hat: «Ich fürchte um mein Leben.»
bild.de, 15.08.2012
Narconon: Mysteriöse Todesfälle im Scientology-Entzug
In den vergangenen neun Monaten starben drei Patienten in einer Entzugsklinik der Organisation Narconon. Ein ehemaliger Patient erhebt schwere Vorwürfe gegen die Klinik – jetzt ermittelt die Polizei! Das Entzugs-Programm von Narconon wurde 1966 entwickelt. Basierend auf den Ideen und Ansichten des berüchtigten Scientology-Gründers L. Ron Hubbard. Die Macher von Narconon versuchen, die Zugehörigkeit zur Sekte zu vertuschen. Ohne Erfolg. Narconon ist im Besitz der Scientology-Organisation ABLE (association for better living and education). Sogar berühmte Scientologen loben die Tarnorganisation und ihre Methoden öffentlich. „Verglichen mit anderen Entzugseinrichtungen, sind wird die Besten“, sagt Hollywood-Star John Travolta.
Unfassbar: Die Patienten müssen täglich fünf Stunden in der Sauna sitzen – 30 Tage lang. Dazu werden sie mit riesigen Mengen des Vitamins Niacin, auch Nikotinsäure genannt, vollgepumpt. Auch Tom Cruise ist voll des Lobes für die Scientology-Tarnorganisation. Der Superstar lobt eine Klinik, in der Gabriel Graves († 32), Hillary Holton († 21) und Stacy Murphy († 20) starben. Jetzt packt ein ehemaliger Patient aus. Aus Angst möchte er anonym blieben, nennt sich Rick S. Rick war zusammen mit Stacy Murphy in der Klinik. Stacy darf die Entzugsklinik tagsüber verlassen. Am 18. Juli kehrt sie von einem Ausflug zurück, sie steht unter Drogen. „Sie wurde in die Entgiftungsstation geschickt. Dort wurde ihr Zustand immer schlimmer. Die Medikamente, die ihr geholfen hätten, waren nicht da oder das Personal wusste nicht, wie man sie verabreicht“, sagte Rick der US-Zeitung „Village Voice“.
Der Vorwurf: In der Klink arbeiten angeblich ehemalige Patienten, die keine medizinischen Kenntnisse haben. Rick wusste zunächst nichts von den Verbindungen zwischen Narconon und Scientology: „Ich habe aber in der ersten Stunde gemerkt, dass es Scientology war. Was sie von dir wollen, ist wahnsinnig.“ Drei Tote in neun Monaten – jetzt interessiert sich auch die Staatsanwaltschaft für die zweifelhafte Scientology-Organisation. Die Polizei ermittelt gegen die Klinik. Die Leichen von Holton und Murphy sollen jetzt obduziert werden. Schon beim ersten Opfer gab es keine eindeutige Diagnose: Gabriel Graves' Todesursache und der Todeszeitpunkt sind unbekannt.
Berliner Zeitung, 15.08.2012, Frank Nordhausen
Tod einer Scientologin
Am Dienstag den 5. März 2006 wird die Hamburger Polizei um 19.45 Uhr zu einer Tiefgarage im Bezirk Winterhude gerufen, weil dort ein blauer VW-Corrado mit laufendem Motor steht. Am Steuer finden die Beamten eine leblose Frau. Es handelt sich um die 40-jährige Tierärztin Walburga Reichert. Alles deutet auf einen Selbstmord hin, die Polizisten finden auch einen Abschiedsbrief. Doch es gibt Auffälligkeiten: Rezepte für Medikamente, Spritzen, blutbefleckte Papiertücher. Ein Flugticket nach Florida. Und vor allem zahlreiche Dokumente, die darauf hindeuten, dass Walburga Reichert zu der umstrittenen Scientology-Sekte gehört. Die Gerichtsmediziner erkennen als Todesursache „eine Mischung aus Schlaftabletten und Kohlenmonoxid“.
Doch dann entdecken sie seltsame Wunden am Kopf der Toten unter dem Haar. Sie zählen „28 tiefgehende, vorwiegend runde Verbrennungen“, die ihr sieben bis 14 Tage vor dem Tod zugefügt wurden, als sie gerade in Amerika war. Die Pathologen stehen vor einem Rätsel. „Es handelt sich um thermische oder elektrothermische Einwirkungen mit einem runden Gegenstand“, steht in einem Bericht, den der Verfassungsschutz zwei Wochen später erstellt. Es spreche alles für Strom – zugefügt mit „Methoden, die auch als Folter betrachtet werden können“. Die Hamburger Kripo geht von gefährlicher Körperverletzung aus.
Walburga Reichert, die alle nur „Biggi“ nannten, war vom 23. Februar bis kurz vor ihrem Tod eine Woche in der Stadt Clearwater in Florida gewesen, wo Scientology ihr „geistliches Zentrum“ namens „Flag“ unterhält. Aus ihrem Abschiedsbrief geht hervor, dass sie dort war, um „Probleme zu klären“. Inzwischen ist die Polizei auch im Besitz ihres Laptops, doch alle Daten sind gelöscht. Jetzt rätseln die Beamten: Was ist in Florida passiert? „Sie haben mir die Unterlagen vorgelegt und gefragt, ob bei Scientology gefoltert wird“, erinnert sich die Hamburger Sektenbeauftragte Ursula Caberta. „Ich habe gesagt: Ihr müsst direkt bei den Scientologen nachforschen. Doch niemand hat in Florida und bei Scientology ermittelt.“
Caberta indessen ging der Fall nie aus dem Kopf. Sie hat uns davon erzählt und damit eine jahrelange Recherche angestoßen. Stück für Stück ergab sich die Geschichte einer systematischen, scheinbar unaufhaltsamen moralischen und physischen Zerstörung eines Menschen. Diese Geschichte der Biggi Reichert beginnt in einer bayerischen Kleinstadt in der Nähe von Augsburg. Scientology und Biggis Ehemann Hans-Jürgen trügen gemeinsam die Schuld am Tod ihrer Tochter, behauptet ihre 84-jährige Mutter Dora N. bei einem Treffen in ihrem Schrebergarten. Ihren eigenen und den Namen der Gemeinde möchten die Verwandten nicht genannt haben. In der katholischen Gegend ist Biggis tragisches Schicksal bis heute unbekannt. „Ich bin oft am Grab gestanden und sage: Wie kann so was sein?“, sagt die weißhaarige, rüstige Mutter mit kräftiger Stimme. „Und ich wünsch’ es niemand, dass ein Kind so sterben muss.“ Dann sagt die bayerische Bauersfrau, sie müsse oft an einen Spruch denken, den der Scientology-Gründer L. Ron Hubbard einst geschrieben hat. „Wir haben dich lieber tot als unfähig.“
Mehr Erfolg, nie mehr krank
Biggi war außerordentlich fähig. „Sie war überall beliebt, fröhlich und total überzeugt von ihrem Beruf. Die Biggi hat immer gewusst, was sie will“, sagt Herbert M., ihr 56-jähriger Schwager. Mit Scientology kommt sie 1989 in Berührung, als sie in München Tiermedizin studiert. „Ich habe etwas gefunden, das mich weiter bringt“, erklärt sie bei ihren seltenen Besuchen zu Hause. „Man hat mehr Erfolg im Beruf. Man wird nie krank.“ Es ist die Zeit, als Scientologys menschenverachtende Methoden gerade in der Öffentlichkeit bekannt werden, doch Biggi schwärmt vom Auditing, einem hypnoseähnlichen Verfahren, das Kritiker als Kern der scientologischen Gehirnwäsche bezeichnen. „Wenn das Thema auf Scientology kam, ist es immer im Streit geendet“, sagt ihre ältere Schwester Cornelia. „Wir haben dann lieber nicht mehr darüber gesprochen.“ Biggi kauft sich in eine florierende Tierarztpraxis ein und spezialisiert sich auf Pferde. Die Eltern schenken ihr eine Wohnung. Doch mit der Zeit nimmt Scientology mehr und mehr Raum ein in ihrem Leben. Stolz verkündet sie in einem Brief, sie sei die einzige scientologische Tierärztin in Deutschland. Sie träumt davon, ein Operierender Thetan der Stufe acht, Herrscherin über Raum, Zeit, Materie und Energie zu werden.
1996, mit dreißig Jahren, reist sie das erste Mal nach Flag in Florida. Im Mekka der Scientologen kostet eine Stunde Auditing bis zu 1 000 Dollar. Das übersteigt ihre Möglichkeiten, immer wieder bittet sie die Eltern nach Geld. Ihre Mutter sagt: „Ich hab immer zu ihr gesagt, das ist eine geldgierige Sekte, und das war ja das Schlimmste für sie.“ Damals bekommt Biggi auch selbst zum ersten Mal Zweifel – so erinnert sich der Amerikaner Michael Laws, ihr scientologischer „Fallüberwacher“ in Florida. 1996 bittet ihn Biggi plötzlich um Hilfe. Die Scientologin Rosie F. aus München habe sich in den Besitz ihrer Kreditkartennummer gebracht, und habe ohne ihr Wissen für rund 15 000 Dollar Kurse auf dem Scientology-Kreuzfahrer „Freewinds“ gekauft und das Konto heillos überzogen. Biggi ist hilflos, denn Scientologen dürfen sich untereinander nicht vor Gerichten verklagen.
„Rosie hatte einflussreiche Freunde“, sagt der Ex-Scientologe Michael Laws. Vergeblich setzt er sich für Biggi ein. Sie schreibt auch an den zuständigen „Inspections Officer“ in Florida: „All das geschah ohne mein Wissen und ohne meine Einwilligung, und ich bin sehr wütend darüber!!!“ Vergeblich. Trotzdem verschwinden ihre Zweifel wieder. „Wenn man bei Scientology ist, glaubt man mit absoluter Sicherheit, dass es das einzige ist, das die Welt verbessern kann“, sagt Laws. „Deshalb hat sie alles Geld, was sie hatte, immer der Church gegeben.“ Ein Jahr später stellt Biggi ihren Eltern plötzlich einen Ehemann vor: „Er ist die Liebe meines Lebens.“ Hans-Jürgen Reichert, 17 Jahre älter, Vater von vier Kindern, Immobilienmakler aus Hamburg und schon Operierender Thetan, den sie in Clearwater geheiratet hat. „Der war völlig anders als die Leute bei uns“, sagt Biggis Schwager Herbert M. „Immer Anzug, Krawatte, Weste, was kostet die Welt?“ Er hat auch eine Yacht, ein Haus in Florida, einen Mercedes. Ihm zuliebe zieht Biggi nach Hamburg, verkauft ihren Anteil an der Tierarztpraxis und die Eigentumswohnung. „Praxis futsch, Erbe futsch, alles Geld bei Scientology“, fasst der Schwager zusammen. „Wenn man zusammenrechnet, was sie an die Scientologen verschossen hat, kommt man wohl auf 1,5 Millionen Euro.“
Biggis Energie gilt der Sekte. Im September 2000 eröffnet sie ihre eigene Scientology-Mission in Augsburg, um die Stadt zu „klären“. Es geht schief. Kaum jemand interessiert sich dafür. Mietrückstände laufen auf. Bis Ende 2003 pendelt Biggi Reichert rastlos zwischen Bayern und Hamburg hin und her. Um ihre weitere Karriere auf der scientologischen „Brücke zur totalen geistigen Freiheit“ zu finanzieren, ist sie gezwungen, anderweitig Geld zu verdienen. In Hamburg fängt sie als Assistentin in einer Tierklinik an. Schon seit Jahren arbeitet sie nebenher in der Immobilienfirma ihres Mannes. Als die Scientologen wollen, dass sie mehr für die neue Sektenzentrale in der Hamburger City tut, unterzeichnet sie im Frühjahr 2005 einen Arbeitsvertrag für zweieinhalb Jahre mit lächerlich geringem Entgelt. Sie ist verantwortlich für die Missionierung von Neumitgliedern. Es ist der Zeitpunkt, als sie den Gipfel ihrer scientologischen Karriere erreicht. Im April 2005 absolviert sie den Kurs zum Operierenden Thetan der Stufe acht. Begeistert mailt sie einer anderen Scientologin: „Ja, ich bin seit dem 10. April OT VIII! Ein echter Hammer.“
Doch inzwischen ist Hans-Jürgen, der sein Geld mit der Umwandlung von Altbauwohnungen verdient hat, pleite. Biggi gesteht in einem ihrer Reports nach Florida, dass er auf einem Schuldenberg sitze. „Er verdient im Moment überhaupt kein Geld. Wenn er es nicht hinkriegt, werden sich die Leute wegen des Geldes an mich halten“, schreibt sie nach Florida. Diese E-Mail und Hunderte andere stammen von Biggi Reicherts Computer, den die Polizei der Familie zurückgegeben hatte. Zwei pfiffigen Neffen ist es gelungen, die Dateien wieder sichtbar zu machen. Bis zum Herbst 2005, so zeigt es sich, ist ihre Tante eine 150-prozentige Scientologin. Dann plötzlich drängt die Realität in die Sektenwelt, in der sie lebt. Der Scientology-Direktorin in Hamburg schildert sie ihren brutalen 80-Stunden-Alltag zwischen Scientology-Org, Tierklinik und Immobilienbüro: „Liebe Pia, ich stehe morgens um sieben Uhr auf, rase dann nach Bergedorf, dann nach Hause, kurz duschen, was essen, dann Büroarbeit und dann in die Org. Am Donnerstag war es auch wieder 0.00 Uhr als ich zu Hause war. Weil ich morgens früh aufstehe, ist das mördermäßig. Am Freitagabend war ich da, obwohl ich frei gehabt hätte. Am Samstag fuhr ich von der Arbeit nur noch schnell was Essen und düste dann gleich in die Org. Am Sonntag war ich da, obwohl das eigentlich mein freier Tag ist.“
Der Hamburger Tierklinikchef Hans-Dieter Gerber erinnert sich: „Sie hatte Augenringe. Zum Schluss wurde sie immer dünner.“ Wenn sie ihre Eltern in Bayern besuchen darf, schläft sie vor Erschöpfung den halben Tag lang. Ihre Mutter erinnert sich, dass sie am Tag vor Heiligabend 2005 kam und am ersten Weihnachtsfeiertag schon wieder nach Hamburg musste. Aber ihren Schwager Herbert M. zieht Biggi kurz beiseite: „Du, wir müssen reden. Ich will zurück nach Bayern.“ Zu dem Gespräch kommt es nicht mehr. Im neuen Jahr informiert Biggi die Scientology-Verantwortlichen immer wieder über ihre desolate Lage. Am 24. Januar 2006 schreibt sie ihren „Fallüberwachern“ nach Amerika, dass sie sich dem Punkt nähere, wo sie kein Geld mehr abheben könne. Inzwischen seien ihre Mutter und ihr Schwager „Antagonisten“ – Feinde von Scientology –, und würden ihr keinen Cent mehr geben. Sie bittet um drei Monate Urlaub. Der wird nicht gewährt. „Ich schlug vor, die Zahl der Wochenstunden auf 30 zu verkürzen – und erntete entsetzte Blicke“, hält sie fest. Der Druck lässt nie nach. „Hans Jürgen unterstützt mich nicht mehr“, klagt Biggi. „Ich komme aus der Sache nicht mehr raus.“
Was geschah in Flag?
Im Februar 2006 beschließt Biggi Reichert, sich Hilfe in Flag zu holen, wo es laut Scientologen-Werbung „Lösungen für alle Probleme des Lebens“ gibt. Am 23. Februar fliegt sie nach Florida. Doch irgendetwas geht schief. Schon am 1. März, früher als geplant, kehrt sie zurück und wird nach Aussage eines ehemaligen hochrangigen Sektenmitglieds von zwei jungen deutschen Scientologen bis nach Europa eskortiert. Die vier letzten Tage ihres Lebens verbringt Biggi Reichert im Wesentlichen bei ihrer scientologischen Freundin Gloria S. auf einem Pferdehof bei Hamburg. Hat sie ihr nichts erzählt von den furchtbaren Wunden am Kopf? Den Schmerzen? Warum will Gloria S. dazu nichts sagen? Da Biggi Reichert eine prominente Scientologin ist, spricht sich ihr Tod in der Sekte herum. Von Suizid ist nie die Rede. „Wenn ein hochrangiger Scientologe Selbstmord begeht, dann wird Scientology alles tun, um das zu vertuschen“, sagt Biggis amerikanischer Freund Michael Laws. Werde jemand in Flag psychotisch oder äußere Selbstmordgedanken, werde er sofort ausgeflogen. Es gibt auch Scientologen, die behaupten, dass Scientology Mitgliedern, die als „Psychos“ galten, den Befehl erteilt habe, Suizid zu verüben.
Ist Biggi Reichert mit Gehirnwäschemethoden in den Tod getrieben worden? Was hat man in Flag mit ihr gemacht? Scientology dementiert jegliche Vorwürfe. Der Scientology-Sprecher Frank Busch aus Hamburg erklärt schriftlich, man habe mit dem Tod von Biggi Reichert nichts zu tun: „Über Probleme mit Schulden bezüglich der Verstorbenen ist uns nichts bekannt.“ Auch habe sie stets nur im Rahmen ihrer Möglichkeiten in der Org gearbeitet. „Eine vertragliche Verpflichtung gab es nicht.“ Die Hamburger Kripo ermittelt zwei Jahre lang. Die Beamten beantragen Durchsuchungsbeschlüsse für ihren Arbeitsplatz, die Wohnung, den Reiterhof. Doch die Staatsanwaltschaft lehnt diese stets ab.
Warum? Wieso wurden die amerikanische Polizei und das FBI wegen der Kopfwunden nicht um Amtshilfe gebeten? Warum wurde Biggi Reicherts Computer nicht ordentlich durchleuchtet? „Man könnte die Theorie aufstellen, dass Frau Reichert durch die Scientologen mental in ihren Selbstmord hineingetrieben worden ist“, antwortet der Hamburger Oberstaatsanwalt Wilhelm-Antonius Möllers. „Aber Selbstmord ist nach deutschem Recht nicht strafbar. Beihilfe und Anstiftung ebenso wenig.“ Und die Kopfverletzungen seien schließlich auch als Hautkrankheit interpretierbar gewesen. Der Leipziger Gerichtsmediziner Carsten Hädrich ist anderer Meinung. Im Obduktionsbericht würden eindeutig „Merkmale von Strommarken“ beschrieben, sagt er. „Also Hautveränderungen, die durch Einwirkung von Hitze von elektrischem Strom entstehen.“
„Ein völliges Versagen der Ermittlungsbehörden“, konstatiert die Hamburger Scientology-Expertin Ursula Caberta. „Hier wird offenbar gefoltert – und man zuckt mit den Achseln?“ Was mit Biggi Reichert geschah, könnten jene Scientologen enthüllen, die sie in den letzten Tagen ihres Lebens begleiteten. Aber sie reden nicht. Biggis Mutter und der Schwager haben inzwischen die Ermittlungsakte der Polizei erhalten. Darin liegt auch der handschriftliche Abschiedsbrief an die Mutter. „Leider gibt es für mich keinen anderen Ausweg mehr. Sage ihnen allen, dass ich sie sehr liebe und dass sie nichts falsch gemacht haben. Mit lieben Grüßen Biggi.“
Schwäbische, 07.09.2012, Dirk Grupe
Scientologen präsentieren sich in Weingarten Umstrittene Gemeinschaft wirbt auf dem Löwenplatz – Ravensburg verhindert Präsenz seit Jahren
Kein Wunder also, dass wo immer die Gemeinschaft auftritt, sich ein gewisses Unbehagen breit macht – so wie vergangenes Wochenende auf dem Löwenplatz in Weingarten. Dort hatte die Gemeinschaft einen Infostand aufgebaut, Mitarbeiter sprachen die Passanten an, verteilten Infomaterial. „Die gingen sehr aggressiv auf die Leute zu“, so der subjektive Eindruck einer Passantin. Nun mag sich die Dame genauso wie andere Passanten gefragt haben: „Muss das sein? Muss die Gemeinschaft ausgerechnet im katholischen Herzen Oberschwabens um Mitglieder und für ihre Sache werben?“ Die Stadt sagt dazu auf Anfrage sinngemäß: Ja, muss sein, beziehungsweise wir können es nicht verhindern.
Wörtlich heißt es von der Verwaltung: „Die Vereinigung ,Scientology‘ hatte am vergangenen Samstag einen Infostand auf dem Löwenplatz. Hierfür wurde die erforderliche Genehmigung durch das Amt für öffentliche Ordnung der Stadt Weingarten erteilt.“ Und: „Grundsätzlich darf ein Veranstalter einmal im Jahr einen Infostand betreiben. Da die Vereinigung ,Scientology‘ nicht verboten ist, hat die Stadt keinen rechtlichen Spielraum, die Sondernutzungserlaubnis zu versagen.“
So die gängige Praxis in Weingarten, wo die Scientologen seit Jahren aufschlagen. Laut Stadt erstmals im Jahr 2007, eine Unterbrechung gab es 2010, 2011 und 2012 waren sie wieder präsent. Bemerkenswert: Ravensburg verfolgt eine andere Strategie gegenüber der Vereinigung.
Auch dort wollte Scientology in der Vergangenheit mit einem Infostand werben, erhielt von der Stadt aber stets eine Ablehnung. Unter welcher Begründung bleibt offen, auf alle Fälle hat es die Organisation irgendwann aufgegeben, heißt es dazu doch von der Stadt: „Die letzte Anfrage zur Aufstellung eines Informationsstandes durch Scientology liegt schon einige Jahre zurück.“ Was aber wäre, wenn Scientology einen erneuten Anlauf starten würde? Dazu die Stadt: „Sondernutzungserlaubnisse zum Aufstellen von Infoständen auf öffentlichem Grund werden in Ravensburg grundsätzlich nur an Vereine, wohltätige Organisationen oder an zugelassene politische Parteien und Wählervereinigungen vergeben. Nachdem inzwischen gerichtlich festgestellt wurde, dass es sich bei Scientology um einen Gewerbebetrieb handelt, wäre ein eventueller Antrag rechtlich sehr genau zu prüfen.“
Anders: Im Gegensatz zu Weingarten wehrt sich Ravensburg gegen eine Präsenz dieser „Neuen Religiösen Bewegung“, würde im Zweifelsfall alle rechtlichen Möglichkeiten prüfen und diese wohlmöglich auch ausschöpfen.
Meinungsfreiheit hin oder her, nicht wenige Bürger in Ravensburg dürften froh über diese Haltung der Stadt sein, auch wenn regionale Schlagzeilen über Scientology schon eine Weile zurückliegen. 2009 verhinderte der Gemeinderat Wilhelmsdorf die Teilnahme eines Gewerbebetriebs, der sich zu Scientology bekannte, an der Gewerbeschau. 2008 schloss nach vier Jahren die „Mission Bodensee“ von Scientology, die sich in Baindt niedergelassen hatte, die Leiterin zog nach Berlin, eine Nachfolge gab es nicht. Der spektakulärste Fall datiert aus den 90er-Jahren, als ein Scientologe zeitweise erster Vorsitzende des Ravensburger Eissportvereins war. Seither heißt es, Scientologen seien vor allem in der regionalen Immobilienszene präsent, auch Unternehmern wird immer wieder einmal eine Mitgliedschaft unterstellt, dies aber nicht mehr als Gerüchte.
Der Stand in Weingarten wurde von Scientology Stuttgart betrieben (in Ulm gibt es auch einen Ableger). Auf Nachfrage, ob Scientology, das laut Bundesregierung an Mitgliedern verliert, verstärkt in Oberschwaben tätig werde, antwortete ein Sprecher: „Da ist mir nichts bekannt.“
cicero.de, 03.09.2012, Frank Nordhausen
Scientology-Chef David Miscavige Der pseudo-religiöse Diktator
Ausgerechnet Tom Cruise. Es ist nicht bekannt, wie David Miscavige auf die Nachricht reagiert hat, dass Katie Holmes sich von Hollywoods Superstar scheiden lässt. Doch amüsiert wird der Scientology-Chef über die Meldungen nicht gewesen sein. Es ist gewiss nicht schön zu lesen, dass Katie Holmes die gemeinsame Tochter Suri vor der bösen Sekte ihres Mannes schützen wollte und sich deshalb von ihm trennt. Schließlich ist Tom Cruise Scientologys wichtigster Werbeträger – und der beste Freund von David Miscavige. Der Sektenführer scheut die Öffentlichkeit, ganz anders als der charismatische Scientology-Gründer L. Ron Hubbard. Der knapp 1,70 Meter kleine, 52 Jahre alte „Vorstandsvorsitzende“ verbirgt sich meist hinter den Mauern der Scientology-Bürohäuser in Hollywood oder der schwerbewachten „Gold Base“ in der kalifornischen Wüste. Glaubt man abtrünnigen Top-Scientologen, so führt er das ausschweifende Leben eines karibischen Diktators und agiert zugleich kühl wie der Chef eines multinationalen Konzerns – der er auch ist.
Zu wirklich großer Form läuft der Mann mit den scharfen Gesichtszügen stets auf, wenn er auf den glamourösen Meetings seiner Organisation in Hollywood davon spricht, wie die „weltweite Expansion von Scientology“ noch energischer vorangetrieben werden könne. Bei diesen Versammlungen sitzen die Hollywood-Berühmtheiten in der ersten Reihe, neben Tom Cruise beispielsweise John Travolta, Kirstie Alley, Juliette Lewis. Der Fischzug in der Filmbranche war eine Idee des 1986 verstorbenen Hubbard, und Miscavige hat sie umgesetzt. Er hat verstanden, dass Macht in Hollywood Macht in der Öffentlichkeit und sogar Macht in der Politik bedeutet. Vielleicht war es auch Miscavige, der deshalb jetzt dafür sorgte, dass die Scheidung von „TomKat“ schnell geregelt wurde.
Mit Tom Cruise geht Miscavige seit 20 Jahren Gleitschirm springen, Motorrad fahren und Tontauben schießen. Ehemalige Top-Scientologen haben keinen Zweifel daran, dass Miscavige die Regeln ihrer Beziehung definiert und er den Superstar – als eine Art bürgerliches Alter Ego – losschickt, um beispielsweise Politiker in den USA zum Protest gegen die angebliche Diskriminierung von Scientology in Europa zu gewinnen. Es war Miscavige gewiss nicht in die Wiege gelegt, Hollywoodstars wie Schachfiguren zu benutzen. Ebenso wenig wie voraussehbar war, dass er als Vorsitzender des scientologischen „Religious Technology Center“ in Los Angeles, mitten in einem der freiesten Länder der Erde, eine totalitäre Gehirnwäsche-Organisation leiten würde. Der Erbe Hubbards stammt aus kleinsten Verhältnissen und machte bei Scientology eine uramerikanische Karriere – vom Laufburschen zum Milliardär.
„Er ist extrem eitel, aber auch sehr intelligent“, sagt sein ehemaliger Geheimdienstchef Mike Rinder, der 2007 ausstieg. „Doch er nutzt seine Intelligenz für böse Dinge. Er ist wirklich der Diktator von Scientology. Ein verrücktes Genie. Wenn er sich von dir gekränkt fühlt, wird er das nie vergessen – und dir das Messer in den Rücken stechen, wenn du es überhaupt nicht erwartest.“ Vom Scientology-Elitejüngling zum Konzernchef und Diktator David Miscavige wurde 1961 in eine polnisch-italienische Einwandererfamilie in Philadelphia geboren. Als er zehn Jahre alt war, begann sein Vater, der die Familie als Trompeter durchbrachte, in der lokalen Scientology-Filiale („Org“) sogenannte Auditings zu buchen, Rückführungen in vergangene Leben am Lügendetektor („E- Meter“).
Weil David unter Asthma litt, nahm ihn der Vater mit in die Org – und die Beschwerden verschwanden, zumindest eine Zeit lang. Miscavige sagte später, er habe damals gefühlt: „Das ist es. Ich habe die Antwort.“ Kurz danach ging die Familie für drei Jahre nach England, um dort „clear“ zu werden. Nach der Rückkehr in die USA entschied sich der 15-Jährige, fortan nur noch für Scientology zu arbeiten. Der ehrgeizige Jugendliche fand zunächst Verwendung als Laufbursche. Bald aber wurde er für die „Messenger Org“ rekrutiert, eine Elitetruppe aus halbwüchsigen Kindern von Scientologen, die unmittelbar dem Sektenchef Hubbard unterstanden. 1979 fand in Washington ein aufsehenerregender Prozess gegen die Führung des Scientology-Geheimdiensts statt wegen Verschwörung gegen die USA, bei dem elf Top-Scientologen zu Haftstrafen verurteilt wurden.
Hubbard tauchte damals unter, und Miscavige wurde sein wichtigster Verbindungsmann zur Zentrale in Hollywood. Der Aufsteiger nutzte Hubbards Protektion und die internen Wirren, um 1982 gegen das Scientology-Management zu putschen. Handstreichartig kaperten er und seine „Messenger“-Kumpel – ungebildete, wilde Jungen, die nichts als Scientology gelernt hatten – ein globales Unternehmen, das einen jährlichen Umsatz von rund 300 Millionen Dollar machte und Tausende von abhängigen Kunden besaß. Anschließend begannen der 21-Jährige und sein Führungsstab, den Psychokonzern militärisch straff durchzuorganisieren. Doch gingen sowohl die Strapazen des Machtkampfs wie die unkontrollierten Wutanfälle Hubbards an Miscavige nicht spurlos vorbei.
Der Aussteiger Jesse Prince, damals die Nummer zwei in der Scientology-Spitze, beobachtete schreckliche Asthma-Attacken des jungen Führers. „Mit Hubbard unmittelbar zu tun zu haben, war eine traumatische Erfahrung.“ Vielleicht empfand Miscavige es als Befreiung, als der Sektengründer 1986 im kalifornischen Creston starb. Die Stärke des Nachfolgers war es, dass er die Sekte nach dem Verlust des charismatischen Führers darauf einschwor, dessen Werk fortzusetzen. Zugleich begann er, um Hollywoodstars zu werben, denen die Sekte Seelenmassage und Hilfe beim beruflichen Aufstieg versprach. Die größte Aufgabe aber, die vor Miscavige lag, war, den jahrzehntelangen Streit mit der Steuerbehörde IRS zu lösen, deren Millionen-Dollar-Forderungen den Bankrott für Scientology bedeutet hätten. Miscavige ging zweigleisig vor. Zunächst begann er, große Summen aus den USA auf Konten in Europa zu leiten. Sein Ex-Finanzchef Marty Rathbun, der 2004 ausstieg, beziffert den Wert des Scientology-Vermögens auf derzeit rund drei Milliarden Dollar. Er bestätigt zudem, dass es Scientology gelang, die Steuerbehörde mit 2300 Klagen gegen einzelne Sachbearbeiter fast lahmzulegen: „Das hat ausgereicht.“ Die Behörde kapitulierte und gewährte Scientology 1993 völlige Steuerfreiheit. Der Coup machte aus einer Sekte, die damals auch in Amerika als verrückt und gefährlich galt, eine respektable „Kirche“ mit Steuerprivilegien und Protektion durch die US- Regierung. „Der Krieg ist vorbei!“, jubelte Miscavige vor Tausenden Anhängern in Hollywood.
«Der Vorstandsvorsitzende» bereitet die «totale Entscheidung» vor
Der „Vorstandsvorsitzende“ bezieht nach offiziellen Angaben nur ein sehr bescheidenes Geschäftsführergehalt. Doch Jesse Prince konnte „Daves“ Verwandlung vom bettelarmen Boten in einen der vermutlich tausend reichsten Männer Amerikas direkt miterleben. Während seine Untergebenen oft gerade mal 25 Dollar in der Woche verdienten, habe sich der junge Scientology-Herrscher maßgeschneiderte 250-Dollar-Hemden gegönnt, sagt Prince. Ein Stab von bis zu 20 scientologischen Butlern, Dienstmädchen, Boten und Bodyguards sei nur für den Chef tätig. Sein Reisebudget sei unbegrenzt, wenn er mit Entourage zum Shoppen nach Paris oder zum Hochseefischen auf die Bahamas fliege. Seine Frau Shelly habe am liebsten bei Chanel und Dior eingekauft (sie ist allerdings in Ungnade gefallen und wurde seit zwei Jahren nicht mehr öffentlich gesehen). „DM“, wie er intern genannt wird, gilt als absoluter Perfektionist, der jedes Detail seines Imperiums unter Kontrolle haben will, bis hin zur Auswahl der Uniformstoffe für die paramilitärische Elitetruppe Sea Org. „Seine Macht und Kontrolle sind in jeder Hinsicht absolut“, sagt Jesse Prince. Seine Untergebenen lässt er angeblich sogar vor seinem Hund salutieren, der eine Uniform mit goldenen Streifen trägt.
Ende der neunziger Jahre verlagerte Miscavige das Machtzentrum in die „Gold Base“ genannte Wüstenbasis rund 100 Kilometer südöstlich von Los Angeles, die er in ein Luxusresort mit privaten Kinos, Swimmingpools und Golfplatz umbauen ließ. Neben seinem Anwesen wurden dort Villen für Tom Cruise und John Travolta errichtet. Die Sicherheitsarchitektur des mit 700 Elitescientologen besetzten Geländes entspricht der einer Militäreinrichtung: Kameras, Bewegungsmelder und massive Stahlzäune mit rasiermesserscharfen Metallspitzen. Jesse Prince ist überzeugt, dass man auch Waffen einsetzen würde, falls die Regierung jemals auf die Idee käme, David Miscavige zu verhaften. „Der einzige Weg, den er kennt, um zu handeln, ist mit extremer Kraft alles zu überwältigen, was sich ihm in den Weg stellt.“
Frühere hochrangige Scientologen schildern den Waffennarren als skrupellosen Tyrannen mit extremen Launen, der Untergebene erniedrigt und geschlagen habe. Miscavige wies die Anschuldigungen zurück und höhnte in einem Zeitungsinterview: „Bringt doch endlich was vor oder haltet den Mund. Lasst mal die Beweise sehen.“ Zumindest Hinweise gibt es inzwischen zuhauf. Zahlreiche Schlüsselfiguren aus dem innersten Führungszirkel haben Scientology in den vergangenen Jahren verlassen und von körperlichen Misshandlungen, Psychoterror, Sklavenarbeit berichtet. Mike Rinder, der selbst nicht als zimperlich galt, bezeugt, er sei von Miscavige bis zu 50 Mal mit Faustschlägen und Fußtritten malträtiert worden. Auch Marty Rathbun erzählt von regelrechten Prügelorgien. Miscavige habe eine interne Gewaltkultur etabliert, die den gesamten Apparat durchziehe, und er halte etwa 80 Manager seit Jahren in einer Baracke in der Gold Base gefangen. „Sie müssen auf dem Fußboden schlafen und immer wieder vor allen anderen ihre Verbrechen gestehen. Weil Miscavige sie zu Feinden erklärt hat.“
Scientology bestreitet all dies. Es handele sich um „absolute und totale Lügen“. Miscavige aber fürchtet die Abtrünnigen. Seit mehr als einem Jahr werden Rathbun und seine Frau in ihrem Haus in Texas von Scientology-Agenten rund um die Uhr observiert, gefilmt, geschmäht. Ähnlich geht es den anderen Top-Aussteigern. „Immer angreifen, nie verteidigen“, den Leitspruch Hubbards hat Miscavige offenbar verinnerlicht. 1998 sagte er der Zeitung St. Petersburg Times in Florida: „Wenn wir in einen Krieg verwickelt werden, in dem wir unser Überleben bedroht sehen, werden wir entschlossen kämpfen!“
Es könnte bald so weit sein, befürchten ehemalige Weggefährten. Mehr und mehr Mitglieder verlassen die Organisation in immer kürzeren Abständen. Darunter sogar Miscaviges Eltern, sein Bruder Ronnie und seine Nichte Jenna. Für den ehemaligen Finanzchef Marty Rathbun befindet sich Scientology derzeit „in der Endphase einer Diktatur“. Er glaubt, dass ihr harter Kern aus gerade noch 20 000 Menschen bestehe. „Ich habe Angst, dass Scientology in einem Blutbad endet“, sagt er. „Mein Albtraum: Miscavige befiehlt die letzten tausend Scientologen in die Gold Base und lässt seine Garde dann mit Maschinengewehren alle niedermähen. Er ist ein Soziopath, er will die Herrschaft oder den Untergang.“
Tages-Anzeiger 17.10.2012, Hugo Stamm
Scientology-Gründer L. Ron Hubbard «war der König der Hochstapler»
Ein Urenkel des Sektengründers kritisiert Scientology scharf.
Angeblich hat sogar Tom Cruise seine Zweifel.
Das Monster Scientology
Scientology ist heute für DeWolf ein Monster. Ein Monster, das noch grösser gewesen sei als er selbst. «Ich hätte lieber eine andere Art von Verbrecher als Urgrossvater, aber man kann sich seine Familie nun mal nicht aussuchen», sagte DeWolf im Interview. Aus Angst vor der Scientology werde in der Familie nicht über die Sekte gesprochen. Seine Mutter ist die Tochter von Hubbards Sohn. Dieser änderte den Namen, als er die Sekte verliess. Er wollte nicht mit der Hypothek leben, mit Scientology in Verbindung gebracht zu werden. Jamie ist seinem Grossvater dankbar dafür. Trotzdem lässt ihm die Familiengeschichte keine Ruhe. So führte der vielseitige 36-jährige Künstler und Slampoet eine Performance über Hubbard auf. Dieser habe nur deshalb eine Kirche gegründet, weil er stinkreich werden wollte. Was ihm schliesslich geglückt sei. Noch weiter aus dem Fenster lehnte sich DeWolf, als er kürzlich dem amerikanischen Fernsehsender CBS ein Interview gab und ebenfalls Klartext über seinen Urgrossvater sprach.
Solche Informationen über Scientology verbreitet normalerweise niemand ungestraft. DeWolf hat denn auch nach dem TV-Auftritt unruhige Zeiten erlebt, wurde verbal angegriffen und stand unter ständiger Beobachtung. Eine Klage muss er allerdings kaum fürchten. Ein Prozess gegen ein Familienmitglied der Hubbards würde weltweit Aufsehen erregen. Scientology verkündet aber, alle Vorwürfe von DeWolf seien schlicht erfunden. Ein gröberes Imageproblem bescherte der Sekte kürzlich auch Katie Holmes. Die Ex-Frau des Schauspielers Tom Cruise flüchtete heimlich aus der Ehe und dem Scientology-Nest.
Zweifel an der Sekte?
Sie war nach Nicole Kidman bereits die zweite Ehefrau, welche die Sektenatmosphäre und die Sektenhörigkeit ihres Mannes nicht mehr ertrug. Dabei rühmt sich Scientology, für jedes Beziehungsproblem potente Lösungen zu haben. Und schon lauert weiteres Ungemach: Aus dem Umfeld von Cruise ist zu hören, dass der Schauspieler allmählich am System Scientology zweifle. Eine Flucht von Cruise wäre für die Sekte ein Desaster. Ob er den Absprung schafft, muss bezweifelt werden.
Öl ins Feuer schüttet die Zeitschrift «Vanity Fair». In der neusten Ausgabe schreibt sie, Scientology habe Cruise in der Hand. Alle Gespräche und Therapiesitzungen mit ihm seien mit versteckten Kameras aufgenommen worden, die Sekte kenne den Schauspieler bis in die intimen Einzelheiten. Ein Pfand, mit dem Scientology die Karriere von Cruise zerstören könnte.
Brautschau für Cruise?
Die Zeitschrift veröffentlichte weiter brisante Details über ein 2005 von Scientologen organisiertes Casting, bei dem eine hübsche Brunette gesucht wurde. Es ging nicht um eine Kandidatin für einen Film, wie vorgegeben wurde, die Sekte suchte vielmehr eine Partnerin für Tom Cruise. Scientology erklärte, der Artikel entbehre jeder sachlichen Grundlage und strotze vor Fehlern.
Bild.de, 02.10.2012
Scientology-Urenkel rechnet ab Mein Urgroßvater war der König der Hochstapler
„Mein Urgroßvater war der König der Hochstapler, ein Betrüger, der ein gigantisches Schneeballsystem geschafften hat“, sagt DeWolf. Ein Schneeballsystem, das Hubbard zu einem schwerreichen Mann gemacht hat. Schon wenige Jahre nach der Gründung von Scientology soll er viele Millionen Dollar gescheffelt haben. 1938 soll Hubbard gesagt haben, dass man um reich zu werden, am besten eine eigene Religion gründen müsse. Seinen Drang nach Reichtum verkaufte er als Religion, und auch noch 58 Jahre später fallen Menschen auf die zweifelhaften Lehren der Psycho-Sekte rein. DeWolf: „Er war hochintelligent, ein begnadeter Redner und hatte zudem das Charisma, das alles auszunutzen. Im Grunde war er ein Gauner, der einen massiven Betrug entwickelt hat.“
Jedes Scientology-Mitglied muss viel Zeit und Geld aufwenden, um das bizarre Ziel der Sekte zu erreichen, nämlich frei von körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen zu werden. Dies ist aber nach Scientology-Lehre nur möglich, wenn die Anhänger an einem teurem Kurssystem teilnehmen. Scientology hat nicht nur die Leben vieler Sektenmitglieder zerstört, sondern auch die Familie des Gründers. Schon DeWolfs Vater hat mit Hubbard gebrochen. In der Familie herrscht Angst, die Sekte ist ein Tabuthema. „Hubbard hat ein Monster erschaffen, das sogar noch größer war als er selbst. Ich hätte lieber eine andere Art von Verbrecher als Urgroßvater, aber man kann sich seine Familie nun mal nicht aussuchen“, sagt DeWolf.
Tagblatt, 24.11.2012, Andreas Kneubühler
Ritalin und die SVP
Es gibt viele Kritiker am steigenden Einsatz von Ritalin und ähnlicher Medikamente bei Kindern und Jugendlichen. Darunter sind Elternvereinigungen, Ärzte, Pharmakritiker oder auch Erziehungswissenschafter. Aktiv ist aber auch ein Ableger der Psychosekte Scientology, die Organisation Citizens Commission on Human Rights (CCHR). Die Organisation figuriert in Bern auch unter dem deutschen Namen «Bürgerkommission für Menschenrechte» und betreibt unter anderem eine Homepage, auf der sie vor Psychopharmaka im allgemeinen warnt. Dort finden sich auch umfangreiche Materialen, welche die Diagnose ADHS als Ursache von Leistungsstörungen in der Schule in Frage stellen und vor Medikamenten wie Ritalin warnen.
Hegelbachs Vorstösse
Zu den Empfängern von CCHR-Informationsmaterial gehören viele kantonale und nationale Politikerinnen und Politiker. Im Kanton St.Gallen zählt beispielsweise SVP-Kantonsrat Marcel Hegelbach (Jonschwil) dazu. Er hatte 2005 einen Vorstoss zum Thema Ritalin eingereicht und damals auf Anfrage bestätigt, von CCHR mit Informationsmaterial und Kontaktadressen von Elternvereinigungen versorgt worden zu sein. Auf seiner persönlichen Homepage fand sich damals auch ein Link zu CCHR. Hegelbach distanzierte sich aber von der extremen Haltung des Scientology-Ablegers. Ritalin sei zu einem riesigen Geschäft geworden und es gebe dazu viele Fragen, aber nur wenig Informationen, erklärte der Kantonsrat 2005. Im September 2012 hat Hegelbach einen weiteren Vorstoss zum gleichen Thema eingereicht. Er fordert nun ein generelles Abgabeverbot von Psychopharmaka an Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren. Im Interpellationstext findet sich unter anderem ein Link zur CCHR-Homepage. Im April 2012 hatte Hegelbachs inzwischen abgewählter SVP-Fraktionskollege Christopher Chandiramani (Rapperswil) eine Einfache Anfrage eingereicht und darin diverse Fragen zur «Abgabe von Ritalin, Concerta, Equasym, Medkinet» gestellt.
Damit war er nicht alleine: Vorstösse mit identischen Textbausteinen und teilweise den gleichen Fragen wurden in den vergangenen Monaten auch im Kanton Basel-Land – von einer SVP-Kantonsrätin –, und im Kanton Solothurn vom GLP-Kantonsrat Markus Flury eingereicht. «Fast nur SVP-Mitglieder» Wer hat hier koordiniert? Markus Flury verneint auf Anfrage, dass er an einer konzertierten Aktion teilgenommen habe. Das Thema beschäftige ihn schon länger. «Alle stellen eine Fehlentwicklung fest, aber niemand unternimmt etwas dagegen.» Der Grünliberale erklärt, dass er für seinen Vorstoss Informationsmaterial von einer gewissen Heidi Altorfer erhalten habe, auch der Vorstoss von Chandiramani sei ihm bekannt gewesen. Unter dem Namen Heidi Altorfer findet sich die Homepage eines Scientology-Mitglieds. Dessen Gatte, Felix Altorfer, ist Präsident von CCHR Schweiz.
Die Verbindung zum CCHR sei ihm nicht bekannt gewesen, sagt Flury. Er erinnert sich, dass er an einer Veranstaltung einer Gruppe für Bundesparlamentarier namens Psychopharmaka-Nein teilgenommen habe. «Ich habe mich gewundert, dass fast nur SVP-Mitglieder dabei waren.» Eine der wenigen Ausnahmen sei die St.Galler Nationalrätin Yvonne Gilli gewesen. Sie sei ein einziges Mal bei dieser Gruppe dabei gewesen, die tatsächlich von der SVP dominiert gewesen sei, bestätigt Yvonne Gilli. Von Gruppierungen wie dem CCHR werde sie immer wieder angeschrieben, weil sie sich als Ärztin mit solchen Themen befasse. Die Verbindungen zwischen der SVP und CCHR wundern sie nicht. Die Partei biete solchen Gruppierungen einen politischen Boden, sagt Yvonne Gilli und verweist auf die Nähe des ehemaligen Vereins zur Förderung psychologischer Menschenkenntnis (VPM) zur SVP. Die Konstellation mit dem Scientology-Ableger mache die Auseinandersetzung mit dem Thema Ritalin schwierig, «weil man sich mit solchen Gruppen nicht vernetzen kann», sagt die St.Galler Nationalrätin. Sie plädiert aber dafür, sich trotzdem damit zu befassen, «aber differenzierter».
20min, 12.11.2012, Deborah Sutter
Scientologen haben Kinder mit ADHS im Visier
Die Scientology-Sekte will hyperaktive Kinder heilen – und dies ohne Ritalin. Die Zürcher Privatschule Ziel-Schule, die laut dem «Tages-Anzeiger» von Scientologen geleitet wird, richtet sich explizit an Kinder mit ADHS. Auf ihrer Website verspricht sie, «eine Lösung zu finden, die nicht zu einem geschädigten Kind führt». Sprich: eine Behandlung ohne Ritalin. Denn das Medikament sei «ebenso gefährlich wie Strassendrogen». Werbung für ihre speziellen Behandlungsmethoden machen die Scientologen schweizweit auch bei Kinderärzten, denen sie immer wieder Broschüren geschickt haben. Und laut Ursula Ammann von der Schweizerischen Fachgesellschaft ADHS hat ein Scientology-Mitglied gar versucht, im Sekretariat der Gesellschaft einen Job zu ergattern. «Scientology nutzt die Ängste verunsicherter Eltern ADHS-betroffener Kinder schamlos aus», so Amman. Es sei höchst unseriös, wenn man Eltern weismache, dass man ein Kind von Ritalin befreien kann. «Einem Kind, das auf Medikamente angewiesen ist, diese vorzuenthalten, ist schlicht fahrlässig.»
Neue Kampagne der Scientologen
Für Sektenexperte Georg Schmid ist klar: «ADHS ist die neuste Kampagne von Scientology – so versuchen sie, neue Märkte zu erschliessen und an neue Interessenten und Kunden heranzukommen.» Scientology Schweiz war nicht erreichbar. Die Schulleiterin der Ziel-Schule und Scientologin Elisabeth Ambühl betont, stets «transparent zu kommunizieren». Scientology bezeichnet die Vorwürfe als «abstrus» Die Scientology Kirche Zürich weist derweil die Vorwürfe zurück: «Es ist völlig abstrus, zu behaupten, dass eine ADHS-Stelle von Scientologen unterwandert werden sollte. Dies war sicherlich nie der Fall. Die Scientology Kirche befasst sich nicht mit Aufklärung über ADHS und Unterricht. Richtig ist jedoch, dass es Scientologen gibt, die zum Beispiel Schulen betreiben. Dies völlig unabhängig von der Scientology Kirche. Es ist auch eine Tatsache, dass der ursprünglich von Scientologen und einem Psychiater gegründete Verein Bürgerkommission für Menschenrechte (CCHR) über Missbräuche der Psychiatrie aufklärt. Sie sind nicht die Einzigen, die den massiven Gebrauch von Psychopharmaka bei Kindern anprangern», sagt die Sprecherin Annette Löffler.
Tagesanzeiger, 12.11.2012, Hugo Stamm
Eltern fielen auf Scientology-Schule herein – Eine Strassenmissionarin der Sekte war auch in der Schule aktiv
Diese hatte ihren Sohn Luici (Name geändert) zuerst in eine italienische Schule geschickt. Nach ein paar Monaten suchten sie eine deutschsprachige Tagesschule, damit sich Luici, ein sehr lebendiges Kind, besser integrieren konnte. Im Verzeichnis der Zürcher Privatschulen stach ihnen die Ziel-Schule in die Augen, weil sich diese speziell mit überaktiven Kindern befasst. Das Etikett «staatlich bewilligt» erleichterte den Entscheid. Anfänglich waren Luici und seine Eltern mit der Schule einigermassen zufrieden, doch schon bald stellten die Eltern fest, dass ihr Sohn wenig Fortschritte in Deutsch und Mathematik machte. Nach einem halben Jahr wurden Luicis Eltern zum Schulfest eingeladen. Der Vater entdeckte eine Mitarbeiterin, die ihm irgendwie bekannt vorkam. Plötzlich dämmerte es ihm. «Kennst du die Frau?», flüsterte er seiner Ehefrau zu. Als er ihr fragendes Gesicht sah, ergänzte er: «Das ist doch die Person, die oft in Oerlikon Flugblätter von Scientology verteilt.»
Sektennähe nicht gekannt
«Ich war geschockt», erzählt die Mutter. Sie recherchierte im Internet und fand nach wenigen Klicks heraus, dass die Ziel-Schule zum Scientology-Umfeld gehört. Und nach kurzer Zeit wusste sie auch, dass Schulleitung und Lehrpersonen aktive Scientologen sind. Luicis Eltern fühlen sich betrogen. Sie verstehen nicht, weshalb die Privatschule nicht verpflichtet ist, die Eltern auf die Nähe der Schule zu Scientology aufmerksam zu machen. «Wenn ich dies gewusst hätte, hätte ich meinen Sohn nie in diese Schule geschickt», sagt die Mutter. Sie ärgert sich ausserdem, dass ihr Sohn auf Fotos der Schul-Website zu sehen ist. Weiter fühlen sich die Eltern getäuscht, bezeichnet sich doch die Ziel-Schule als überkonfessionell und religiös neutral. Als die Eltern Luici aus der Ziel-Schule nahmen, stellten die Lehrer an der neuen Schule erhebliche Wissenslücken fest, weshalb er die Klasse wiederholen muss.
Kehrtwende des Regierungsrats
Die Nähe der Ziel-Schule zu Scientology ist offensichtlich. Die Schulleiterin ist seit über 20 Jahren Mitglied der Sekte und hat die höchste Ausbildungsstufe erreicht, was bisher nur wenige Schweizer Scientologen geschafft haben. Auf der Internet-Propagandaseite «Mein Erfolg mit Scientology» schrieb sie: «Ich war vor allem unsicher im Umgang mit Kindern und heranwachsenden Jugendlichen. Ich lernte mithilfe der Daten von L. Ron Hubbard ihre Reaktionen und Verhalten zu verstehen und wusste, wo deren Ursachen lagen.»
Warum muss die Ziel-Schule ihre Nähe zu Scientology nicht deklarieren? Ursprünglich hatte die Zürcher Bildungsdirektion eine klare Haltung: «Ziel muss es sein, jede Schulung durch Scientology mit allen rechtlich vorhandenen Mitteln zu verhindern oder zu unterbinden», schrieb sie 1995. Doch fünf Jahre später erteilte sie den Scientologen trotzdem die Bewilligung. Der damalige Regierungsrat Alfred Gilgen hatte sich erfolgreich dagegen gewehrt und vom Bundesgericht recht bekommen. Scientologen seien nicht vertrauenswürdig, eine Schule zu führen, entschieden die höchsten Richter. Gilgens Nachfolger Ernst Buschor zeigte nicht den gleichen Kampfgeist, weshalb die Ziel-Schule doch noch eine Bewilligung erhielt. Anders in Luzern: Dort verweigerte die Regierung einer Ziel-Schule die Bewilligung und wurde vom Bundesgericht gestützt. Schulleiterin Elisabeth Ambühl erklärt, sie würde darauf hinweisen, dass «wir unter anderem mit Studiermethoden von L. Ron Hubbard arbeiten».
Ein umstrittener Punkt ist der Umgang der Schule mit dem AufmerksamkeitsdefizitSyndrom ADHS. Für Scientology sind Psychopharmaka und auch Ritalin, das oft bei ADHS-Patienten eingesetzt wird, gefährliche Drogen, die Kinder töten können. In Broschüren wird der Eindruck erweckt, Psychiater betrieben vorsätzlichen Massenmord. Auf der Website schreibt denn auch die ZielSchule, sie biete Abklärung bei einer ADHS-Diagnose an. Gegenüber dem TA präzisiert die Schulleiterin: «Wir helfen den Eltern, eine Lösung zu finden, die nicht zu einem geschädigten Kind führt.» Sie würden nicht selbst ADHS-Abklärungen durchführen. Wenn Eltern nach der Aufklärung durch die Schule das Medikament absetzen möchten, würden sie an den behandelnden Arzt verwiesen.
kipa, 28.12.2012
Belgien: Verfahren gegen Scientology eingeleitet
Die «Church of Scientology» wurde 1954 von dem US-amerikanischen Science-Fiction-Autor L. Ron Hubbard (1911-1986) gegründet. Sie erhebt den Anspruch, eine wissenschaftliche Religion zu sein, die als einzige den Menschen zum Glück in geistiger Vollkommenheit führt. Scientology gilt als eine der zweifelhaftesten ideologischen Gruppierungen weltweit. Die meisten Staaten erkennen sie nicht als Religionsgemeinschaft an. Schätzungen zufolge gibt es weltweit etwa 120.000 Scientologen. Hauptsitz der «Church of Scientology», die von einem «Präsidenten» geleitet wird, ist Clearwater im US-Bundesstaat Florida.
Luxemburger Tageblatt, 28.12.2012
Belgische Justiz: Verfahren gegen Scientology eingeleitet
Eine Branche von Scientology befindet sich auch in Luxemburg. Sie hat in einem Haus der rue des Aubépines in Luxemburg-Stadt Quartier bezogen. Geschäftsführer ist laut eigenen Angaben Nick Weisen. Über die Mitgliederzahl der luxemburgischen Sekten-Filiale ist nichts bekannt.
Die Zeit, 28.12.2012
Führende Scientologen in Belgien zu Verhör geladen
2011
Tagesanzeiger, 26.01.2011, Hugo Stamm
Gesellschaft Scientology kommt auf Samtpfoten
Gibt es Scientology überhaupt noch? Diese Frage stellen sich viele, denn missionierende Scientologen sieht man nur noch selten am Bahnhof oder auf öffentlichen Plätzen. Scientology gibt es nach wie vor. Bloss ködert die Psychogruppe heute mit diskreteren Methoden als früher neue Anhänger. Sie will den Ruf als aggressive Sekte korrigieren. Obwohl sie im Bewusstsein der Öffentlichkeit weniger präsent ist, missioniert sie wie eh und je. Dies erfuhr zum Beispiel ein leitender Beamter einer staatlichen Behörde. Kürzlich bekam er ein englisches Mail von einer internationalen Stiftung. Um glücklich zu werden, solle er die Broschüre «Der Weg zum Glücklichsein» lesen. Weiter wurde er aufgefordert, 18 Exemplare zu kaufen und an Freunde zu verteilen, um diese ebenfalls glücklich zu machen. Er suchte vergeblich einen Absender, entdeckte dann aber im Kleingedruckten einen Hinweis, der ihn stutzig machte: Das Copyright liege bei der Hubbard-Bibliothek, las er. Dahinter steckt Scientology, schoss es ihm durch den Kopf.
Unklare Datenherkunft
Drei Tage später bekam er ein Mail vom Scientology-Zentrum Zürich mit folgendem, verbal doch recht abenteuerlichen Inhalt: «Hallo, um Hilfe zu erhalten, um Ihr Leben sollte man unserer Kirche in Zürich Kontakt liegt. Die Mitarbeiter dort werden sehr glücklich sein, Ihnen zu helfen.» Nach einem weiteren Mail folgte ein Anruf einer Scientologin, die sich auf die Mails bezog. Als er sie aufforderte, die Mailzuschriften zu unterbinden, kam es zu einem Disput. Was den Beamten besonders irritiert: Die Scientologen besitzen private Eckdaten, die nicht leicht zu beschaffen sind. Er fragt sich, wie Scientology die Angaben beschafft hat. Scientology-Sprecherin Annette Klug erklärt, sie hätten keine Adressen von der Stiftung erhalten, welche die Broschüre vertreibt. Sie kann sich nicht erklären, wie es zu dieser Verstrickung gekommen ist. Sie würden auf Wunsch Mailadressen löschen.
Telefon und Massagen
Ein beliebtes Missionierungsinstrument ist das Telefon. TA-Leser beschweren sich immer wieder, sie seien von Scientologen kontaktiert worden. «Will jemand keinen Kontakt, dann wird dies selbstverständlich respektiert», sagt die Scientology-Sprecherin. In jüngster Zeit schaltet Scientology auch Publireportagen in Gratiszeitungen, die wie normale Artikel daherkommen. Dank der Broschüre «Der Weg zum Glücklichsein» habe die Gewaltanwendung an Schulen um 70 bis 80 Prozent gesenkt werden können, wird in einem Text behauptet.
Weiter missionieren Scientologen vermehrt mit Info-Ständen, ohne sich als Anhänger des Sektengründers Ron Hubbard zu erkennen zu geben. Sie treten beispielsweise als Vertreter einer Menschenrechtsorganisation auf. Manchmal stellen sie Massagetische auf und behandeln Passanten. Dabei können sie diese in ein Gespräch verwickeln. Manchmal lassen sich Passanten auch auf einen Test mit dem Hubbard-Elektrometer ein – eine Art Lügendetektor. Die Behörden haben kaum Möglichkeiten, die Standbewilligung zu verweigern, weil Scientology dagegen klagen würde.
Arbeitslose im Visier
Scientology peilt auch gern Arbeitslose an und bietet ihnen in Inseraten eine Stelle an. Der Wortlaut: «Niedriges Gehalt – grossartige Zukunft.» Ausserdem streut die amerikanische Organisation eigene Zeitungen mit Artikeln von Hubbard und Referenzschreiben ihrer Promis. Schauspieler John Travolta lässt sich beispielsweise so zitieren: «Dianetik brachte mich ganz nach oben.» Dabei handelt es sich um eine Art therapeutisches Verfahren, dank dem Travolta angeblich «etwas wirklich Grosses erreichen konnte.»
spielfilm.de, 07.01.2011, Sira Brand
Paul Haggis packt aus: Kritisches Buch über Scientology
Mutig: Der Regisseur und Autor Paul Haggis (L.A. Crash (WA)) plant, ein Buch über seine Erfahrungen mit der Scientology zu veröffentlichen. «The Heretic of Hollywood: Paul Haggis vs.The Church of Scientology» sollen seine Memoiren heißen, die er zusammen mit Lawrence Wright, einem Journalisten des Magazins New Yorker, verfassen wird. Haggis löste sich 2009 von dem Kult – die Gründe beschrieb er in einem Brief: Latente Feindlichkeit gegenüber Homosexuellen, sowie den Zwang, Kontakt zu Familienmitgliedern, die Scientology kritisch gegenüberstehen, abzubrechen. In seinem Schreiben gab Haggis an, man habe seine Frau Deborah Rennard gezwungen, nicht mehr mit ihren Eltern zu sprechen, nachdem diese aus der Sekte ausgetreten waren. Im Übrigen solle Scientology, sobald jemand austrete, private Details für Schmierkampagnen missbrauchen – als Beispiel führte Haggis Amy Scobee an, eine Frau, die ursprünglich für die Anwerbung von Prominenten zuständig war und schließlich ihre negativen Erfahrungen mit dem Kult den Medien gegenüber beschrieb.
Haggis Buch' soll sich vorwiegend mit dem Leben des Scientology-Gründers L. Ron Hubbard, einem ehemaligen SciFi-Autor, sowie diversen Machenschaften des derzeitigen Kult-Kopfes David Miscavige – welcher von vielen Aussteigern als gewalttätig beschrieben und in Kalifornien wegen Menschenhandel angeklagt wurde – beschäftigen. Die Veröffentlichung ist für Juni diesen Jahres angesetzt. In Deutschland wird Scientology seit 1997 vom Bundesamt für Verfassungsschutz (sowie einigen entsprechenden Landesämtern) beobachtet. Der Grund: Verdacht auf «Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung.» Konkretere Informationen dazu gibt es hier www.verfassungsschutz.de
Haggis verriet in dieser Woche außerdem in einem Interview mit der britischen Zeitung The Guardian, dass eine kritische Haltung gegenüber organisiertem Glauben bei ihm quasi in der Familie liege: Er wurde katholisch erzogen und als er dreizehn Jahre alt war, rügte seine Mutter den Gemeindepriester dafür, einen neuen Cadillac gekauft zu haben. «Der Priester sagte: 'Ich habe darüber viel nachgedacht und Gott will, dass ich einen Cadillac habe.' Meine Mutter sagte dem Priester, dass sie auch viel darüber nachgedacht habe und dass Gott nicht mehr wollte, dass sie den Gottesdienst in seiner Kirche besuchten. Also denke ich, das habe ich von ihr. Woran auch immer du glaubst, du musst fähig sein, das zu hinterfragen.
Schwäbische Post, 23.02.2011, Manfred Moll
Scientology wirbt an den Schulen
Scientology wirbt im Umfeld von Aalener Schulen. Dabei spielt die Sekte nicht mit offenen Karten. Die Elternbeiräte erhielten in den vergangenen Wochen Post, und zwar an die jeweilige Adresse der Schule. Der Inhalt des Umschlags: Ein Brief und ein Film auf DVD, in denen vor angeblichen Gefahren von Psychopharmaka gewarnt wird. Aalen.
Absenderin der Umschläge ist eine Aalener Bürgerin. In dem Schreiben gibt sie vor, sich Sorgen zu machen über das Ausmaß, in dem Schulkindern Psychopharmaka verabreicht werden. Beigelegt ist eine Film-DVD mit einer angeblichen „Dokumentation“. Der Film (liegt der SchwäPo vor) dreht sich um eine US-Amerikanerin, deren 18- jähriger Sohn sich das Leben genommen haben soll. Behauptet wird, er sei in den Tod gesprungen, weil er mit Psychopharmaka behandelt wurde. Auf diesen Film nimmt die Aalenerin Bezug. Der Film ist in Englisch mit deutschen Untertiteln. Ins Deutsche übersetzt jedoch ist das Begleitheft. Und darin wird versucht, ganz unterschwellig zu vermitteln, alle medizinische Behandlung von Schulkindern mit Psychopharmaka sei letztlich ein Versagen der Eltern und generell eigentlich unnötig. Zitiert werden etliche „Experten“ – die Scientology nahestehen.
Im Film selbst kommt unter anderem ein Arzt zu Wort, der in etwa behauptet, wer sich gesund ernähre, ausreichend an der frischen Luft sei und sich mit den richtigen Leuten abgebe, könne gar nicht psychisch krank werden. – Mit den „richtigen Leuten“ sind natürlich Scientology-Mitglieder gemeint. Das Begleitheft verweist auf „empfohlene Lektüre“. Herausgeber sind zumeist Scientology-nahe Verlage und eine ihrer Tarnorganisationen (cchr.org). Ganz platt wird es dann, wo im Begleitheft steht, das Wort „pharmazeutisch“ stamme von dem griechischen „pharmakeutikos“ ab, was „Ausübung der Hexerei“ bedeute. Das allein, so heißt es, sollte doch Warnung genug sein . . .
Etliche Elternbeiratsvorsitzende wurden sofort aktiv, nachdem sie die fragliche Post ihrem jeweiligen Fach im Schulsekretariat entnommen hatten. Aber wahrscheinlich nicht in der Art und Weise, wie die Absenderin sich das vorgestellt hat. Denn sie begannen, Nachforschungen anzustellen, und fanden schnell heraus, dass die Absenderin eine Scientology-Aktivistin ist, die auch eine entsprechende Internet-Homepage hat. (Name und Adresse der Frau sind der SchwäPo bekannt, sie räumt auch ein, Absenderin der Postsendung zu sein.) Gleichzeitig wurden der Gesamtelternbeiratsvorsitzende und das Schulamt der Stadt von dem Vorgang informiert. Der Aalener Gesamtelternbeiratsvorsitzende Klaus Seeling seinerseits stellte sofort per E-Mail klar, dass der Brief und die Film-DVD nicht vom Gesamtelternbeirat kommen, sondern von Scientology. „Leider unter einem Deckmäntelchen“, sagt er zur SchwäPo. Werbung zu verschicken sei natürlich nichts Strafbares, meint er. Aber sobald sie von totalitären Organisationen komme, müsse man sich dagegen wehren, betont Klaus Seeling.
Das Schulamt der Stadt und Klaus Seeling haben das staatliche Schulamt Göppingen und das baden-württembergische Kultusministerium informiert. „Wir nehmen das ernst“, sagt Hans-Jörg Polzer, Leiter des staatlichen Schulamts. Er bittet alle Elternbeiräte und Schulen, die derartige Post bekommen, seine Behörde darüber zu informieren. Das Kultusministerium hat die Sache seinem Sektenbeauftragten übergeben. „Scientology“ gelte schließlich als eine demokratiefeindliche Organisation (der Verfassungsschutz hat sie im Visier). Sprecherin Carina Olnhoff ergänzt, im vergangenen Jahr habe es in Stuttgart eine ähnliche Aktion der Sekte gegeben.
Info: Scientology
Die Organisation gilt als religiöse Sekte, die ihre Mitglieder in psychische Abhängigkeit bringt. Aussteiger und Kritiker werden massiv bekämpft. Der Gründer Ron L. Hubbard wollte ursprünglich die Psychotherapie revolutionieren. Heute bekämpft Scientology die psychiatrische Medizin radikal. Hubbard, ein US-Amerikaner, der 1986 gestorben ist, bezeichnete seine Lehre, die „Dianetik“, als „moderne Wissenschaft der geistigen Gesundheit“. Die Psychiatrie sah er als unliebsame Konkurrenz. Kein Wunder: Sekten rekrutieren ihre (zahlenden) Mitglieder oft unter psychisch labilen Menschen.
Augsburger Allgemeine, 21.02.2011, Oliver Helmstädter
Markus Stuckenbrocks Kampf gegen Scientology
Nicht immer gelingt es Markus Stuckenbrock einfach vorbei zu gehen, wenn er den knallbunten Stand von Scientology zwischen Hirsch- und Bahnhofsstraße in Ulm sieht. Er wisse allzu gut aus eigener und familiärer Erfahrung, was die angebotenen Bücher und Psychotests anrichten können: Psychische Abhängigkeit durch vielgestaltige Manipulation sowie den sozialen und finanziellen Ruin. Der Sekten-Aussteiger sieht die Stadtverwaltung in der Pflicht, gegen solche Stände vorzugehen. Die sehen aber ihre Hände gebunden. Ein Blick auf den Kampf gegen eine selbst ernannte Religion, an die der Burlafinger Stuckenbrock (fast) die ganze Familie verloren hat. „Methoden zur Indoktrination“, die der „ideologischen Umerziehung“ dienen, nennt der Verfassungsschutzbericht von Baden-Württemberg, was regelmäßig an Samstagen Passanten in Ulm angeboten wird. Manchmal verteilt der Ex-Scientologe scientology-kritische Schriften vor ihrem Stand. „Dass weniger Menschen in diese Falle tappen.“
Er selbst war schon drin. Und sein Vater ist bis heute Scientologe, genauso wie seine (Halb-)Brüder. Markus Stuckenbrock (46) stieg mit 19 aus, er ist heute verheiratet und hat zwei fast erwachsene Töchter. Der Kontakt zu Brüdern und Vater ist schwierig. Als Abtrünniger ist er geächtet und gilt als Verräter. Angeblich wurde sein Bruder ohne ausreichende Hilfe eingesperrt. Außerdem macht Stuckenbrock Scientology für den frühen Tod seines Bruders vor drei Jahren verantwortlich. Viel Zeit und Geld habe er investiert, um die Umstände des Todes vor Ort zu rekonstruieren. Angeblich sei sein Bruder Uwe Stuckenbrock – dessen Sekten-Karriere einst in Ulm begann, als er an multipler Sklerose erkrankte – in einem Reha-Zentrum von Scientology jahrelang ohne ausreichende medizinische Hilfe eingesperrt worden. Bis er im Oktober 2008 starb.
„Das war ein Arbeits- und Gleichschaltungslager, in dem abtrünnige oder angeblich schlecht produzierende Mitarbeiter wieder auf den rechten Weg zurückgeführt werden sollen.“ Markus Stuckenbrock spricht von einer „schrecklichen Leidensgeschichte in einer fanatischen, totalitären Organisation“, die in Ulm ihren Anfang nahm. 1998 flüchtete Uwe demnach aus dem internationalen Hauptquartier nahe Hemet in Kalifornien mit einem Motorrad, wurde aber sehr schnell von Sicherheitskräften zurück gebracht. Scientology habe seinen Bruder daran gehindert, Mutter und Familie über seine Krankheit zu informieren. Sein Bruder, einst im Führungskader habe nämlich nicht mehr ins Selbstbild der Psychosekte gepasst und sei daher abgeschoben worden. Denn perfekt trainierte Scientologen können der Lehre nach nie krank werden, wie Jürgen Keltsch vom Bayerischen Innenministerium in einer Publikation erklärt. Sektengründer L. Ron Hubbard behauptete demnach, er könne mit Scientology einen neuen, besseren Menschen erschaffen – den so genannten „Homo Novus“. Dauerhaft kranke Menschen wie Uwe Stuckenbrock oder Menschen mit Behinderung haben in dieser Welt keinen Platz.
Markus Stuckenbrock, der Scientology-Aussteiger, schaffte es in eine andere Welt: Er arbeitet seit 20 Jahren als Heilerziehungspfleger mit Behinderten. Scientology, das laut Verfassungsschutzbericht einen eigenen Nachrichtendienst („Office of Special Affairs“) betreibt, der die Aufgabe hat, Kritiker und Gegner auszuforschen und unter Umständen repressive Maßnahmen zu treffen, weist alle Vorwürfe weit von sich. Dies alles spiegelt aus ihrer Sicht, „die Paranoia eines Apparats wieder, der seine Agenten darauf ansetzt, Rufmordkampagnen gegen die Scientology-Kirchen in Deutschland durchzuführen“. Auf ein medizinisches Gutachten über den Tod seines Bruders, das ein Scientologe Stuckenbrock nach dem Auftritt in der Talkshow „Markus Lanz“ offenbar versprach, wartete Stuckenbrock vergebens. Kritiker und insbesondere Aussteiger wie Stuckenbrock werden von Scientology als „Kriminelle“ bezeichnet und als zu bekämpfende „unterdrückerische Personen“ stigmatisiert, auf unterstem Niveau geschmäht, herabgewürdigt und mitunter auch verklagt. So steht es im Verfassungsschutzbericht. Scientology wittert hingegen seit Jahren eine Diffamierungskampagne der Verfassungsschützer.
„Lügen als Programm“ heißt der Vorwurf auf einer eigenen Internetseite von Scientology über ihre „Wahrheiten“ und den Verfassungsschutz. Außer einer Flut an Hubbard-Werbematerial habe Stuckenbrock bislang keine Reaktionen auf seine öffentliche Kritik an den Methoden und Zielen von Scientology erhalten. Er will weiter zu Felde gegen Scientology ziehen. Anwälte in den USA seien längst eingeschaltet. Das FBI ermittelt dem Nachrichtenmagazin Spiegel zufolge schon „seit einer ganzen Weile“ gegen Scientology. So habe die Behörde im Dezember 2009 tagelang Scientology-Aussteiger vernommen. Das FBI prüfe unter anderem den Vorwurf des Menschenhandels und der Sklavenarbeit. Stuckenbrock hofft, dass der Todesfall seines Bruders ein Teil der FBI-Ermittlungen ist.
So will Markus Stuckenbrock wenigstens die Kreise der „Mission“ genannten Ulmer Scientology-Zweigstelle stören. Er versuchte dies auch per Brief an Oberbürgermeister Ivo Gönner, in dem er aufzeigte, wie der Stand in der Fußgängerzone verhindert werden könne. Mehrere deutsche Gerichte hätten Scientology als wirtschaftlichen Betrieb eingestuft, sodass ein Stand über hohe Gebühren verhindert werden kann. Die Ulmer Stadtverwaltung sieht jedoch ihre Hände gebunden, da es sich nicht um eine verbotene Organisation handle. Markus Stuckenbrock kann das kaum ertragen. In schwachen Momenten seien Menschen sehr empfänglich für die Heilsversprechungen. So wie seine Eltern in den 70er Jahren. Sie suchten Halt, als ihr jüngster Sohn nach einer Operation starb. Nun sei sein Vater blind durch die Psycho-Methoden: Er merke nicht, dass er durch die Sekte noch mehr Kinder verloren habe.
Berliner Zeitung, 16.02.2011, Frank Nordhausen
Der US-amerikanische Regisseur Paul Haggis macht öffentlich, warum er Scientology verlassen hat Von
Er ist die Hauptperson einer 26-Seiten-Recherche des angesehenen US-Journalisten und Buchautors Lawrence Wright. Der 57-jährige Haggis ist ein sehr erfolgreicher Hollywood-Regisseur und Drehbuchautor. Er hat Oscars gewonnen für «Million Dollar Baby» (2004) und «L.A.Crash» (2006), hat Bücher für TV-Serien und James-Bond-Filme geschrieben. Wohl auch deswegen hat die ausführliche Darstellung seines Bruchs mit Scientology in den USA so großes Aufsehen erregt. Die Zeitschrift New Yorker hat sich zudem extrem gut abgesichert, hat mit äußerster Akribie recherchiert und für jede Behauptung eine Stellungnahme von Scientology eingeholt – die fast immer lautet: «Scientology bestreitet diese Darstellung.» Damit wurde der klagefreudigen Sekte von vornherein der juristische Wind aus den Segeln genommen. Was das Magazin gegebenenfalls zu befürchten hatte, machte der Scientology-Sprecher Tommy Davies klar, als er zum offiziellen Interview gleich vier Anwälte mitbrachte. Und jeder Chefredakteur in Amerika weiß, dass Scientology die New York Times 1991 für ihre Enthüllungsrecherche «Kult der Gier» auf 416 Millionen Dollar Schadenersatz verklagte. Die Zeitung gewann den Prozess zwar nach Jahren. Aber die Drohung existenzgefährdender Verfahren schwebt seither über jedem, der Ähnliches wagt.
Bis vor Kurzem war Scientology in den USA ein Thema, das die Medien nur mit Samthandschuhen anfassten. Das hat sich geändert. Der New-Yorker-Artikel steht in einer Reihe neuerer Veröffentlichungen, die Scientology in einer in den USA bisher ungekannten Weise vorführen. Viele Top-Scientologen haben den Sektenkonzern in den vergangenen zwei Jahren verlassen und Bücher über ihre teils schockierenden Erlebnisse geschrieben. Mutige Zeitungen wie die St. Petersburg Times aus Florida, wo Scientologys «spirituelles Zentrum» ist, haben gewagt, sie zu interviewen. Paul Haggis gehörte nicht zu diesen Spitzenkadern, die viel internes Wissen haben, sondern zum Kreis ihrer umhegten Hollywoodstars, die von den finsteren Seiten der Organisation nur durch Zufall erfahren oder wenn sie, wie der gebürtige Kanadier, beginnen, Fragen zu stellen.
Paul Haggis geriet in einen inneren Konflikt, als Scientology 2008 das Referendum gegen die damals legale Homo-Ehe in Kalifornien unterstützte und alle Mitglieder ebenfalls dazu aufforderte. Seine beiden Töchter sind lesbisch. «Das ist ein Makel in der Integrität unserer Organisation», schrieb Haggis damals in einem Brief an die Scientology-Leitung. Erst zu der Zeit fiel ihm auf, dass der Scientology-Gründer L. Ron Hubbard Homosexualität bereits in den Fünfzigerjahren als «gefährlich» definierte und die Sekte Kurse zur Heilung der «Krankheit» anbietet. Einmal irritiert, begann Haggis im Internet zu recherchieren und stieß auf viele weitere Widersprüche in der Scientology-«Ethik»: den «Trennungsbefehl» von Scientology-kritischen Angehörigen, die Kinderarbeit in der Elitetruppe «Sea Org», die Umerziehungs- und Straflager, die extreme Kontrolle. Er erfuhr, dass Mitglieder der Sea Org, die sich für eine Milliarde Jahre dienstverpflichten, nur 50 Dollar Wochenlohn bekommen, während der Scientology-Boss David Miscavige und sein Freund Tom Cruise einen «luxuriösen Lebensstil» pflegen, mit nickelveredelten Motorrädern, privaten Dienern und Köchen aus der Sea Org. Scientology bestreitet all dies.
Der Bericht des New Yorker schildert zeitversetzt, was in Europa und im Internet seit Mitte der Neunzigerjahre bekannt ist, und was jeder Interessierte etwa in den Broschüren der deutschen Verfassungsschutzämter nachlesen kann, die die als verfassungsfeindlich eingestufte Organisation seit 1997 beobachten. Ein Jahr zuvor enthüllte die Berliner Zeitung Interna aus den Straflagern des Psychokonzerns. Im selben Jahr publizierte die Arbeitsgruppe Scientology des Hamburger Senats die erste wissenschaftliche Studie darüber. Gleichwohl galt Scientology – und gilt bis heute – in den USA als «Religion». «35 Jahre lang war ich in einer Sekte», sagt Paul Haggis jetzt, aber er habe das nicht wahrgenommen. Immerhin sehen heute nicht mehr alle US-Behörden über die Scientology-Aktivitäten hinweg. Seit einigen Jahren ermittelt das FBI, unter anderem wegen des Vorwurfs der Kinderarbeit und des Menschenhandels. Bisher allerdings ohne sichtbares Ergebnis.
Aargauer Zeitung, 12.02.2011, Dieter Minder
Scientologen versuchen in Baden Anhänger zu werben
Jetzt ist es nicht mehr die grosse gelbe Zeltstadt auf dem Bahnhofplatz, jetzt sind es diskret zwei Personen, die fast jeden Samstag auf der Badstrasse in Baden für die Scientologen Werbung machen. Wobei sie ganz streng genommen nicht für Scientology werben, sondern für die Bürgerkommission für Menschenrechte (Citizens Commission on Human Rights, CCHR). Diese «untersucht und enthüllt Verletzungen der Menschenrechte durch die Psychiatrie», zumindest behauptet sie das. Effektiv handelt es sich bei der CCHR um eine Organisation, deren Mitglieder fast ausschliesslich Scientologen sind. Diese werben auf sehr druckvolle Art für ihre Weltanschauung, von der sie behaupten, es handle sich um eine Religion. Konsequenterweise sprechen sie von einer Kirche und benutzen Symbole, die bei flüchtigem Hinsehen mit christlichen Symbolen verwechselt werden können. Wer Näheres erfahren will, über den ergiesst sich ein fast unendlicher Wortschwall von eher unergiebigem Informationsgehalt. Dieser Gefahr setzen sich alle Leute aus, die sich von den Scientologen in der Badstrasse in ein Gespräch verwickeln lassen.
Für die Anhänger wird es teuer
In einem ersten Schritt versuchen sie den Leuten Bücher über Scientology oder Dianetik, wie sie ihre Theorie auch nennen, zu verkaufen. Wer sich interessiert zeigt, der wird aufgefordert, einen Persönlichkeitstest über sich ergehen zu lassen. Fast immer zeigt dieser, dass der Getestete in seiner Persönlichkeit noch einige Defizite hat. Die kann er nur beheben, wenn er bei den Scientologen Kurse bucht. Damit gerät die Person in einen Strudel, aus dem sie sich fast nicht mehr befreien kann. Immer weitere Kurse, oft zu sehr hohen Preisen, muss sie absolvieren, um endlich zum so genannten Clear oder Operierenden Thetan zu werden. Das sind die Wesen, die dank Vertrag mit Scientology einige Milliarden Jahre existieren sollen.
Viele Satellitenorganisationen
Die CCHR, die momentan in Baden auftritt, ist nur eine der Satellitenorganisationen, in der Scientologen tätig sind. Weitere sind die Ehrenamtlichen Geistlichen (Volunteer Ministers), das Aktionskomitee «Sag nein zu Drogen», die Gesellschaft für ein besseres Leben und Ausbildung (Association for better Living and Education, ABLE) oder die Stiftung Vision Zukunft mit Sitz in Holziken. Von sich behauten die Scientologen, sie seien eine Kirche. Geschaffen hat ihre Grundlage der 1984 verstorbene Science-Fiction-Schriftsteller Ron Lafayette Hubbard. Seiner Ansicht nach kann der Mensch fast unendlich lange leben. Die Voraussetzung, er muss dafür eine fast unendliche Anzahl von Kursen absolvieren und einen Vertrag über einige Milliarden Lebensjahre abschliessen. All das kann sehr kostspielig werden. Immer wieder werden Fälle bekannt, in denen sich Leute stark verschuldet haben, um Geld an Scientology zu überweisen. Sie wird von den Kritikern als Konzern mit rein wirtschaftlichen Zielen angesehen. Das gilt unter anderem für die ökumenische Sektenberatung Schweiz, die evangelische Informationsstelle Kirchen – Sekten – Religionen oder die Infosekta. Eine totalitäre Bewegung In Deutschland hat sogar der Verfassungsschutz ein wachsames Auge auf Scientology geworfen. So schreibt das Landesamt für Verfassungsschutz von Baden-Württemberg, dass Hubbards Ansichten «unvereinbar mit der verfassungsmässigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland» seien. Begründet wird dies unter anderem mit folgenden Worten: «Wie andere totalitäre – und damit extremistische – Bewegungen erhebt die Scientology-Organisation eine Art Alleinvertretungsanspruch. Sie versteht sich als einzige und ausschliessliche Besitzerin politischer, religiöser oder sonstiger weltanschaulicher Wahrheiten.»
Short News, 08.02.2011
Scientology-Sekte wird angeblich wegen Menschenschmuggels vom FBI untersucht
Tages-Anzeiger, 10.03.2011, Hugo Stamm.
Tragischer Held Ron Hubbard
Mit pompösen Festen feiern die Scientologen an diesem Wochenende weltweit den 100. Geburtstag ihres Gründers Ron Hubbard. Obwohl der Sektenführer vor 25 Jahren gestorben ist, verehren sie ihn wie einen lebenden Messias. In vielen Zentren ist ein Büro für ihn eingerichtet, das nur das Putzpersonal betritt. Es soll signalisieren: Hubbard ist hier, zumindest sein Geist. Die Scientologen sprechen denn auch gern in der Gegenwartsform von ihrem Gründer, denn das Genie ist in ihren Augen unsterblich. Um dem Publikum das epochale Jubiläum nahe zu bringen, verbreitet Scientology in Inseraten seine Heldentaten. Auch in Zürich.
400'000 Reisekilometer
In der Scientology-Version tritt uns Hubbard als Universalgenie entgegen. Mit drei Jahren konnte er lesen, mit 14, also 1925, reiste er durch mehrere Länder Asiens. In Nordchina studierte er «bei asiatischen Mönchen die geistige Bestimmung der Menschheit». Bevor er an der George Washington University das Studium begann, soll er bereits über 400'000 Reisekilometer zurückgelegt haben. «Mit 21 Jahren beschloss er seine Hochschulstudien mit einer Eins», heisst es in einer Broschüre. Hubbard soll Schriftsteller, Forscher auf geistes- und naturwissenschaftlichen Gebieten, Flugpionier, Filmemacher bei Expeditionen und vieles mehr gewesen sein.
«Verdacht auf Geistesgestörtheit»
Was er als junger Mann in nur sieben Jahren angeblich vollbracht hat, dafür bräuchten sterbliche Wesen ein ganzes Leben. Viele Heldentaten entsprangen aber seiner Fantasie, so auch sein Hochschulabschluss, denn davon weiss die Uni nichts. Kurz: Die offiziellen Biografien enthalten ähnlich viel Fiktion wie seine Bücher und Heilslehre. Besonders amüsant lesen sich die kriegerischen Grosstaten des Scientology-Gründers. Bei einem Marineeinsatz wurde er an der Front halb blind, gelähmt und «in Stücke geschossen». Die Ärzte hätten ihn aufgegeben, doch er heilte sich selbst – und entdeckte dabei die Grundlagen von Scientology. In Wirklichkeit bekam er wegen eines Magengeschwürs und Arthritis eine Rente. Ein amerikanischer Journalist fand heraus, dass ein Beamter folgenden Vermerk an die Hubbard-Akte heftete: «Verdacht auf Geistesgestörtheit.»
RP-online, 29.04.2011
Scientology erwirbt modernes Studiogelände
BZ, 26.04.2011
Die sterbende Krake Scientology bläst zum Großangriff auf Berlin «Wir müssen viel, viel mehr werben»
Der Plan wurde anonym Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit (57, SPD) und Innensenator Ehrhart Körting (68, SPD) zugesandt. Das interne Dokument der vom Verfassungsschutz beobachteten Scientology-Kirche zeigt, welcher immense Druck auf die fest angestellten Mitglieder (Staffs) aufgebaut wird. Ziel: mehr Profit, Berliner «auf Kurs» bringen. Zitat: «Wir müssen viel, viel mehr werben!!» Um jede einzelne Person wird gekämpft (siehe Ausrisse). Typisch: Abkürzungen und englisch-deutsches Kauderwelsch. «Die Organisation ist weiterhin in Berlin nicht erfolgreich und hat Mitglieder verloren», so Verfassungsschutzpräsidentin Claudia Schmid. «Sie gerät zunehmend unter Druck, denn ihr eigentliches Ziel ist es, Geld zu verdienen. «Laut Sektenleitstelle sank die Zahl der Mitglieder von 200 auf 100.
Bildungsklick, 15.04.2011
Berlin: Scientology wirbt an Berliner Schulen
Berliner Schulen erhielten am Anfang dieser Woche Einladungen zu einem «Tag der offenen Tür» zum Thema «Drogenprävention», Absender: Die Scientology Zentrale in der Otto-Suhr-Allee. «Scientology inkognito» heißt ein neues Faltblatt der Leitstelle für Sektenfragen, das über die zahlreichen Unterorganisationen und Kampagnen der selbsternannten Kirche informieren soll und jetzt an die Schulen verteilt wird. Die in der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung ansässige Leitstelle für Sektenfragen reagiert damit auf verstärkte Werbebemühungen der Unterorganisationen von Scientology. Mit vermeintlich karitativen oder sozialen Initiativen versucht die Organisation jugendliche Zielgruppen zu erreichen. Sie nutzt dazu soziale Netzwerke wie Facebook, SchülerVZ, YouTube, setzt Plakate ein und verteilt Broschüren, DVDs und Musikvideos an Infotischen.
Nach Einschätzung der Leitstelle für Sektenfragen bieten diese Unterorganisationen von Scientology mit ihren Kampagnen keine nachhaltige Hilfe. Stattdessen verbreiten sie vor allem scientologisches Gedankengut, und dies, ohne dass für Interessierte der Zusammenhang gleich erkennbar ist. Scientology selbst bezeichnet diese Kampagnen als ihre «wichtigen Verbreitungs-Werkzeuge». Das neue Faltblatt benennt alle Unterorganisationen und Kampagnen, schafft Transparenz und ist damit ein wichtiger Bestandteil der Berliner Präventionsarbeit. Nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden ist die Mitgliederzahl der Scientology-Organisation zwar deutschlandweit rückläufig. Dennoch versucht die Organisation nach eigenem Bekunden weiterhin im Rahmen einer so genannten «Idealen-Org-Kampagne» ihre deutschen Niederlassungen nachhaltig zu vergrößern und zu stärken. Das Faltblatt kann auf der Seite www.berlin.de/sen/familie/sekten-psychogruppen eingesehen und runtergeladen werden.
Der direkte Weg zum Flyer:
http://www.berlin.de/imperia/md/content/sen-familie/sekten-psychogruppen/scientology_inkognito.pdf?start&ts=1302868083&file=scientology_inkognito.pdf
Der Westen vom 12.04.2011, Wilfried Goebels
Scientology ist via Facebook auf dem Weg ins Kinderzimmer
Der NRW-Verfassungsschutz beobachtet mit Sorge, dass die Sekte immer mehr Jugendliche mit gezielten Kampagnen dort abholt, wo sie viel Zeit verbringen: am heimischen Computer. Scientology hat die neuen Medien für sich entdeckt. Auf Plattformen wie YouTube und Twitter, in sozialen Netzwerken von Facebook über StudiVZ und SchülerVZ, sowie in Blogs und Foren geht die Sekte mit Videos von Tarnorganisationen wie „Jugend für Menschenrechte“ oder „Sag nein zu Drogen – sag ja zum Leben“ auf Kundenfang. Der Verfassungsschutz hat wegen der wachsenden Gefahren und der steigenden Mitgliederzahlen die Beobachtung verstärkt. Laut Verfassungsschutzbericht geht Scientology ganz gezielt vor. Kinder und Jugendliche, die auf der Suche nach Materialien für ein Referat zu den Themen Drogen und Menschenrechte im Internet surfen, landen schnell auf den Seiten der Scientologen.
600 Mitglieder in NRW
Dort finden arglose Surfer neben professionellen Videoclips auch Infomaterial – und landen zwischen Links zu anerkannten Organisationen wie den Vereinten Nationen in einem Atemzug bei Scientology-Organisationen. Dort wird dann in Kampagnen ein positives Bild der Sekte vermittelt. Der Verein „Jugend für Menschenrechte“ fordert Surfer schnell auf, Mitglied zu werden. Gibt der Jugendliche seine Daten preis, kann ihn die Sekte direkt ansprechen. Der Verfassungsschutz warnt: Dass Scientology hinter der Kampagne steckt, steht nur im Kleingedruckten. Die Mitgliederzahl hat Scientology in NRW in jüngster Zeit auf 600 erhöht – Tendenz steigend. Verfassungsschutzpräsidentin Mathilde Koller verfolgt den Angriff auf die „Zielgruppe Kinder“ mit wachsender Sorge. Scientology verfügt aus Sicht des NRW-Verfassungsschutzes „über Strukturen mit totalitärem Anspruch“.
Scientology rüstet auf: Die Sekte bemüht sich um den Kauf eines repräsentativen Gebäudes in Düsseldorf.
Europaticker, 11.04.2011
CDU-Fraktion im Landtag von Nordrhein-Westfalen warnt vor Scientology- Tarnorganisationen
Das Werben hat eine neue Dimension erreicht. Scientology geht es nicht um die Drogenproblematik oder um Menschenrechte, sondern ausschließlich um die Werbung neuer Mitglieder und damit die Verbreitung der Sekte. Mithilfe solcher Tarnorganisationen und des Internets sollen gezielt junge, ahnungslose Menschen ‚eingewickelt‘ werden“, warnt der CDU-Landtagsabgeordnete. Auch bei den Nachhilfeinstitutionen setzt Scientology auf Tarnung. Eindeutige Kennzeichen einer Verbindung von Nachhilfeinstituten zu Scientology sind Namen wie ‚Nachhilfe und Lerntechniken‘, Zentrum für individuelles und effektives Lernen‘ (ZIEL), ‚Applied Scholastics‘ oder ‚Ziel Concept‘. Der CDU-Politiker begrüßt daher, dass sich der jüngst vorgestellte Verfassungsschutzbericht 2010 ausführlich mit der Sekte befasst und auch in den Medien auf die gefährliche Organisation und deren verlogene Tarnungen hingewiesen wird.
Derzeit hat Scientology laut Verfassungsschutzbericht in Nordrhein-Westfalen 600 aktive Mitglieder und diese Zahl soll weiter ausgebaut werden. Dazu setzen Scientology auch auf Internetportale und soziale Netzwerke wie Youtube, Facebook, MeinVZ oder SchülerVZ. Nur selten ist dabei auf den ersten Blick zu erkennen, dass hinter bestimmten Seiten die gefährliche Sekte Scientology steht. „Ich empfehle den Eltern mit ihren Kindern über die Nutzung des Internets zu sprechen und sie zu fragen, auf welchen Seiten sie sich bewegen bzw. bei welchen Vereinen und Organisationen sich ihre Kinder anmelden bzw. Informationsmaterial anfordern. Sollten die Eltern unsicher sein, können sie sich auf den Seiten des Verfassungsschutzes NRW und Sekten Info NRW (www.sekten-info-nrw.de) informieren“, so Ratajczak.
Merkur-online, 17.05.2011
Scientologen beschweren sich über Brucks OB
Der Hintergrund: Seit Jahren versucht das zu Scientology gehörige Zentrum am Hauptplatz präsent zu sein. Da die Stadt dieser Organisation keine Plattform bieten möchte, wurden dahingehende Anträge soweit möglich abgelehnt, berichtet Kieser. „Etwa, wenn bereits andere Infostände genehmigt waren, oder uns der Stand zu groß erschien.“ An den vergangenen zwei Wochenenden musste er aber doch genehmigt werden. Weltanschauung alleine reiche nicht für eine Ablehnung. Im vergangenen Jahr diskutierte der Stadtrat bereits einmal über die Problematik. OB Sepp Kellerer (CSU) zog sogar in Erwägung, vor der Sparkasse grundsätzlich auf alle Infostände zu verzichten.
Diese Idee kommt bei Marianne Altheimer vom „Zentrum für eine bessere Welt“ nicht gut an. Der Stadtrat habe beschlossen, keine Infostände des Zentrums mehr zu genehmigen, schreibt sie den Stadträten. Sie frage sich, auf welcher Rechtsgrundlage das basiere und will von jedem Kommunalpolitiker wissen, was ihn zur Zustimmung bewogen habe. Zudem droht sie, gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Doch zunächst wolle sie in einem persönlichen Gespräch die Sachlage aufgreifen. Auch in der Stadtbibliothek in der Aumühle will das Zentrum offenbar Fuß fassen. Die Leiterin berichtet, dass Altheimer zweimal versuchte, ihr Scientology-Bücher zu schenken. „Sie hat darauf gedrängt, dass wir sie aus Gründen der Informationsfreiheit nehmen müssen.“ Es gebe genug Bücher gegen Scientology. Die Bürger hätten das Recht, die andere Seite zu sehen. Doch sie sei hart geblieben. Resultat: Das Zentrum habe sich beim OB über sie beschwert. Bei der Stadt rechnet man damit, dass Scientology weiter Druck macht. „Der Stadtrat wird sich damit beschäftigen müssen, ob er eine generelle Regelung für Infostände macht“, sagt Rechtsamtsleiter Christian Kieser. Die Folge: In bestimmten Gegenden sind sie dann außerhalb des Wahlkampfs für alle verboten. Die Dienstaufsichtsbeschwerde gegen OB Kellerer bearbeitet die Kommunalaufsicht.
Die Welt, 03.05.2011, Hanns-Georg Rodek
Scientology sitzt nun im Herzen Hollywoods
Als David Wark Griffith 1916 seinen Blockbuster «Intolerance» drehte, ließ er im Studio ein Jerusalem wie zu Christi Zeiten aufbauen. Nun brauchte er nur noch den Ölberg. Sein Kameramann entdeckte in nächster Nähe den Olive Hill, der sich als ideal erwies für den Blick auf die Heilige Filmstadt und ihren Erlöser. Wer nun heutzutage vom Olive Hill gen Süden schaut, blickt direkt auf den L. Ron Hubbard Way. Vor fünfzehn Jahren genehmigte der Stadtrat von Los Angeles die Umbenennung der Berendo Street zu Ehren des Gründers der Church of Scientology. L.A. ist immer noch ein gutes Pflaster für Erlöser. Bald wird die Präsenz der «Kirche» in der Filmstadt noch sichtbarer sein. Fährt man den Sunset nur zwei Avenues weiter nach Osten, erhebt sich dort ein Gebäude mit rötlich-olivener Klinkerglasfassade: «KCET» steht in großen Lettern dort, wo bald der Scientology-Schriftzug prangen dürfte. Die Sekte hat das älteste kontinuierlich für Filmezwecke genutzte Studio in Hollywood gekauft. An der Adresse 4401 Sunset Boulevard residierten viele Jahre das B-Film-Studio Monogram Pictures und sein Nachfolger Allied Artists, hier entstanden die Innenszenen Hunderter von Western, von den Charlie-Chan-Detektivfilmen und dem Charlton Heston-Monumentalfilm «El Cid».
Anfang der Siebziger, als das klassische Studiosystem sich in Auflösung befand, machte Allied seine Immobilie zu Geld, und der nächste Mediennutzer zog ein: die öffentlich-rechtliche Fernsehstation KCET. Nun, vierzig Jahre später, sieht sich wiederum die Fernsehindustrie von einem neuen Medium attackiert, und prompt wechselt das Gebäude erneut seinen Besitzer. «Das neue Studio» – so eine Pressemitteilung der Scientologen – «ermöglicht es der Kirche, eines der fortgeschrittensten Zentren für religiöse Sendungen zu errichten.» Das bisherige Medienzentrum der Sekte befindet sich im kalifornischen Riverside County, aber die 28 000 Quadratmeter an Studiohallen, Nachbearbeitungsräumen und Büros am Sunset Boulevard verdoppeln ihre Kapazitäten. Außerdem sind nun Studios, Druckzentrum und das Scientologen-Hauptquartier im L. Ron Hubbard Way – neu eröffnet im vorigen August – alle in Los Angeles konzentriert. Dort hatte Scientology bereits Ende der Sechzigerjahre sein erstes «Celebrity Centre» gegründet; heute gibt es davon Ableger in Paris, Wien, Düsseldorf, München, London, New York, Florenz, Las Vegas und Nashville. Zur gleichen Zeit, in der Scientology ihre Medienaktivitäten bündelt, bläst der Organisation auch in Amerika der Gegenwind (etwas) stärker ins Gesicht.
Anfang des Jahres sickerte durch, dass der bisher hochrangigste Prominente Scientology verlassen habe: Paul Haggis, zweimal Oscar-gekrönter Drehbuchautor für «Million Dollar Baby» und «L.A. Crash» und Regisseur von «Im Tal von Elah» und «72 Stunden». Haggis war dreieinhalb Jahrzehnte Sektenmitglied und hatte deren höchstes «Level der Erkenntnis» erreicht: Er war ein «Operating Thetan VII», ein Titel der erst nach endlosen Stunden des Lernens (sprich: der Gehirnwäsche) verliehen wird. Scientology-kritische Experten schätzen, dass sich die Kosten der Kurse bis zum höchsten Thetan-Level auf bis zu einer halben Million Dollar belaufen können. Inzwischen wurde eine noch höhere Erkenntnisstufe eingeführt, der «Thetan VIII», den nur erreichen kann, wer sich Intensivkursen auf Schiffen unterzieht. Dieser Art von Indoktrination hatte sich Haggis verweigert, obwohl er in seinem Gehorsam sehr weit gegangen war. Die «Kirche» hatte seiner Frau befohlen, jeden Kontakt zu ihren Eltern abzubrechen (die aus der Sekte ausgetreten waren), und «obwohl es ihr schrecklichen Schmerz bereitete», hatte sich Haggis' Frau an diese Anweisung gehalten. Selbst dies war für Haggis noch kein Knackpunkt gewesen.
Der kam erst, als seine jüngste Tochter Katy einem Scientologen-Freund gestand, dass sie lesbisch sei. Der Freund begann daraufhin, andere Sektenmitglieder zu warnen: «Katy ist 1.1.». Der Code bezieht sich auf die Kategorisierung von Menschen in L. Ron Hubbards «The Science of Survival», und ein «1.1.» ist demnach ein «verdeckter Feind», und das seien die gefährlichsten und heimtückischsten. Derartige Personen hätten Gelegenheitssex, seien Sadisten und Homosexuelle. Diese Bemerkungen finden sich in den neueren Auflagen des kanonischen Scientology-Buches nicht mehr, und offiziell wird Homosexualität nicht mehr verurteilt. Doch deren Missbilligung scheint in Sekten-Kreisen noch weit verbreitet zu sein. Als 2008 in Kalifornien über die gleichgeschlechtliche Ehe abgestimmt wurde, sprachen sich Scientologen öffentlich für deren Verbot aus. Haggis schrieb nun an den Chef-Pressesprecher der Kirche, an Tommy Davis (Sohn der Schauspielerin Anne Archer, bekannt als Frau von Michael Douglas in «Eine verhängnisvolle Affäre»), und kritisierte das offizielle Schweigen: «Schweigen ist Zustimmung, Tommy. Ich weigere mich, zuzustimmen… Hiermit gebe ich meine Mitgliedschaft in der Kirche zurück.»
Solch prominente Austritte werden ansonsten höchst diskret behandelt. Haggis jedoch schickte seinen Brief an mehr als zwanzig Scientologen-Freunde weiter, darunter an Anne Archer, John Travolta und Sky Danton, den Gründer von EarthLink. So wird die Psycho-Sekte langsam auch zum Problemthema in den Vereinigten Staaten. In Hollywood selbst arbeitet der Regisseur Paul Thomas Anderson – bekannt durch «Magnolia» und «There will be Blood» – an einem Film namens «The Master». Es soll darin um eine Kirche namens «The Cause» (Die Sache) gehen und um die Beziehung zwischen deren charismatischem Gründer und einem jungen Herumtreiber, der seine rechte Hand wird. Das Wort «Scientology» kommt nirgends im Drehbuch vor, aber alle warten gespannt auf den ersten Hollywood-Film, der sich die Sekte vornimmt, die sich im Herzen der Traumfabrik eingenistet hat.
FAZ.net, 22.06.2011, Verena Lueken
Scientology In der Kirche des Ich
Fällt es Ihnen schwer, einen klaren Gedanken zu fassen? Waren Sie schon einmal müde, ohne dass es einen offensichtlichen Grund dafür gab? Sind Sie manchmal grundlos gereizt? Haben Sie sich je hölzern und leblos gefühlt? Macht es Ihnen Schwierigkeiten, sich für Menschen oder Dinge zu begeistern? Wenn Sie von zehn solcher Fragen mehr als drei mit „Ja“ beantworten, sind Sie ein klarer Fall für das innere Reinigungsprogramm von Scientology. Dann haben sich in Ihrem Körper Drogen, Chemikalien und andere Gifte angesammelt, die Sie nicht so einfach wieder loswerden; gegen die Sie auf dem Laufband anrennen sollten; die Sie bekämpfen, ausschwitzen, mit vielen Litern Flüssigkeit rausschwemmen und mit Vitaminpillen beschießen müssen. So erklärte es uns in der vergangenen Woche Jenni vom Celebrity Center der Church of Scientology in Los Angeles. Wir standen in einem warmen Kellerraum zwischen marktgängigen Fitnessgeräten, schauten einem trainierenden Mann auf den nackten Rücken und sogen in tiefen Zügen die von vermutlich botanischen Zusätzen schwere, aus der Sauna nebenan strömende Luft ein. Reinigung, von innen, schien plötzlich keine so schlechte Idee.
Wollten Sie nicht auch schon mal Ihre Frau ermorden?
Wir waren ja auch gut vorbereitet. Fast zwei Stunden lang hatten wir zuvor Michael Wisner zugehört – er stellte sich als „Produzent, Autor und Umweltaktivist“ vor, trug eine dottergelbe Krawatte, einen unsauberen Haarschnitt und einen buschigen Vertreterschnäuzer –, was er zum Thema zu sagen hatte. Es klang in seiner vermutlich berechtigen Verteufelung des Agrarkonzerns Monsanto ein bisschen wie die Vortragsversion des Films „Food Inc.“, bestand aus einer rasanten Abfolge von Schreckensmeldungen über giftige Chemikalien im Haushalt, auf den Feldern, in der Kleidung, der Nahrung und der Luft einschließlich der dramatischen Folgestatistiken über Brust- und Eierstockkrebs (toxins do real harm to real people), und brauchte mehr als hundert Minuten, bis zum ersten Mal der Name L. Ron Hubbard fiel. Da hatte Wisner die zweitbesten Tipps gegen all das Übel schon ausgepackt: Fenster auf, vor allem im Auto, und die Schuhe, an denen, da kann man machen, was man will, Bleireste kleben, vor der Haustür stehen lassen.
Den besten Tipp lieferte dann der leitende Direktor des Celebrity Center selbst: „Dianetics“ und das Reinigungsprogramm im Keller. Seine Grundlage ist das Standardwerk „Clear Body, Clear Mind“ des Sektengründers L. Ron Hubbard, dessen Werke in fünfzig Sprachen sich laut Eigenwerbung inzwischen mehr als 160 Millionen Mal verkauft haben. Auch ich erwarb zwei Bücher, obwohl mich das, was als wrap up angekündigt war und dann von David, so hieß er, mit der übertriebenen Zappeligkeit eines gescheiterten Stand-up-Komikers vorgetragen wurde, doch irritiert hatte: „Wollten Sie nicht auch schon mal Ihre Frau ermorden?“, kreischte er etwa und rief „peng“ zur entsprechenden Geste. „Haben Sie sich nicht schon einmal vor Angst verkrochen?“, wisperte er mit wedelnden Händen und wimmerte dann wie ein Kleinkind – solche Clownereien machte er uns vor, um zu zeigen, welch ungesunde Emotionen unsere vergifteten Körper hervorbringen.
Auch damals wurde Sinnsuche betrieben
Meine Beziehungen zu Scientology waren intensiv, wenn auch kurz. Alles begann mit der Idee, im Renaissance, dem sehr gelobten Restaurant im Celebrity Center in Los Angeles, einen Tisch für ein Abendessen zu reservieren. Das war kein Problem, das Restaurant steht allen offen, wie die Church of Scientology selbst angeblich auch, was sich allerdings als nicht ganz richtig erwies. Das Celebrity Center ist, wenn man das so tautologisch sagen darf, berühmt, weil dort schon die Tochter von John Travolta bei Weihnachtsfeiern aufgetreten ist, Tom Cruise und die Seinen zu Gast waren wie auch Chick Corea und viele andere Größen der Film- und Unterhaltungsindustrie, die behaupten, ihr Erfolg habe ursächlich damit zu tun, dass sie über die scientologische Lehre und deren Praktiken zur Optimierung ihres Selbst (und zur Dezimierung der Gifte in ihrem Körper) gefunden hätten.
Nachdem die Reservierung so problemlos aufgenommen worden war, rief ich noch einmal an und fragte, ob ich wohl vor dem Essen eine Führung durch das Gebäude bekommen könne. Es handelt sich nämlich um das Château Élysée, ein ehemaliges Residenzhotel der Luxusklasse, in dem eine Reihe von Filmstars, die mir deutlich näher sind als die, die jetzt dort absteigen, einst Quartier bezogen hatten: Lilian Gish, Bette Davis, Carol Lombard, Katharine Hepburn, Humphrey Bogart, Clark Gable, Cary Grant – die ganze Riege Unsterblicher, deren Geistern ich dort zu begegnen hoffte. Gebaut hat das Château der Architekt Arthur E. Harvey 1927 im Stil einer französischen Burg aus dem siebzehnten Jahrhundert, allerdings mit Aufzug in die sieben Stockwerke des verschachtelten Baus. Seine Auftraggeberin war Eleanor Ince, die Witwe des Stummfilmproduzenten Thomas H. Ince, und es ist zu vermuten, dass auch damals in diesen Hallen Sinnsuche betrieben wurde, nur mit anderen Mitteln. Die Partys sollen in den Dreißigern berühmt und berüchtigt gewesen sein.
Ein etwas mulmiges Gefühl
Jedenfalls hoffte ich darauf, in den Zimmern 603 (Humphrey Bogart) oder 216 (Edward G. Robinson) oder in den Gängen und Treppenhäusern zwischen ihnen, im Foyer oder dem Garten mit den uralten Kautschukbäumen eine Spur von ihnen zu finden. Ich stellte mir vor, wie die Erinnerungen aus den Tapeten strömen und wie als Schweif freundlicher Gespenster noch einmal die große Zeit Hollywoods vorbeiwehen würde mit all der Melancholie, die seine Stars umhüllte und die sich im Chteau eingenistet haben musste. Raymond Chandler hat einmal von einem Hotelfoyer in Los Angeles geschrieben, die Erinnerungen hingen dort in den Ecken wie Spinnweben, und nach so etwas wollte ich Ausschau halten. „Kein Problem“, lautete die Antwort auf meine Tour-Anfrage. „Wenn Sie um acht essen wollen, kommen Sie zur Führung doch schon um sechs. Fragen Sie nach Craig. Oder Saul.“
Wir waren pünktlich. Das Auto parkten wir ein wenig abseits, und mit etwas mulmigem Gefühl betraten wir das Grundstück, das von der Straße aus durch hohe, dicke Hecken kaum einsehbar, aber mit einer Messingplatte klar beschildert ist. Welchem Typ Mensch würden wir dort begegnen? Ich kannte ja die Geschichten über Scientology, ich wusste von den zerstörten Existenzen derer, die einst dazugehört hatten, den abstrusen Auftritten von Tom Cruise und auch von der langen, bestürzenden Geschichte von Paul Haggis und seinem Austritt aus der Sekte, die kürzlich im „New Yorker“ stand. Auch Haggis – inzwischen mehrfacher Oscargewinner, zum Beispiel für sein Drehbuch von „Million Dollar Baby“ – hat im Chateau gewohnt, als er 1976 nach Hollywood kam und auf erste Aufträge als Drehbuchautor hoffte. Damals war das Haus heruntergekommen, und vom ehemaligen Glamour war, wie in der ganzen Gegend, nichts mehr zu sehen. Nach aufwendiger Renovierung des Schlosshotels und einer ganzen Reihe anderer historischer Gebäude in Hollywood, die Scientology gehören, steht das Celebrity Center inzwischen unter Denkmalschutz.
Plakate und gerahmte Hubbard-Bilder
Haggis, so hieß es in dem Artikel, habe an diesem damals so schäbigen Ort ein Gefühl der Kameradschaft erlebt, das ihm gänzlich unbekannt gewesen sei: „All diese Atheisten auf der Suche nach etwas, an das sie glauben, all die Einzelgänger auf der Suche nach einem Club, dem sie beitreten konnten!“ Würden wir heute, da das Château in altem Glanz eine fast einschüchternde Solidität und gleichzeitig etwas Unheimliches ausstrahlt, Atheisten und Einzelgänger treffen, die etwas suchen, das es hier zu finden gibt? Erst einmal trafen wir Craig. Er hatte die weiche Stimme eines Fachverkäufers, einen nicht ganz trockenen Händedruck und die undurchdringlich glatte Haut eines genmanipulierten Filmgeschöpfs.
Als Erstes schlug er vor, den Ablauf zu ändern. Ein weltberühmter Bestsellerautor komme um halb acht, um einen Vortrag zu halten, dazu seien wir herzlich eingeladen. „Und die Führung?“, fragten wir. Die gebe es später, und essen könnten wir, wenn es uns recht sei, doch jetzt schon? Da war es Viertel nach sechs, aber die Aussicht auf viel mehr Scientology, als wir zu hoffen gewagt hatten, war zu verlockend, als dass wir bei der Essenszeit kleinlich sein wollten. Craig zeigte uns also eilig das Foyer mit seinem weißen Flügel und der Hubbard-Büste, führte uns in raschem Schritt an den offenstehenden Bürotüren vorbei, durch die man auf Plakate und gerahmte Hubbard-Bilder schauen konnte, und geleitete uns ins Restaurant, in dem etwa fünf Menschen saßen. Wir blickten in den Garten mit seinen kunstvoll beschnittenen Hecken und Rasenflächen, überlegten, ob einer der beiden Männer, die an einem Gartentisch saßen und rauchten, wohl ein Vetter von John Travolta sei, und wunderten uns über die zahlreichen Menschen, die im hinteren Teil des Parks um einen großen Pavillon herumstanden wie auf einer Party, bei der niemand den Gastgeber kennt.
Dem Katholizismus deutlich unterlegen?
Unseren Wunsch nach zwei Mojitos konnte das Restaurant nicht erfüllen. Es hat keine Lizenz für harte Drinks, das muss früher einmal anders gewesen sein. Das Essen war gut, ein großer Tisch in der Nähe, reserviert offenbar für höhere Ränge in der Hierarchie von Scientology, füllte sich nach und nach mit entspannt wirkenden Männern und Frauen, die sicher Wesentliches zu besprechen hatten, und irgendwann kam Craig zurück, um uns zum Vortrag abzuholen. Und fragte, was wir so täten im Leben. Mein Freund sagte, er sei Schriftsteller und Gelehrter, ich gab mich als Filmkritikerin zu erkennen. Craig wurde sofort misstrauisch. Wenn ich vorhätte, etwas zu schreiben, müsse ich mit der Presseabteilung Kontakt aufnehmen.
Ich erklärte, ich interessierte mich für das im April von Scientology erworbene Film- und Fernsehstudio KCET und dafür, was Scientology damit vorhabe. Bei KCET hatte ich bereits angerufen, um eine Studiotour zu erbitten. So etwas ist nichts Ungewöhnliches in Hollywood, doch mein Anruf erreichte nur ein Band: „Die Studiotour ist aus Sicherheitsgründen bis auf weiteres ausgesetzt“, erklärte eine Stimme, die ich nicht fragen konnte, ob Anschlagsgefahr bestehe oder nur die Dachziegeln lose seien? „Wir haben das Gelände noch nicht in Besitz genommen“, ließ später die Scientology-Presseabteilung wissen. Wenn es so weit sei, werde man renovieren, und später dann, „da bin ich sicher“, schrieb Karin Pouw vom PR-Büro, werde es wieder Führungen geben, aber „davon sind wir noch weit entfernt“.
Da mich dasselbe Büro bei meiner Frage nach dem Studiokauf und den zukünftigen Plänen bereits mit einer Presseerklärung abgefertigt hatte, schien es mir sinnlos zu fragen, was mich am meisten interessierte, nämlich: wie es zu erklären sei, dass sich nicht einmal Grundzüge von Hubbards Lehren im Werk all jener Filmemacher aufspüren lassen, die als Berühmtheiten so hofiert werden, dass ihnen eigens ein Schloss zur Verfügung gestellt wird? Und ob da Scientology, sich selbst als Kirche verstehend, dem Katholizismus nicht deutlich unterlegen sei? Denn dessen große Topoi durchziehen doch die Filmgeschichte von Anfang an bis heute? Erreichen die Werke nicht mehr als ihre Schöpfer? Mehr im Sinn von Reklame, wenn man so will?
Die Nadel schlug bis zum Anschlag aus
Statt dies zu fragen, setzten wir uns zu einer Handvoll Interessierter in einem Zimmerchen auf zierliche Stühle und hörten zu, was Michael Wisner uns zu sagen hatte. Wisner, der weltweit berühmte Bestsellerautor, hat übrigens, soweit das bei den üblichen Internetanbietern zu erkennen ist, nur ein Buch geschrieben, und zwar 1996 gemeinsam mit David Steinman unter dem Titel „Living Healthy in a Toxic World“. Für 0,01 Dollar kann man es dort gebraucht erwerben, aber ich vermute, es steht wohl nicht mehr drin als das, was er an jenem Abend erzählte.
Als der Vortrag vorbei war, verteilte Jenni kleine Karten mit den Fragen, ob es uns manchmal schwerfalle, einen klaren Gedanken zu fassen, ob wir grundlos müde oder gereizt seien. Nachdem wir anschließend den Keller und die Fitnessanlage gesehen hatten, führte sie uns in den Buchladen, wo ich die zwei Bücher kaufte, von denen eines immer noch eingeschweißt daliegt, und zeigte mir auf meine Bitte noch den Elektropsychometer, kurz E-meter genannt. Sie bat mich sogar in einen anderen Raum, um mich ausprobieren zu lassen, wie das geht – zwei suppendosenähnliche Metallzylinder in die Hände nehmen, nicht zu fest zupacken und stumm, aber ehrlich auf eine einfache Frage antworten. Zum Beispiel: „An wen denken Sie?“ Die Nadel des Geräts schlug bis zum Anschlag aus. Ich erschrak, und auch Jenni reagierte entsetzt. Ich sagte ihr, an wen ich gedacht hatte, und sie versuchte, mich zu trösten: „Mit solch einem Gewicht im Kreuz müssen Sie nicht durchs Leben gehen. Ich schenke Ihnen zwei Stunden ,auditing‘. Passt es Ihnen übermorgen um fünf Uhr nachmittags?“
Sie schrieb nicht zurück
Das „auditing“ ist eine der grundlegenden Techniken von Scientology, ein standardisiertes Gespräch mit festgelegten Fragen, in dem alte Lebenskonflikte aufgespürt und eliminiert werden. „Clear“ zu werden ist das erklärte Ziel dieser Methode. Haggis hatte dem „New Yorker“ erzählt, er selbst sei damals im Château „clear“ geworden, er habe hier also den Ausgangspunkt für seinen Aufstieg in die spirituell höheren Etagen der Organisation gefunden. Stand ich kurz davor, einen ersten Schritt in diese Richtung zu tun? Um dann möglicherweise frühere Leben ins Bewusstsein zurückzurufen oder wenigstens eine blendende Karriere zu machen? Diese Möglichkeit im Auge, verließen wir das Château.
Auf dem Heimweg fuhren wir den Sunset Boulevard entlang. Wir passierten die Church of Blessed Sacrament auf der linken Seite, den Nachtclub „Der siebte Schleier“ auf der rechten, glitten am Bräunungsstudio Hollywood TanMan vorbei, an den Läden für Beauty Supplies und Tätowierungen, kleinen Malls, dem Hollywood Studio Motel und dem Comfort Inn, Gitarrenläden und immer wieder „Girls, Girls, Girls“. Die Palmen wuchsen höher als die höchsten Reklameschilder, von denen das höchste überhaupt ein Cartoon-Plüschtier in Karatepose zeigte, die Werbung für „Kung Fu Panda 2 – Double the Awesomness“.
Am nächsten Tag erreichte mich der Anruf: Mein „auditing“ sei abgesagt. Da ich Journalistin sei, komme das nicht mehr in Betracht. Ich schrieb an Jenni und gab meiner Enttäuschung darüber Ausdruck, dass die versprochene Offenheit von Scientology offenbar jederzeit für jeden gelte, nur für meinen Berufsstand nicht. Sie schrieb nicht zurück. Wir aber spürten in jener Nacht in Hollywood: Irgendwie, irgendwann werden nach den Körpern auch die Seelen all der Suchenden in Bestform sein.
Aargauer Zeitung, 15.06.2011, Dieter Minder
So geht Scientology in Baden auf Kundenfang
Vor rund 2000 Jahren, 50 Tage nach Ostern, ist der Heilige Geist auf die Erde herabgekommen, so steht es in der Bibel. Mit dem Pfingstfest erinnern die christlichen Kirchen an diesen Tag der Erleuchtung. Obwohl Pfingsten keines der ganz grossen christlichen Feste ist, gilt der Tag als Gründungsmoment der christlichen Kirche. Eher eine Irrlichtvariante propagierten zum Pfingstwochenende auf dem Bahnhofplatz in Baden die Scientologen. Sie hatten ihre grosse gelbe Zeltstadt aufgestellt, um darin Werbung für ihre Sicht des Glaubens zu machen. Sie versprachen den Weg zum Glücklichsein.
Gedankengut ab 18 Franken
Dabei muss das Geld eine nicht unbedeutende Rolle spielen, denn primär wurden DVDs zum Kauf angeboten. Ab 18 Franken, aber auch zu höheren Preisen, konnte scientologisches Gedankengut erworben werden. Wer sich dafür interessierte, wurde alsbald ins Innere des Zeltes eingeladen. Dort standen auf Tischen, zwei der für die Scientologen wichtigen E-Meter. Es handelt sich letztlich lediglich um elektrische Widerstandsmessgeräte. Der Besucher muss in jede Hand einen Kontakt nehmen, was automatisch einen Ausschlag des Zeigers zur Folge hat.
Die Scientologen behaupten, damit Defizite beim Menschen feststellen zu können. Defizite, die ihn daran hindern, ein guter, erfüllter Mensch zu sein. Getreu ihrem Motto «Man kann immer etwas tun» wird der Besucher eingeladen, einen Persönlichkeitstest zu machen und danach seine Defizite abzuarbeiten. Das macht er am besten mit Scientology-Kursen. Und diese Kurse kosten Geld. Bei einem Kurs bleibt es in der Regel nicht, weitere Kurse, um neu erkannte Defizite zu beseitigen, müssen absolviert werden. Beobachter bezeichnen Scientology mit diesem Kurssystem als eine Geldmaschine.
Studenten würden Gewalt konsumieren
Fast etwas verschämt ob all den angebotenen DVDs hingen am Zelt noch einige Blätter, auf denen «bewiesen» wurde, wie gross der moralische Verfall der Gesellschaft ist. Da wurde behauptet, dass 14,6% der Studierenden an Sprühflaschen inhaliert hätten. 20% der Studierenden würden täglich mehr als 3 Stunden Gewalt am Fernsehen konsumieren und 65% der 13 bis 17-Jährigen sagten, dass an den Schulen geschummelt werde. Gegen diesen von ihnen diagnostizierten Verfall sollen die Scientologen mit ihrem auf dem «gesunden Menschenverstand beruhenden Moralkodex» ankämpfen. Dazu aber brauchen sie viele Anhänger, die den Kampf auch finanziell unterstützen. In Baden hielt sich der Erfolg ihrer Rekrutierung in Grenzen. Wenige machten den Schritt durch die Zeltöffnung, über der ein dem christlichen Kreuz nachempfundenes Symbol prangte.
news.com, 04.06.2011
Scientologe zahlen für ‹einschüchternd angebliche Opfer sexuellen Missbrauchs
Limmattaler Zeitung, 04.06.2011
Kanton Zürich will keine Räume an Scientology vermieten
In der Anfrage wollten zwei SP- Kantonsräte wissen, wie es dazu kommen konnte, dass die Citizens Commission on Human Rights (CCHR) im Februar 2011 die Alte Börse in Zürich für fünf Tage mieten konnte, obwohl die CCHR eine Scientology- Tochterorganisation ist. Das Gebäude der Alten Börse befindet sich im Besitz der BVK des Kantons Zürich. Der Regierungsrat betont, in der Vergangenheit seien Vermietungen an Scientology jeweils abgelehnt worden. Das wäre auch «mit grosser Wahrscheinlichkeit» im Februar so gewesen. Dass es Verbindungen des Mieters – einer Privatperson – zur CCHR und Scientology gab, habe man jedoch nicht gewusst. Die CCHR, die sich als «Bürgerkommission für Menschenrechte» bezeichnet, wurde nach eigenen Angaben 1969 von Mitgliedern der Scientology und dem Psychiater Thomas Szasz gegründet. Sie gibt an, Verletzungen der Menschenrechte durch die Psychiatrie zu untersuchen. Vom 18. bis 23. Februar präsentierte sie in der Alten Börse eine Ausstellung mit dem Titel «Psychiatrie – Hilfe oder Tod?» Präsidiert wird die Vereinigung in der Schweiz vom Winterthurer Psychiater Felix Altorfer.
Berliner Zeitung, 28.07.2011, Thomas Schuler
Scientology Journalisten gesucht
Berlin – «Investigative Reporter gesucht.» Die Anzeige, die im Juli in einer amerikanischen Jobbörse im Internet erschien, klang interessant. Freie Journalisten sollten für eine seit 40 Jahren eingeführte Zeitschrift, die dem Allgemeinwohl verpflichtet sei, an langfristigen Projekten zum Thema Menschenrechte und Soziales recherchieren, die Bezahlung sei Verhandlungssache. Konkret habe die Chefredaktion Aufträge in New York, in Los Angeles und im Süden von Texas zu vergeben. Verlockende Aussichten in einem Land, in dem in den vergangenen Jahren mehr als 10 000 Journalisten gefeuert wurden und vor allem investigative Journalisten kaum Arbeit finden, weil ihre Recherchen zu kostspielig sind. Das Problem der Anzeige ist der Auftraggeber: die Scientology- Sekte. Reporter sollen mit den eigenen Waffen geschlagen werden Die selbst ernannte Kirche versucht mit Hilfe ihrer mehrsprachig erscheinenden Zeitschrift Freedom, die Krise vieler Zeitungen für ihre Zwecke zu nutzen. Statt um Menschenrechte und Religionsfreiheit geht es Scientology in Wirklichkeit meist nur um die eigene Freiheit. Journalisten sollen in ihrem Auftrag Kritisches über Aussteiger und Gegner schreiben. Die Sekte hat schon mehrfach versucht, Reporter mit deren eigenen Waffen zu schlagen und lässt sie dazu bei Recherchen und Interviews von ihren eigenen Mitarbeitern filmen. 2007 drehte sie ein Video über John Sweeney, der sechs Monate für eine BBC-Reportage recherchierte. Während der Interviews warf ihm Scientology wiederholt vor, er sei voreingenommen. Einmal verlor Sweeney die Nerven und schrie den Sprecher der Scientologen an. Er sei «explodiert wie eine Tomate», schrieb Sweeney später zerknirscht über den eigenen Auftritt, den Millionen sahen. Denn Scientology stellte den Ausschnitt am Tag der BBC-Ausstrahlung auf YouTube und veröffentlichte ein Video, um die Glaubwürdigkeit der BBC-Reportage anzugreifen. Videos über Kritiker Sweeney entschuldigte sich öffentlich, berichtete aber weiter kritisch über die Sekte. Freedom veröffentlichte damals lange Artikel gegen die BBC. 2010 wiederholte sich das Ganze mit CNN. Auf 20 Seiten und unter dem Titel «A History of Lies» (Eine Lügengeschichte) warf die Sekte dem Nachrichtensender CNN und seinem Journalisten Anderson Cooper vor, Tatsachen zu verdrehen und falsch und fehlerhaft zu berichten. Wieder produzierte Scientology ein Video, das dem Heft als DVD beilag. Wer wie BBC und CNN Kritiker und Aussteiger zu Wort kommen lässt, wird als Lügner beschimpft. Was Scientology mit Freedom produziere, sei kein Journalismus, sondern Marketing oder PR, betont Nicholas Lemann, der Chef der angesehenen Journalistenschule der Columbia University in New York. Ziel dieser Berichte ist vermutlich nicht die allgemeine Öffentlichkeit. Vielmehr will Scientology die eigenen Mitglieder beruhigen, die Kritik bitte nicht ernst zu nehmen. Doch die Sekte verzeichnet mit ihrer Strategie Teilerfolge. Mit einer ähnlichen Anzeige wie der eingangs erwähnten warb sie 2009 zwei namhafte, unter anderem mit einem Pulitzer-Preis und einem Emmy ausgezeichnete investigative Reporter an, um gegen die Tageszeitung St. Petersburg Times in Florida zu recherchieren. Die Zeitung ist der Sekte seit Jahrzehnten verhasst und Ziel ihrer Angriffe. Im 100 000-Einwohner-Küstenort Clearwater in Florida unterhält die Sekte eine von zwei Zentralen (die andere ist in Los Angeles). Scientology besitzt 54 Gebäude in Clearwater; in der Region leben rund 10.000 Scientologen. Wenig glaubwürdige Verteidigungen Als «Scientology Town» hat die St. Petersburg Times die Stadt beschrieben. Die führende Zeitung der Region gehört einer Journalistenschule – dem gemeinnützigen Poynter Institut – und hat die Sekte mit Enthüllungen immer wieder in Bedrängnis gebracht. Sie war es, die im Januar 1976 herausfand, dass sich Scientology unter falschem Namen eingekauft hatte. Scientology setzte die Times daraufhin als «Feind Nummer eins» an die Spitze einer Liste von Gegnern, die es gelte zu infiltrieren und zu bekämpfen. Die Times stand dort vor allen anderen Kritikern: dem Bürgermeister, dem Lokalfernsehen und den Justizbehörden. Mehrfach brach Scientology in die Anwaltskanzlei der St. Petersburg Times ein und gelangte so in den Besitz von Schriftsätzen, Memos sowie Briefen und erfuhr Details laufender Recherchen. Für ihre hartnäckige Aufklärung dieser Praktiken erhielt die Times 1980 den Pulitzer-Preis. Im Sommer 2009 veröffentlichte die Zeitung nach monatelangen Recherchen erneut eine aufwendige Enthüllungsserie. Einige der ehemals ranghöchsten Mitstreiter von Sektenchef David Miscavige hatten sich der Zeitung anvertraut und brachten gegen ihn schwere Vorwürfe vor. Während sich Miscavige von seinen Leuten als Erneuerer und gar Retter von Scientology feiern lasse, sei er in Wirklichkeit dabei, den Zusammenhalt zu zerstören. Er habe in der gesamten Organisation eine Kultur der Gewalt etabliert. Scientology betonte, die Vorwürfe seien «absolute und totale Lügen». Glaubwürdig klang die Sekte mit ihrer Verteidigung nicht. Das FBI ermittelt Mehrfach griff Scientology die Times zudem in ihrer Zeitschrift Freedom an und warf ihr «Diebstahl, Bestechung und Spionage» vor, außerdem Fanatismus, Scheinheiligkeit und «schwere Verstöße gegen journalistische Ethik». Warum? Weil die Times den Sektenchef Miscavige nicht zu den Vorwürfen befragt habe. Dabei hatte die Zeitung ihn mehrfach angefragt und eine Stellungnahme von Scientology abgedruckt. Was die namhaften Journalisten betrifft, die Scientology gegen die St. Petersburg Times anheuerte, so blieb es beim Teilerfolg der Anwerbung: Ihr 20-seitiger Bericht fiel offenbar nicht so kritisch aus, wie Scientology sich erhofft hatte, er wird bis heute unter Verschluss gehalten. Inzwischen haben mehrere nationale Medien, darunter CNN, die New York Times und die angesehene Zeitschrift New Yorker, die Kritik der Aussteiger aufgegriffen; die Bundespolizei FBI ermittelt angeblich wegen Menschenhandel. Zu den Aussteigern zählt Marty Rathbun, die ehemalige Nummer zwei bei Scientology. Rathbun fungierte als Auditor (eine Art spiritueller Berater und Beichtvater) des Schauspielers Tom Cruise und war maßgeblich beteiligt, als Scientology mit mehr als Tausend Einzelklagen massiv Druck auf die amerikanischen Finanzbehörden ausübte und so die Steuerbefreiung 1993 erzwang. Recherchen in Texas Darüber hat Rathbun ausführlich in Interviews gesprochen. Scientology führt Krieg gegen ihn. Man bekämpft sich gegenseitig im Internet in Blogs. Scientology hat offenbar ein Filmteam angeheuert, berichtet Rathbun, das ihn auf Schritt und Tritt verfolgt und filmt – offiziell wieder einmal nur, um eine unabhängige Dokumentation zu drehen. Heute lebt Rathbun übrigens in einer Kleinstadt im Süden von Texas – genau dort hat Scientology jetzt wieder einen «unabhängigen» Rechercheauftrag im Dienst der Menschenrechte zu vergeben.
br-online vom 28.07.2011
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof – Scientology muss nicht zahlen
aargauerzeitung.ch, 03.07.2011, Pirmin Kramer
«Scientology pfeift in der Schweiz aus dem letzten Loch»
In Deutschland hat sich im Mai die Bundesregierung zu Scientology geäussert: Die Organisation verliere Anhänger und habe derzeit rund 4500 Mitglieder, teilte sie in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage mit. Wie steht es um Scientology in der Schweiz? «In der Schweiz findet eine leichte Expansion statt, aber nicht so stark wie in anderen Ländern», sagt Scientology-Sprecherin Annette Klug. «Passiv- und Aktivmitglieder zusammen gibt es in der Schweiz zirka 5000.» Religionswissenschafter und Sektenexperte Georg Otto Schmid kann das nicht glauben: «Scientology schrumpft kontinuierlich, und ich könnte mir vorstellen, dass es diese Sekte in der Schweiz in einigen Jahren nicht mehr geben wird.» Er schätzt, dass Scientology hierzulande noch ungefähr 1000 aktive Mitglieder habe. Die grösste Anzahl Anhänger habe die Sekte etwa im Jahr 1990 gehabt, damals hätten ihr etwa 3000 Menschen aktiv angehört. GEMÄSS EIGENER WEBSITE ist Scientology «eine Religion, die einen exakten Weg bietet, der zu einem vollständigen Verstehen und einer Gewissheit über die eigene spirituelle Natur führt». Prominente Schauspieler wie John Travolta und Tom Cruise bekennen sich zur Organisation. Sektenexperten werfen Scientology vor, ihre Anhänger psychisch und finanziell abhängig zu machen. «Scientology hat in der Schweiz derzeit ganz grosse Schwierigkeiten», sagt der deutsche Sek tenbeobachter Christian Ruch, der in der Schweiz lebt. «Diese Sekte schafft es kaum mehr, neue Mitglieder zu finden.» Wenn er sehe, wie schlecht geschult die Leute seien, die auf den Strassen auf Mitgliedersuche gehen, «dann ist das für mich ein Zeichen dafür, dass Scientology aus dem letzten Loch pfeift». Annette Klug von Scientology entgegnet, diese Vorwürfe seien «völlig absurd »: «Alleine in Zürich hatten wir vor ein paar Wochen eine Veranstaltung der lokalen Kirche für die Scientologen aus der Umgebung, an der mehr als 500 Personen teilnahmen.» Und alleine bei der Internationalen Scientology-Vereinigung (IAS) gebe es weit über 2000 Mitglieder aus der Schweiz. Doch auch ein dritter Sektenexperte aus der Schweiz glaubt, dass Scientology hierzulande mit «grossen Schwierigkeiten » kämpft: «Sie prozessieren viel weniger oft als früher, es scheint ihnen das Geld auszugehen», sagt Dieter Sträuli von der Fachstelle Infosekta. «Dass wir keine Gerichtsverfahren mehr führen, ist doch eine völlig positive Entwicklung und ein Beweis dafür, dass wir es nicht mehr nötig haben, uns mit rechtlichen Mitteln zu wehren», sagt Annette Klug. Derweil glaubt Sträuli, dass Scientology nicht nur in der Schweiz Probleme habe: «Weltweit zu schaffen macht der Sekte ausserdem, dass es inzwischen regelmässig prominente Aussteiger gibt.» So trat nach 35 Jahren Mitgliedschaft Hollywood-Regisseur und Oscar-Preisträger Paul Haggis aus Scientology aus.
Der Spiegel vom 02.07.2011, Benjamin Bidder, Moskau
Psychosekte: Russland stuft Scientology als extremistisch ein
Die Welt kompakt vom 01.07.2011
Russland verbietet Scientology-Schriften
SWR.de, 01.07.2011
Scientology unterwandert Schülernachhilfen
20min, 26.09.2011, Lena Berger
Scientology-Ideologie Drogenaufklärung mit Sekten-Broschüren von
*Name der Redaktion bekannt
Sonntagsblick, 18.09.2011, Sascha Schmid
Scientology sucht Kirche
Neue Zürcher Zeitung, 09. 09.2011
Rache-Manifest – Die Scientology-Kirche reitet eine Attacke gegen den «New Yorker»
Neue Zürcher Zeitung, 09.09.2011
Rache-Manifest – Die Scientology-Kirche reitet eine Attacke gegen den «New Yorker»
20min.ch, 23.10.2011
Neuer Tempel für Scientologen geplant – Scientology plant im St.-Johann-Quartier eine sogenannte Ideal Org einzurichten.
Berliner Zeitung, 11.10.2011, Frank Nordhausen
Der Leutnant, der Scientology mit Scientology bekämpft
HAMBURG. Ein reuiger Sünder ist Mark Rathbun nicht. Er fühlt sich mehr wie Frankenstein, der ein Monster schuf, das er nicht mehr kontrollieren kann, sagt er. Er sieht mit Schrecken das Ergebnis. Braun gebrannt sitzt der 54-Jährige in einem Hotel in Hamburg und erzählt von seiner Zeit bei Scientology. Mark Rathbun war einmal die Nummer zwei der Organisation, bis er vor sieben Jahren ausstieg. Jetzt ist er der größte Widersacher der Sekte und ihres Anführers David Miscavige. Er will, dass Schluss ist mit dem «Wahnsinn». Auf seinem Internet-Blog ruft er dazu auf, eine Petition an die US-Regierung zu unterzeichnen: «Wir fordern, dass das Justizministerium unverzüglich eine Untersuchung der Aktivitäten der Church of Scientology beginnt.» Anfang September war Mark Rathbun zu Besuch in Hamburg. Er kam, um öffentlich über Scientology zu reden. Um «auszupacken», wie das Ursula Caberta nennt, die Hamburger Sektenbeauftragte, die ihn eingeladen hatte. Caberta war für Rathbun früher so etwas wie der Teufel persönlich. Wenn er sich jetzt mit ihr trifft, dann ist das, als ob der Lieblingssohn des Mafia-Paten zum obersten Staatsanwalt geht, um reinen Tisch zu machen. Einerseits. Andererseits hat sich Mark Rathbun zwar vom «System Scientology» gelöst, aber nicht von Scientology. Er sagt: «Ich bin und bleibe Scientologe.» Er verdammt die Praxis, aber nicht die Ideologie des 1986 verstorbenen Sektengründers L. Ron Hubbard. Er ist ein Scientologe, der Scientology mit Scientology bekämpft. Ein befehlsgewohnter Mann, der umwerfend nett und ätzend arrogant sein kann. Einer, der von sich sagt: «Ich bin kein Opfer. Ich habe Dinge getan, die schlecht waren. Wer sich von mir geschädigt fühlt, soll kommen und mit mir reden. Viele haben das in den letzten zwei Jahren getan, und ich habe mich entschuldigt.» Geld regelt alles Während der vier Tage in Deutschland hat Rathbun enthüllt, wie eine verhältnismäßig kleine extremistische Gruppe die Außenpolitik des mächtigsten Staates der Welt beeinflussen kann. «Wir haben ein Problem mit Deutschland gehabt», sagt er, «und das haben wir in Washington geregelt – mit sehr viel Geld.» Immer wieder gerät er beim Reden über die «Church» unwillkürlich ins «Wir». «Wir sind in der Lage, einem Politiker Zehntausende Dollar zu spenden, ohne dass auffällt, woher das Geld kommt. Der Trick ist: Hunderte von Scientologen zahlen auf das Konto ein. Niemand weiß, dass es Scientologen sind.» Einsatz unbegrenzter Geldmittel – das ist der Schlüssel zu allem, sagt Rathbun. Er kann genau erklären, wie Scientology die Clinton-Regierung dazu brachte, im Ausland für sie Partei zu ergreifen. Vor allem in Deutschland, wo die Sekte seit 1997 vom Verfassungsschutz beobachtet wird und mehr als einmal über ein Verbot diskutiert wurde. Plötzlich wurde Scientology Gesprächsthema bei deutsch-amerikanischen Regierungstreffen; bis heute kritisiert das State Department die angebliche Diskriminierung von Scientologen in Deutschland. «Über die US-Konsulate wird Druck auf deutsche Politiker ausgeübt, um Kritiker zum Schweigen zu bringen», sagt Mark Rathbun. Wie das geht? «Mit Lobbyismus.» Als Scharnier zur US-Politik sicherte sich Scientology schon Ende der Achtzigerjahre die Dienste der bedeutendsten Washingtoner Anwalts-Kanzlei, Williams & Connolly. «Diese Kanzlei hat Bill Clinton in der Lewinsky-Affäre vertreten. Sie vertritt Tony Blair, Dick Cheney, Barack Obama. Alle Fäden laufen dort zusammen», sagt Rathbun. «Gewaltige Summen sind geflossen.» Und er verrät, wie reich Scientology wirklich ist: rund drei Milliarden Dollar. Knapp eine Milliarde in der Kriegskasse. «Clinton brauchte Geld für seine Stiftung», sagt Mark Rathbun. «Also hat er es gekriegt.» Die Lobbyarbeit der Sekte profitiert auch von ihren Hollywood-Stars. Tom Cruise habe Bill Clintons Telefonnummer gehabt und ihn mehrfach wegen Scientology angerufen, sagt Rathbun. «Ich saß neben ihm, als er mit Clinton telefonierte. Er traf sich auch mit Präsident Bushs Vizeaußenminister Armitage.» Rathbun sagt, die Prominenten öffneten in Washington viele Türen, weil jeder sich gern mit ihnen zeige. «Scientology schickte die Schauspielerin Ann Archer ins Oval Office, um Clinton zu sagen, dass die Nazis in Deutschland stärker werden. Die Fox-News-Moderatorin Greta van Susteren hat die halbe Clinton-Administration in Sachen Scientology-Diskriminierung in Deutschland instruiert.» John Travolta hätte ohnehin eine «direkte Kommunikationsleitung» ins Weiße Haus gehabt. Und das Ergebnis? «Die Kritiker wurden leiser, ein Verbot kam nie zustande.» Es war die Zeit, als David Miscavige 5000 Scientologen in Los Angeles zurief: «Die Macht unserer Gruppe ist größer, als ihr es euch überhaupt vorstellen könnt!» Rathbun sagt: «Wenn man sich anguckt, wer heute in den Kernressorts der Obama-Regierung das Sagen hat, so sind es wieder die gleichen Leute, in die die Church 15 bis 20 Jahre lang investiert hat.» Noch nie in der Geschichte von Scientology hat ein Abweichler die Sektenverbindung ins Weiße Haus so detailliert bezeugt. Es hat auch noch nie einen gegeben, der die Interna so gut kannte. Mark «Marty» Rathbun kam 1977 als junger Mann zu Scientology und blieb 27 Jahre, die meiste Zeit davon im innersten Führungszirkel. Miscavige vertraute ihm uneingeschränkt und machte ihn 1986 zum «Inspector General for Ethics», dafür zuständig, «Probleme zu bereinigen». Rathbun leitete Schmutzkampagnen gegen Kritiker ein und ließ prominente Abweichler fertigmachen. Er hat eingeräumt, dass er Beweismittel vernichtete, die Scientology gefährlich werden konnten. Er sagt: «Wenn du wissen willst, wie Scientology funktioniert, guck dir den ,Paten' Teil eins und Teil zwei an.» Beim größten Coup seiner Laufbahn besteht Rathbun allerdings darauf, dass alles legal gelaufen sei. 1993 wurde Scientology in den USA von der Steuer befreit. Vorher galt sie auch in Amerika als verrückte und gefährliche Sekte – und plötzlich war sie gemeinnützig, was ihr Hunderte Millionen Dollar ersparte und einen Zustand fast vollständiger Immunität einbrachte. Das Ziel sei mit «Unsummen von Geld» erreicht worden, sagt Rathbun. «Wir haben in Archiven nach Verfehlungen der Finanzbeamten gesucht. Dann brachten wir rund 2700 Klagen ein und legten die Steuerbehörde lahm – das zwang sie an den Verhandlungstisch.» Wegen seiner unbedingten Loyalität galt Mark Rathbun als «bester Leutnant» des Scientology-Generals Miscavige. «Wenn irgendwas zu regeln war, hieß es: Marty, mach du mal.» Rathbun kennt die tiefsten Geheimnisse, und Rathbun hat noch immer viele Freunde in der Sekte. Er war nicht nur ihr Vollstrecker, sondern galt auch als herausragender «Auditor» für Hubbards hypnoseähnliches «Auditing», das Kernstück der Scientology-Bewusstseinskontrolle. «Ich habe praktisch alle unsere VIPs auditiert: Tom Cruise, Kirstie Alley, Lisa Marie Presley, Isaac Hayes, John Travolta.» Deshalb lehnen ihn selbst hoch indoktrinierte Scientologen nicht von vornherein ab. Er spricht ihre Sprache. Er versteht ihre Furcht vor der Außenwelt. Er sagt, dass viele Scientologen die teure «Brücke zur totalen Freiheit» satthätten. Dass sie aber eine Brücke nach draußen suchten, die ihnen die Trennung ermögliche. Seit er sich gegen den Sektendiktator wendet, hat Rathbun es mit denselben Methoden zu tun gekriegt, die er selbst einst anwandte. Sein Auftritt in Hamburg war begleitet von Scientology-Störmanövern. Der deutsche Scientology-Sprecher Jürg Stettler griff ihn an: Rathbun sei ein «Münchhausen», der 2002 wegen «zahlreicher und weitreichender Verfehlungen innerhalb der Scientology-Kirche von allen Ämtern enthoben» worden sei. Damit sind andere Vergehen gemeint, als jene, über die er eigentlich Bescheid weiß, aber nicht redet. Befohlene Selbstmorde? «Hat es nicht gegeben.» Seltsame Todesfälle? «Wo sind die Beweise?» «Dafür war ich nicht zuständig», sagt er oft. Er muss befürchten, dass alles, was er sagt, auf ihn selbst zurückfällt. Die Polizei hätte ihn in Deutschland festnehmen können. Stattdessen wurde er von Scientology-Detektiven beschattet. «Wie von der Stasi», sagt er und lacht nervös. Er hat die Detektive gefilmt und die Videos auf seinem Blog veröffentlicht – markrathbun.wordpress.com ist seine Waffe im Feldzug, den er seit zwei Jahren gegen die Church führt. Mehr als vier Millionen Besucher hat er gezählt. Das macht der Scientology-Führung Angst. «Die Leute lesen den Blog, weil ich Hubbard nicht angreife», sagt er. Das gibt ihm die Chance, jene zu erreichen, die in der Blase leben, die eine Sekte bedeutet – und die sie abschirmt von Kritik und Medien. Mark Rathbun ruft ihnen zu: «Ihr braucht keine Organisation. Ihr braucht keine Gehirnwäsche. Ihr könnt Scientology mit viel weniger Geld betreiben.» Dabei wollte sich Rathbun, als er im Dezember 2004 ausstieg, einfach nur wegducken. Er hatte genug vom Terror in der Scientology-Führung. Er spricht von ungezügelter Gewalt und einem Umgangston wie bei einer Vorstadt-Gang. Davon, wie David Miscavige seine engsten Mitarbeiter anbrüllt, verprügelt und würgt. Wie er 80 Manager, praktisch das gesamte obere Management, seit Jahren in einer Baracke im «Internationalen Hauptquartier» in der kalifornischen Wüste gefangen hält. «Sie müssen auf dem Fußboden schlafen und immer wieder vor allen anderen ihre Verbrechen gestehen. Weil Miscavige sie zu Feinden erklärt hat.» Einmal meldete sich die Polizei, da schrieben die Gefangenen eidesstattliche Versicherungen: «Wir sind gerne hier. Es geht uns gut. Wir lieben David Miscavige.» Scientology bestreitet diese Vorwürfe. Von dem Gefängnis in der Wüste berichten indessen auch andere Abweichler. Dort gehe es zu wie in einem chinesischen Umerziehungslager, bestätigt Mark Headley, ein früherer Scientology-Manager aus Denver, der 2005 ausstieg und es vorher mit Rathbun zu tun bekam. «Ich wurde dort eingesperrt und sollte etwas gestehen, das einfach nicht stimmte. Rathbun verhörte mich stundenlang. Dann ging er mit mir vor die Tür und schlug mir mit aller Kraft in den Magen. Er fragte: Gestehst du jetzt? Und ich sagte immer noch: Nein.» Headley flüchtete kurz darauf mit einem Motorrad. Herrschaft oder Untergang Rathbun erzählt seine Fluchtgeschichte: «Ich musste meine engsten Mitarbeiter zusammenschlagen. Als Miscavige mir befahl, anzusehen, wie er meinen Freund Tom de Vocht misshandelte, ertrug ich es nicht, ging raus, setzte mich auf mein Motorrad und fuhr davon.» Drei Jahre lebte Rathbun im Verborgenen, bis ihm andere Aussteiger erzählten, dass alles immer schlimmer wurde. «Deshalb habe ich mich Mitte 2009 an die Medien gewandt. Ich hatte Angst, dass Scientology in einem Blutbad endet. Mein Alptraum: Miscavige befiehlt die letzten tausend Scientologen in die Wüstenbasis und lässt seine Garde dann mit Maschinengewehren alle niedermähen. Er ist ein Soziopath, er will die Herrschaft oder den Untergang.» Seit April werden Rathbun, seine Frau und ihre Besucher in ihrem Haus an der texanischen Golfküste von bis zu acht Scientology-Agenten rund um die Uhr observiert, gefilmt, geschmäht. Es sind Methoden, wie sie Rathbun einst selbst entwickelt hat. «Sie wollen, dass ich ausflippe», sagt er. «Natürlich habe ich Angst.» Es hat einen Anschlag auf ihn gegeben. Doch Rathbun ist ein harter Knochen. «Niemals verteidigen – immer angreifen», den Leitspruch Hubbards wendet er gegen die Hubbardisten. Er hat Zuträger überall, wo es Scientologen gibt. Er knüpft ein Netzwerk. In Hamburg hat sich Rathbun dargestellt als größter Feind von Scientology – und als ihr größter Bewahrer. Scientology sei gut, es sei nur von Miscavige verdorben worden, hat er gesagt. Er benutzte den Begriff «Kirche» für eine Organisation, die in Deutschland als faschistoid gilt. Er machte keinen Hehl daraus, dass er Ex-Scientologen auditiert und davon lebt. Vor allem sein Bekenntnis zu Hubbard hat viele irritiert. Schon im Vorfeld hatte es Ärger gegeben – wie könne Caberta einem aktiven Scientologen ein Forum bieten? «Ich will, dass das System und Miscavige stürzen», sagt Caberta. Es ist ein Drahtseilakt. Im Internet unterstellen manche dem Aussteiger, er wolle eine eigene Kirche gründen. Wie eine Art «Martin Luther von Scientology». Er selbst sagt, er wolle nichts von der Church. Nicht ihre Methoden, nicht ihre Immobilien, nicht ihr Geld. «Es sollte den Opfern von Scientology gegeben werden.» Am letzten Tag in Hamburg hat Rathbun zwei Dutzend Ex-Scientologen aus Europa um sich versammelt. Es ist ein Versöhnungstreffen. Die Ehemaligen drängen sich um ihn. Währenddessen erodiert der Konzern. Auf gerade noch 20000 Menschen schätzt Rathbun den harten Kern. «Ich gebe der Church noch drei Jahre», sagt er. «Aber das Counselling wird bleiben. Kleine Gruppen, die die Technologie trainieren. Scientology ohne die Church.» Es ist seine persönliche Tragik, nichts anderes gelernt zu haben als Scientology. Deshalb weicht er Fragen nach dem menschlichen Wert der Ideologie aus. War es nicht Hubbard selbst, der Menschen foltern und sie wochenlang einsperren ließ? Der befahl, Abweichler «zu vernichten»? Ist Miscavige nicht Hubbards Ziehsohn? Rathbun bricht das Gespräch ab. «Ich bin für L. Ron Hubbard!», ruft er. Ich werde ihn verteidigen bis zum Tod!»
Israelheute, 05.10.2011
Scientology-Schule eröffnet
derstandard.at, 03.11.2011
Berufungsprozess gegen Scientology gestartet
Der Anwalt der gegen Sekten ankämpfenden Organisation Unadfi, Olivier Morice, hofft, dass in dem bis zum 1. Dezember dauernden Prozess die «Methoden und Techniken» verurteilt werden, mit denen sich die Scientology-Bewegung an ihren Mitgliedern bereichert. Scientology sei ein «Unternehmen», argumentiert Morice. Dessen wichtigstes Ziel sei es, an das Vermögen seiner Anhänger zu gelangen. Der erste Prozess war durch die Strafanzeige einer Frau ins Rollen gekommen, die rund 20.000 Euro für Bücher, Medikamente und «Kommunikationskurse» der Organisation gezahlt hatte. Haft auf Bewährung Der Leiter des französischen Scientology-Ablegers, Alain Rosenberg, bekam eine zweijährige Haft auf Bewährung und 30.000 Euro Geldstrafe auferlegt. Vier andere Anhänger der Scientology-Bewegung erhielten ebenfalls Bewährungs- beziehungsweise Geldstrafen. Dagegen hatten sie Berufung eingelegt. Im ersten Verfahren hatte die Anklage auch die Auflösung der Scientology-Organisationen in Frankreich verlangt. Dies war aber unmöglich, weil im Mai 2009 – einige Monate vor der Urteilsverkündung – eine Gesetzesänderung verabschiedet worden war, die Sekten vor Auflösung schützte. Seither ermöglicht ein neues Gesetz zwar die Auflösung von sektenähnlichen Organisationen, die wegen Betrugs verurteilt wurden. Diese Neuregelung kann aber nicht rückwirkend und somit nicht auf die Scientology-Bewegung angewandt werden. Die 1954 gegründete Scientology-Bewegung gilt in den USA als Religion, in Frankreich wird sie hingegen als Sekte eingestuft. In Österreich ist Scientology weder eine anerkannte Religionsgemeinschaft noch eine eingetragene Bekenntnisgemeinschaft. Die Organisation beansprucht weltweit rund zwölf Millionen Mitglieder, davon 45.000 in Frankreich. Bekannteste Vertreter sind die Hollywoodstars Tom Cruise und John Travolta. (APA)
Sonntag / Mittellandzeitung, 11.12.2011
Basler Scientology-Hauptsitz verkauft
Tageswoche, 05.12.2011, Dani Winter
Scientology-nahe Gruppierung ködert Leute am Rümelinsplatz
Bis vor einigen Jahren war das Modehaus Rümelin bekannt wegen seiner Damenmode für grosse Grössen. Und wegen seiner Schaufenster zur Weihnachtszeit, die beim Schaufensterwettbewerb Prix déco der «Basler Zeitung» stets zu den Favoriten gehörte. In diesem Advent sind die Schaufenster nicht eben weihnächtlich gestaltet. Stattdessen stechen Plakate und Bildschirme mit reisserischen Slogans ins Auge: Sie werben für die Ausstellung «Psychiatrie – Tod statt Hilfe» der «Bürgerkommission für Menschenrechte» (Citizen Commission on Human Rights, CCHR). Nachdem die Betreiber der Ausstellung tagelang unbehelligt Flyer an Passanten verteilten, erhielten sie am Montagmorgen Besuch von der Polizei. Grund: Für das Verteilen von Werbematerial auf der Allmend fehlt den Organisatoren die Bewilligung. Kaum war die Polizei verschwunden, verteilten die CCHR-Leute ihre Flyer munter weiter. In der Ausstellung werden an Stellwänden und auf Bildschirmen einschlägige Informationen über das «Milliardengeschäft Psychiatrie» verbreitet, insbesondere gegen das Verschreiben von Psychopharmaka. Dass die CCHR selbst einen Sinn fürs Geschäftliche hat, zeigt der Umstand, dass die Filme auf DVD verkauft werden.
Verschleierte Nähe zu Scientology
«Wir stehen Scientology nahe, gehören organisatorisch aber nicht dazu», erklärt ein Mitarbeiter freimütig. Für weitere Auskünfte verweist der Mitarbeiter an den Veranstalter der Ausstellung, Felix Altorfer. Dieser stellt sich auf den Standpunkt, dass das Verteilen von Flyern für die Ausstellung keiner Bewilligung bedürfe. «Wir haben ein politisches Anliegen. Darüber zu informieren ist durch das Recht auf freie Meinungsäusserung gedeckt», erklärt er auf die Frage der TagesWoche, wieso seine Leute trotz polizeilichem Hinweis auf die fehlende Bewilligung weiterhin Flyer verteilten. Auch einen Hinweis auf die Nähe seiner Organisation zu Scientology findet er nicht nötig. «Wir sind eine unabhängige Organisation und viele unserer Mitglieder haben mit Scientology nichts zu tun.» Was Altorfer antreibt, stand unlängst in der «Basellandschaftlichen Zeitung» (bz) zu lesen. Diese bot dem «Menschenrechtler» in ihrer Ausgabe vom 3. Dezember reichlich Platz, um seine Ansichten zu verbreiten: «Psychiatrie ist eine Pseudowissenschaft» lautet eine Aussage, «In der Psychiatrie ist niemand gut aufgehoben» eine andere. Dass die ominöse «Bürgerkommission» Scientology nahesteht, erfährt man in dem bz-Artikel nicht. Und das, obwohl das Mutterblatt der bz, die «Aargauer Zeitung» im Februar diesen Jahres in einem ausführlichen Artikel über die Aktivitäten der CCHR berichtete. Damals war die Ausstellung in Baden, wo sie für ähnlichen Ärger sorgte wie jetzt in Basel.
CCHR sorgt nicht nur in Basel für Ärger
Im Juni sah sich die Zürcher Regierung veranlasst, in einer Antwort auf eine Anfrage der SP festzuhalten, keine Räume an Scientology vermieten zu wollen. Anlass für die Anfrage war die Vermietung der Alten Börse in Zürich an die CCHR für die Dauer von fünf Tagen. Die Zürcher Regierung erklärte die Vermietung mit dem Umstand, dass ihr der Zusammenhang zwischen CCHR und Scientology nicht bekannt gewesen sei. Ob sich der Besitzer der Liegenschaft Rümelinsplatz 1 bewusst ist, an wen er seine Räumlichkeiten vermietet hat, ist unklar. Die Liegenschaft wurde im Oktober 2006 von der Basler Klimson AG an die Shinma Holdings S.à.r.L. mit Sitz im luxemburgischen Schuttrange verkauft. Die Klimson AG besass das Gebäude während der Zeit, in der es das Modehaus Rümelin beherbergte. Scientology hat ihren Hauptsitz in Basel am Herrengrabenweg 56. Diese Liegenschaft soll zugunsten eines geplanten Kirchenbaus aufgegeben werden: Laut einem Bericht im «Sonntag» vom 30. Oktober plant Scientology im Hegenheimerquartier eine von vier «Ideal-Org»-Kirchen Europas. Neben dem Hauptsitz führt die Sekte eine Niederlassung an der Rebgasse 5. Auch am Claraplatz werden Leute offensiv von Scientology-Vertretern angesprochen und zu sogenannten «Persönlichkeitstests» eingeladen. Darauf angesprochen, erklärt Polizeisprecher Klaus Mannhart: «Das aggressive Werben von Scientology war früher ein grösseres Thema als heute.» Diesbezügliche Klagen habe es aber seit mehreren Jahren nicht mehr gegeben. Wer in Basel Informationsmaterial unter die Leute bringen will, braucht dafür die Bewilligung für einen Infostand von der Allmendverwaltung. Scientology und ihr nahestehende Organisationen wie die CCHR hätten aufgrund ihrer Aktivitäten ein klar begrenztes Kontingent erhalten. Die aktuelle Aktion falle nicht darunter. Das unbewilligte Verteilen von Flyern ist wiederum in der Strassenverkehrsordnung geregelt und fällt damit in die Zuständigkeit der Polizei.
yahoo-Nachrichten, 01.12.2011
Ehemaliges Scientology-Mitglied: Angeblich zwölf Jahre auf Schiff gefangen
Tagesanzeiger, 01.12.2011, Renaud Malik
Die Genfer Sklavin auf der Freewinds
Was verbirgt die Freewinds, diese Luxusjacht, die in der Karibik kreuzt und die Fahne der Scientologen hisst? Für die einen ist sie ein Ort für religiöse Einkehr und Studium. Für andere ist sie ein «schwimmender Vatikan», auf dem die Geheimschriften der Organisation versteckt sein sollen. Die Wirklichkeit könnte noch dunkler sein, wenn man Valeska Guiders Zeugenbericht vor ein paar Tagen auf dem amerikanischen Fernsehsender ABC glauben will. Die gebürtige Genferin erzählte dort, sie sei während zwölf Jahren an Bord der Freewinds festgehalten worden. Auf Anfrage der Zeitung «Le Matin» bestätigt die 34-jährige Ex-Scientologin mit Nachdruck: Sie sei 1996 gegen ihren Willen auf das Schiff gebracht worden, auf dem sie ein «Sklavendasein» führte bis 2007. Ein langer Leidensweg, der sie dazu brachte, endgültig die Organisation zu verlassen, der sie seit Kindsbeinen angehörte. Die Tochter von Scientologen Valeska war Scientologin seit ihrer Geburt. «Meine Eltern, Ariane und Jean-François, waren beide Mitglieder der Kirche. Ich habe gute Erinnerungen an meine ersten Jahre in Genf. Alles änderte sich, als ich sechs Jahre alt war, im Jahr 1983.» Die Eltern lassen sich scheiden, der Vater erhält das Sorgerecht und beschliesst, seine Kinder nach England zu schicken in ein scientologisches Zentrum mit Internat. Für Valeska beginnt damit ein Leben voller Frondienste: «Wir mussten arbeiten wie Dienstmädchen, meine Schwester und ich. Es war unerträglich.» Trost findet sie in den Ferien in Meyrin (GE) bei ihrer Mutter und deren neuem Ehemann, Albert Jacquier, einem reichen Genfer Scientologen. «Wir liebten die Zeit in diesem Haus, wo wir gut essen und in geheizten Zimmern schlafen konnten!» Trotz allem gewöhnt sich Valeska langsam an ein Leben, das der Scientology gewidmet ist. 1992 beschliesst sie, in die Sea Org einzutreten, eine Elitetruppe der Scientologen. Dazu unterzeichnet sie den berühmten «Vertrag für eine Milliarde Jahre», obligatorisch für alle Mitglieder. «Ich hatte immer gehört, der Sea Org beizutreten, sei ein Dienst an der Menschheit. Ich glaubte daran.» Auch in Clearwater ist sie billige Haushaltskraft Die 14-Jährige kommt nach Clearwater, in die Landbasis der Sea Org in Florida. Dort beschränkt sich ihre Aufgabe wiederum auf den Haushalt – waschen und bügeln vor allem – im Dienst der Führungskräfte. Ein Häftlingsleben? Vielleicht. Aber damals war Valeska noch einverstanden damit. 1996 ändert sich alles, als Valeskas Mutter öffentlich mit Scientology bricht und auf TF1 erzählt, wie ihr die Organisation ihre Kinder geraubt habe. Sie wird umgehend als «Antisoziale» geächtet. Trotzdem versucht sie, mit Valeska in Kontakt zu bleiben. Doch die Sea Org befiehlt der jungen Frau, sich auf der Freewinds einzuschiffen, um sie dem Einfluss ihrer Mutter zu entziehen. «Man sagte mir, es sei nur für zwei Wochen», erinnert sich Valeska. Bei ihrer Ankunft an Bord zeigt sie Widerstand. Sie bezahlt dafür, man teilt ihr harte Arbeiten zu und überwacht sie ständig. «Ich musste für den Schiffsunterhalt arbeiten und dann im Restaurant servieren. Ich arbeitete jeden Tag für 50 Dollar die Woche. Ich konnte das Schiff nur unter Begleitung verlassen und musste eine Erlaubnis einholen für jeden Ruhetag.» Manchmal, sagt sie, habe sie versucht, sich aufzulehnen. Aber Flucht war unmöglich: «Man hatte mir meinen Pass weggenommen, ich hatte kein Bankkonto. Ich war mitten im Nirgendwo, mit einem Wächter, der das Schiff überwachte. Ich wusste nicht, wo meine Eltern waren. Ich hätte nicht gewusst, wohin.» In der «Rehabilitation» lernt sie ihren Mann kennen Die Rettung kam durch ihre wiederholten Gehorsamsverweigerungen. Im Dezember 2007 schickte man sie nach Australien in einen «Rehabilitationsaufenthalt». Dort lernte sie ihren jetzigen Mann Chris kennen. «Wir haben heimlich geheiratet, im März 2009. Einen Monat später haben wir Scientology verlassen.» Heute lebt sie in Australien mit ihrem Mann und ihrem kleinen Jungen. Entschlossener denn je, die Öffentlichkeit über ihre Vergangenheit als «Sklavin» aufzuklären. Sie ist sich auch bewusst, dass ihr Zeugenbericht schwer wiegen kann in Prozessen gegen Scientology in Australien und Frankreich. Die Verantwortlichen der Organisation bemühen sich allerdings, ihre Aussagen herunterzuspielen. «Das ist ein Einzelfall», meint die Scientology-Sprecherin für die Westschweiz, Francine Bielawski. Ein Einzelfall, wirklich? Die Präsidentin des Interkantonalen Informationszentrums zu Glaubensfragen (CIC), Brigitte Knobel, weist darauf hin, dass weitere Fälle von Zwangsarbeit bei Scientology «der Justiz zur Kenntnis gebracht wurden». Valeska ist überzeugt, dass andere Gleiches erlebt haben. «Und ich werde alles tun, damit dies bekannt wird.»
2010
Berliner Zeitung, 29.01.2010, Frank Nordhausen
Die Bastion wankt – Viele Prominente in Hollywood sind Mitglieder von Scientology. Jetzt gehen die ersten
Der Standard, 24.01.2010
Helfen durch Handauflegen – Nach der Katastrophe kommt Scientology
Berliner Zeitung, 21.01.2010, Frank Nordhausen
SCIENTOLOGY Zweifelhafte Helfer
Auch andere Sekten oder Fundamentalisten nutzen die Katastrophe in Haiti zur Propaganda. So schickten auch Mormonen, Evangelikale und die umstrittene Hilfsorganisation Islamic Relief Mitglieder auf Hilfs-«Mission» nach Haiti.
Hamburger Abendblatt, 27.02.2010
Verwaltungsgericht weist Klage von Scientologen ab
Stern.de, 17.02.2010, Stefan Düsterhöft
Scientology-Aussteiger Lino Bombonato: Wenn Freunde zu Feinden werden
Eigentlich ist es nur ein Persönlichkeitstest auf der Internetseite von Scientology, der Lino Bombonato im Jahr 2003 neugierig macht. Nach seiner Stimmung wird der damals 15-Jährige da zum Beispiel gefragt, ob er gut schlafe und ob er zu Eifersucht neige. Der Schüler beantwortet die Fragen und gibt seine Kontaktdaten an. Wenig später macht er sich auf den Weg nach Düsseldorf: In der dortigen Scientology-Kirche will er sein Testergebnis erfragen. Steile Karriere bei Scientology Doch bei dem angeblichen Persönlichkeitstest bleibt es nicht. Die Scientologen wecken das Interesse des jungen Rheinländers – und begeistern ihn für eine Mitgliedschaft. Den Gedanken, sich selbst «weiterzuentwickeln», findet Lino Bombonato spannend. Deshalb beginnt er, Kurse der Düsseldorfer Scientology-Kirche zu besuchen. Kurz darauf legt er eine steile Sektenkarriere hin. Lino Bombonato fühlt sich bei den Scientologen geborgen und anerkannt. Die Sekte sei in dieser Zeit «wie eine Familie» gewesen, sagt er heute. Der junge Mann wird Mitglied des scientologischen Geheimdienstes, spioniert Kritiker aus und versucht, Demonstrationen von Sektengegnern zu stören.
Das Verhältnis zu seinen Eltern wird währenddessen immer schlechter. Lino Bombonato hält nur wegen des Geldes Kontakt zu ihnen – denn eine Scientology-Mitgliedschaft kostet. Weil sein Vater die Sekte aber ablehnt, kann Lino Bombonato innerhalb der Organisation nicht weiter aufsteigen. Eine letzte Chance, das zu ändern, scheint der Selbstmord. Die Scientologen haben Lino eingeredet, nach seinem Tod könne er in einer «besseren Umgebung», also mit Eltern, die selbst Scientologen sind, wiedergeboren werden. Selbstmordversuch misslingt Doch der Selbstmordversuch misslingt: Lino Bombonato wird rechtzeitig gefunden. Ans Aussteigen denkt der junge Mann trotzdem nicht. Erst seine Spionagetätigkeit öffnet ihm später die Augen: Zunächst chattet er nur mit Mitgliedern einer Anti-Scientology-Organisation, um sie auszuhorchen. Doch der Kontakt wird enger – auch zu Ursula Caberta, die den Hamburger Arbeitskreis Scientology leitet. Caberta beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Sekte und ist oft die erste Anlaufstelle für Aussteiger. Sie ist sich sicher: «Je jünger man ist, wenn man zu Scientology kommt, desto eher übernimmt man die Ideologie – und desto schwerer wird der Ausstieg.» So ist es auch bei Lino Bombonato: Er bleibt zunächst bei der Sekte, hält aber auch weiterhin Kontakt zu den Gegnern. Als die Scientologen das mitbekommen, muss Lino Bombonato sich vor den Sektenoberen in so genannten Ethiksitzungen rechtfertigen. Er wird dabei an einen Lügendetektor angeschlossen. Durch seine Gespräche mit einem Scientology-Gegner beschließt Lino Bombonato, bei dem Test zu lügen. Das Gerät erkennt die Lüge nicht. Lino Bombonato ist entsetzt – eigentlich hat er fest an die Funktionstüchtigkeit des Geräts geglaubt. Seine Zweifel an der Sekte werden größer.
Ein Freund verrät Lino Bombonato Er vertraut sich einem Freund an – doch der verrät ihn. Scientology verurteilt Lino Bombonato zu weiteren Ethiksitzungen. Ende Mai 2009 steht dann sein Entschluss fest: Der damals 22-Jährige will aussteigen. Persönlich geht er in die Scientology-Kirche, verkündet dort seinen Entschluss. Die Sektenmitglieder reagieren kalt – niemand scheint sich mehr für Lino Bombonato zu interessieren. «Das war eine bittere Erkenntnis. Die haben mich behandelt, wie jemanden, der mit einem Schlag nichts mehr wert ist», sagt der junge Mann heute. Und: «Ich wurde weg geschoben, als sei gar nichts gewesen.» Nach seinem Ausstieg steht Lino Bombonato vor dem Nichts: Er hat 8000 Euro Schulden bei der Bank, muss Kredite abbezahlen, die er aufgenommen hat, um seine Sektenmitgliedschaft zu finanzieren. Eine Ausbildung hat er nicht, die Schule hat er nach dem Hauptschulabschluss abgebrochen. Sieben Jahre seines Lebens sind verschenkt. Der Traum von einem normalen Leben Scientology hat Lino Bombonato fast alles genommen – in Ruhe lässt ihn die Sekte trotzdem nicht. Die Scientologen versuchen im Internet seinen Ruf zu ruinieren, setzen Persönliches gegen ihn ein. Lino Bombonato versucht dennoch, nach vorne zu schauen: Er will seine Schulden zurückzahlen. Und er will einen Beruf erlernen – am liebsten einen, in dem er anderen Menschen helfen kann. «Ein normales Leben führen», sagt Lino Bombonato, dass sei sein Wunsch.
Der Spiegel, 02.02.2010, Martin U. Müller
Fernsehfilm Operation Scientology
Berliner Zeitung, 31.03.2010, Frank Nordhausen
Triumph über Scientology
Berliner Zeitung, 31.03.2010, Frank Nordhausen
Angsteinflößend wahr – Die ARD zeigt einen ebenso spannenden wie aufklärerischen Film über Scientology
Der Spiegel, 25.03.2010, Michael Fröhlingsdorf
Scientology gegen ARD «Geschichten, die vorne und hinten nicht stimmen»
Tagesspiegel.de, 19.03.2010, Markus Ehrenberg
Scientology – Bis doch was bleibt – Strengste Geheimhaltung, Tarnname, Security: Ein ARD-Film über einen Scientology-Aussteiger
Es handelt sich um das mutigste Projekt der jüngeren Fernsehgeschichte. Der Film basiert laut Vorspann auf einer wahren Geschichte ehemaliger Mitglieder von Scientology. Erstmals wird dieses heikle Thema in Deutschland zu einem fiktionalen Stoff verdichtet und die Organisation beim Namen genannt. SWR-Fernsehdirektor Bernhard Nellessen wies darauf hin, dass Scientology seit 13 Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Um die Produktion von „Bis nichts mehr bleibt“ wurde monatelang ein großes Geheimnis gemacht. Alle Beteiligten mussten sich vertraglich zu Stillschweigen verpflichten. Der Film wurde unter dem Tarnnamen „Der Tote im Sund“ gedreht. Es wurden keine DVDs vorab versendet. Treibende Kraft war SWR-Fernsehfilmchef Carl Bergengruen – und die Nonstop-Rede von Tom Cruise, die der Hollywoodstar und bekennende Scientologe 2007 bei der Verleihung des Bambi, „Kategorie Mut“, gehalten hat. Von da an war Bergengruen, dem nach eigener Aussage als Student in den 80er Jahren von US-Scientologen die berühmten 100-Psycho-Fragen vorgelegt worden waren, laut eigener Aussage nicht mehr zu halten. Viel Applaus im ARD-Hauptstadtstudio. Auch für Team-Worx-Produzent Nico Hofmann, der daran erinnerte, wie aktiv Scientology gerade auch an Berliner Schulhöfen und Straßen unterwegs sei. Scientology soll geschätzt rund 5000 bis 6000 Mitglieder in Deutschland haben. Mit einem Spielfilm, so Bergengruen, könne man mehr Menschen erreichen als mit Dokus. Die Botschaft ist klar. „Bis nichts mehr bleibt“ erzählt, mit welch’ raffinierten Methoden es der Organisation immer wieder gelingt, Menschen psychisch und materiell von sich abhängig zu machen und, wie in diesem Fall, sogar eine Familie zu zerreißen. Wissensberichte, Rehabilitationszentren, der hermetische Scientology-Sprech, das Verhältnis zu Kindern – bei aller Fassungslosigkeit über die Methoden und die Duldsamkeit der Anhänger ist das eine über weite Strecken bannende Studie (Buch und Regie: Niki Stein), getragen vom Darstellerensemble um Felix Klare und Silke Bodenbender. Während der 90-minütigen Präsentation bei der ARD konnte man jede Stecknadel fallen hören. Die Story lehnt sich weitestgehend an die Geschichte des Scientology-Aussteigers Heiner von Rönn an, der auch unter den Zuschauern war. Das Unbehagen war mit Händen zu greifen. Tagesspiegel http://www.tagesspiegel.de/medien-news/Bis-nichts-mehr-bleibt-Felix… 1 von 2 18.03.2010 18:51 Nichts zu sehen vor Ort von Scientology. Nur eben die Mini-Demo von „Anonymous“, einer Gruppe von Scientology-Gegnern. Im Vorfeld war zu lesen, dass sich Scientology gegen den Aussteigerfilm wehren wolle. Die Organisation habe, so Bergengruen, permanent versucht, Details über das Projekt zu erfahren. Bislang galt der Stoff schon aus rechtlichen Gründen als unverfilmbar. Es schien nur eine Frage der Zeit, dass Scientologen Ausstrahlungen gerichtlich untersagen lassen würden. Scientology Deutschland kündigte für die nächsten Tage denn auch eine eigene Pressekonferenz mit „brisanten Hintergründen zu der geplanten ARD-Sendung“ an. Es sei dazu ein eigener halbstündiger Film produziert wurden. Das letzte Wort zu diesem Aussteigerfilm scheint wohl noch nicht gesprochen
jetzt.de, 08.03.2010, Marc Felix Serrao
Scientology wehrt sich gegen Aussteigerfilm der ARD
beobachter.ch, 05.03.2010, Thomas Angeli
Science-Fiction im Keller
Vertrauen einflössende Zertifikate und wohlklingende Auszeichnungen haben schon manchem Geschäft auf die Sprünge geholfen. Auf der Homepage der österreichischen Firma Aquapol ist beides zu finden. Das «Aquapol-Mauertrockenlegungssystem» kommt ohne Strom aus, funktioniert allein durch «Raumenergie», «Kapillarkräfte» und «Magnetokinese». Es kann ein europäisches Patent vorweisen, einen «EMV-Prüfbericht» vom TÜV-Rheinland, sein Erfinder Wilhelm Mohorn ist Träger der «Kaplan-Medaille für Grundlagenforschung» und noch vieles mehr. Mit einer grossen Publireportage auf newsnetz.ch warb Aquapol im Januar auch wieder einmal in der Schweiz. Sie könne «Aquapol auf jeden Fall weiterempfehlen», strahlte Barbara Weil aus Gunten BE darin: «Das Klima ist allgemein angenehmer und der Boden viel trockener.» Das Gleiche beteuert sie auch gegenüber dem Beobachter. Der derart gepriesene Apparat sieht erstaunlich unspektakulär aus, und auch das Innere gemahnt nicht an revolutionäre Technik: Ein paar Kupferkabel und Stangen, je nach Modell zwei parallel angeordnete grüne Scheiben, mehr ist da nicht. Aquapol vermeldet stolz 43'000 Häuser, die mit dem Apparat seit 25 Jahren trockengelegt worden seien. Nachprüfen lässt sich das nicht, und unabhängige wissenschaftliche Studien zur Wirksamkeit des Geräts gibts nicht. Aquapol zitiert in einer Stellungnahme an den Beobachter zwar die Professoren Karl Ernst Lotz und Josef Gruber, bloss: Beide sind im Vorstand der «Österreichischen Vereinigung für Raumenergie». Deren Präsident: Wilhelm Mohorn, Aquapol-Erfinder und -Vermarkter – und Freund der Scientologen (siehe nachfogender «Hintergrund»). Unabhängigkeit sieht anders aus. Eine Wirkung jedoch hat das Wunderding zweifelsohne – auf das Konto der Firma Aquapol und ihrer Franchisenehmer. 6000 bis 13'000 Franken kostet das Gerät. Michael Müller, Professor an der Hochschule Magdeburg-Stendal, der den Apparat im Auftrag des ZDF auseinanderschraubte, attestierte den Komponenten einen Materialwert von etwa 20 Euro. Aquapol verkaufe halt «keine Geräte zur Mauertrockenlegung, sondern eine umfassende Dienstleistung», lässt Erfinder Mohorn über seinen Mediensprecher ausrichten. Dazu gehören eine «umfassende Mauerwerksdiagnostik» sowie eine «Fülle von aussagekräftigen Messungen und Spezialdienstleistungen». «Vereinigung von Zauberkästchen-Bauern» Auch die Zertifikate und Auszeichnungen entpuppen sich als mehr Schein als Sein. Der EMV-Prüfbericht des TÜV bescheinigt lediglich die elektromagnetische Verträglichkeit, sprich: Aquapol, das keinen Strom benötigt, stört keine elektrischen Geräte. Auch das Zertifikat des «Europäischen Arbeitskreises für Mauerwerksanierung» taugt nach Aussage eines Fachmanns, der nicht genannt werden will, nicht viel: «Das ist eine Vereinigung von Zauberkästchen-Bauern, die sich gegenseitig zertifizieren.» Und ein Patent kann jeder anmelden, der etwas erfunden zu haben meint. Ob die Erfindung funktioniert, spielt keine Rolle. Fachleute, die nicht mit Aquapol verbandelt sind, bezweifeln die Wirkung des Geräts geradeheraus: «Das System kann keine entfeuchtende Wirkung entfalten», schreibt etwa das deutsche Fraunhofer-Institut für Bauphysik. Ähnlich sieht das Rainer Bunge, Professor für Umwelttechnik an der Hochschule Rapperswil: «Aus wissenschaftlicher Sicht steht fest, dass Aquapol weder funktioniert noch überhaupt theoretisch funktionieren kann.» Die Erklärung für die Wirkungsweise von Aquapol lese sich, «als ob jemand mit dem Zufallsgenerator über ein Physiklexikon gefahren wäre». Auch vom angeblichen «Gravomagnetismus», mit dem Aquapol funktionieren soll, halten die Forscher nicht viel: «Die gravomagnetische Energie wurde noch nie in einem wissenschaftlichen Versuch nachgewiesen», schreibt der Physiker Kolja Prothmann vom Max-Planck-Institut: «Die einzige mir bekannte Referenz bezieht sich auf die Science-Fiction-Serie ‹Mondbasis Alpha 1› aus dem Jahr 1977.» Hintergrund Viel Geld für Scientology Aquapol-Erfinder Wilhelm Mohorn erwähnt auf seiner Website stolz seine Mitgliedschaft im Bundessenat des honorigen «Senats der Wirtschaft» in Österreich. Wer sich dort erkundigt, erfährt Erstaunliches: Der Senat habe sich «aufgrund der zwischenzeitlich in Erfahrung gebrachten Aktivitäten für Scientologen von Herrn Mohorn und somit auch dessen Unternehmen» distanzieren müssen, sagt eine Sprecherin.Mohorn ist in der Scientology-Publikation «Impact» von 2006 als «Patron Meritorious» aufgeführt. Diesen Titel erhält, wer mindestens 100'000 Dollar gespendet hat. Mohorn will das nicht kommentieren. In der Schweiz wird Aquapol übrigens von der Firma Delphin Bürkli & Partner vertrieben – alte Bekannte in der Scientology-Szene: Der Beobachter berichtete schon 1995 von der Sektenzugehörigkeit der Inhaber.
merkur-online.de, 04.03.2010
Scientology-Aussteiger packen in der ARD aus
20Min., 01.03.2010
Neues «Abnehmprogramm» Schlank dank Kirstie Alley und Scientology
Bereits seit zwei Jahren habe Kirstie an Organic Liaison gearbeitet und sei dabei von den „besten Wissenschaftlern auf diesem Planeten“ unterstützt worden, heißt es. Sie schwöre vor allem auf den natürlichen Appetitzügler „Rescue Me”. Ach, übrigens steht im Kleingedruckten, dass Organic Liaison nur dann funktioniert, wenn man seine Ernährung umstellt. Am besten soll man nur noch Bio-Produkte essen. Und natürlich muss man dazu noch viel Disziplin haben und soll zum Sport gehen.
Leipziger Internetzeitung l-iz, 27.05.2010
Im Schatten des Weltkongresses: Sucht Scientology wieder eine Bühne in Leipzig?
hamburg.de, 20.05.2010
Vorsicht: Scientology-Werbung!
Da steht doch nur Dianetik dran, sind das wirklich Scientologen?“, fragte eine Urlauberin vor einem Informationsstand auf der Promenade am Ostseestrand. Das war im vergangenen Spätsommer. Zum Saisonbeginn 2010 schwärmen Hamburger Scientologen nun wieder aus. In den vergangenen Wochen waren sie bereits verstärkt im Hamburger Umland aktiv. In Glinde waren sich die Passanten am vergangenen Wochenende einig: „Dass es sich um einen Stand von Scientology handelt, ist nicht auf den ersten Blick zu erkennen.“ Doch es kam zu Protesten von wachsamen örtlichen Politikern. Sie klärten auf und warnten erfolgreich vor Scientology. Die Scientologen machten sich daraufhin frustriert und vorzeitig auf den Heimweg. „Freie Stress-Tests“ und „Dianetik“ sind Lockmittel der Scientologen. Zu ihren rot-gelben Infotischen gehören Dianetik-Bücher und ein „E-Meter» (Elektrometer): Ein Instrument, ähnlich einem Lügendetektor, mit dem Scientologen den „geistigen Zustand“ messen wollen. Zurzeit verläuft die Expansion der SO nicht erfolgreich. Daher verstärken ihre Mitarbeiter in Hamburg und in Norddeutschland ihre Werbeaktivitäten. Bücherstände mit einem kostenlosen Stresstest und dem sogenannten E-Meter können Neugier wecken. Das E-Meter ist ein Gerät mit einer Mess-Skala und zwei mit Kabeln angeschlossenen Blechdosen. Der interessierte Passant bekommt sie in die Hände gedrückt, und es werden sehr persönliche Fragen gestellt. Bei den Antworten oder manchmal schon zuvor schlägt ein Zeiger auf einer Skala des Gerätes aus. Das Ganze funktioniert durch Messung des Hautwiderstands wie bei altmodischen Lügendetektoren. Als Lügendetektor wird das Gerät tatsächlich auch unter Scientologen eingesetzt. An den Ständen der Scientologen hat das etwas Spielerisches und ist doch gefährlich, weil es ihr Geschäft ist, damit Interesse zu wecken, überzeugend zu wirken und somit neue Mitglieder zu gewinnen.
Mit wenigen gezielten Fragen werden Stress und alltägliche Probleme offenbar, die sogar die Nadel am E-Meter ausschlagen lassen. Das Gerät könne also unseren geistigen Zustand messen, wollen die Scientologen weismachen, und an dem gibt es naturgemäß immer etwas zu verbessern. Die Werber der SO wenden in der Folge das an, was sie intensiv trainiert haben: Sie agieren personenzentriert, freundlich und hilfsbereit, sie suchen nach Schwachpunkten, intern „Ruin Points“ genannt. Sie bemühen sich um eine Beziehungsebene und versprechen, dass Scientology Defizite beseitige und dass sich „Gewinne“ einstellen würden. Im Bewusstsein der umworbenen Personen sollen sich ihre Probleme nachhaltig mit der Hoffnung auf Hilfe durch die scientologische Technologie verknüpfen. Es kann mit einem umfangreicheren Test und mit sehr intimen Fragen weitergehen, einer Buchempfehlung, einem Kurs für Kommunikation oder für „Aufs und Abs im Leben“. Die Angebotspalette umfasst ein großes Spektrum. Es werden einfache Erklärungsmuster für persönliche Probleme offeriert, und unversehens öffnet sich ein Weg in eine Organisation mit totalitärem Charakter. Das Politische steht bei der SO nicht im Vordergrund. Erst wenn die Organisation die Gedanken und Handlungen ihrer Mitglieder kontrolliert und bei fortgeschrittenen Unterweisungen in der scientologischen Ideologie wird eine „Neue Zivilisation“ ausgerufen. Der freiheitlichen Demokratie wird ein scientologisches Modell gegenübergestellt, in dem nur noch Scientologen Rechte haben sollen. Von diesen eingeschränkten Rechten, dem Kontroll- und Bestrafungssystem in der Organisation kann der Passant, der sich neugierig einem freundlichen Scientologen und seinem Stress-Test aussetzt, nichts ahnen. Wer sich darauf einlässt, hat somit auch die Chance festzustellen, dass anschließend kaum noch etwas „frei“ in dem extremistischen Psychokult ist – weder die Gedanken noch die kostenintensiven weiteren Kurse.
Vorschau: SF 1 zeigt am Pfingstmontag, 24. Mai 2010, um 20.05 Uhr die ARD-Produktion «Bis nichts mehr bleibt». Direkt im Anschluss diskutieren unter der Leitung von Christine Maier in einem «Club Extra» zwei Scientologen mit Aussteigern und Kritikern über die Frage: Wie gefährlich ist Scientology?
Hamburger Abendblatt, 17.05.2010 Hinweis: für eine unbestimmte Zeit ist der Film und die anschliessende Diskussion in der Mediathek des ARD und Das Erste zu sehen. Beckmann, 29.03.2010, Scientology-Aussteiger sprechen über ihre Erfahrungen
Protestaktion in Glinde (Scientology) – Wir bleiben, bis die gehen
Hier die Links:
Stuttgarter Zeitung, 04.06.2010, Markus Heffner
Scientology will in Stuttgart expandieren
Das neue Domizil in der Cannstatter Reichenbachstraße ist gerade erst eingerichtet und bezogen worden, allzu lange wollen die Stuttgarter Scientologen aber offenbar nicht in dem dreistöckigen Bürohaus im Gewerbemischgebiet bleiben. «Wir haben das Ziel, in Stuttgart ein repräsentatives Gemeindezentrum aufzubauen. Aber nicht an diesem Standort», sagt Hubert Kech von der Scientology Gemeinde Baden-Württemberg. Der Umzug nach Cannstatt sei nur nötig gewesen, weil es in der Geschäftsstelle in der Hohenheimer Straße zu eng geworden sei. Um die «angemessenen Räumlichkeiten» zu finden, die ausreichend Platz für «Andachten, religiöse Feiern, seelsorgerische Betätigungen, Kursräume und ein großes Informationszentrum für die Öffentlichkeit» bieten sollen, will Scientology bereits in den nächsten Wochen Inserate schalten. Der Text für die Anzeige steht laut Kech schon: «Seit Jahren sind wir schon am Suchen und wollen jetzt endlich buchen», heißt es darin etwa am Anfang. Und auch ihre genauen Vorstellungen über Größe und Ort haben die Scientologen in Reime gefasst: «5000 Quadratmeter in der Mitte wäre unsere Bitte.» «Ideale Org» nennen die Scientologen solch eine repräsentative Niederlassung, bei den Verfassungsschützern und Politikern schrillen dabei die Alarmglocken. Sinn und Zweck so einer Repräsentanz sei, so der Grünen-Fraktionschef Werner Wölfle, «ökonomische und politische Seilschaften zu stärken». Um das zu verhindern oder zumindest zu erschweren, haben die Grünen jetzt einen Antrag gestellt. Darin fordert die Fraktion, dass die Stadt zunächst die angestrebte Nutzung der Räume in der Reichenbachstraße klärt und prüft, ob die notwendigen Genehmigungen vorliegen. Das von Scientology gemietete Gebäude liege im Sanierungsgebiet Veilbrunnen, für das die Stadt viel Geld ausgebe, so Wölfle. Die Grünen wollen außerdem, dass die Stadt ihre Aufklärungsarbeit über die Ziele der Sekte und ihrer Unterorganisationen verstärkt, damit kein Privater unwissentlich an sie verkauft oder vermietet. Mit Immobilieneigentümern und Vermietern, die sich aus reinem Profitdenken wissentlich mit Scientology einlassen und Verträge abschließen, soll die Stadt im Übrigen, soweit es das geltende Recht zulasse, keine geschäftliche Beziehung mehr unterhalten. Vor allem der zuletzt genannte Punkt ist für Werner Wölfle beim Kampf gegen die Machenschaften der Sekte von zentraler Bedeutung. So soll der Eigentümer des Bürogebäudes in der Cannstatter Reichenbachstraße, ein Professor für Betriebswirtschaft der Hochschule Heilbronn, der unter anderem in Stuttgart als Unternehmensberater arbeitet, wissentlich an Scientology vermietet haben, so Wölfle. «Wir wollen nicht, dass die sogenannte Scientology Kirche in Stuttgart ihre Ziele verwirklichen kann», betont der Fraktionschef. «Wer der Sekte dabei hilft, soll wissen, dass die Stadt das nicht vergessen wird.» Finanziert werden soll das neue Gemeindezentrum unter anderem von freiwilligen Spenden der Mitglieder von Scientology, wie deren Sprecher Hubert Kech sagt. Knapp 2000 Gemeindemitglieder gebe es in Baden-Württemberg. Viele hätten bereits eine freiwillige Spende geleistet und würden das auch weiterhin tun. Genaue Zahlen zum Spendenaufkommen nennt Scientology nicht. Das Innenministerium geht aber davon aus, «dass Scientology in den letzten Jahren alleine an ihrer Stuttgarter Basis fünf Millionen Euro eingetrieben hat.» Seit Anfang des Jahres, so der Innenminister Heribert Rech, sei die Spendeneintreibung nach einer Ruhephase wieder deutlich forciert worden. In Deutschland steht Scientology seit 1997 unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Das sei keine Glaubensgemeinschaft, sagt Werner Wölfle, sondern eine gefährliche Psychosekte, die ihre Mitglieder ausnimmt. Wer in ihre Fänge gerate, komme kaum mehr heraus. «Die Expansionsträume dieser Menschenfischer müssen zügig unterbunden werden.»
Stuttgarter Wochenblatt, 21.07.2010
Die unfassbare Gefahr – Scientology hat ein neues Domizil in Bad Cannstatt
Berliner Zeitung, 18.8.2010, Frank Nordhausen Doch mit dieser deutschlandweit einmaligen Hilfe für Scientology-Opfer ist es ab sofort vorbei. Still und heimlich hat der schwarz-grüne Hamburger Senat die international bekannte Arbeitsgruppe aufgelöst. Zum 1. September stellt sie ihre Arbeit ein, die Räume sind gekündigt, die Zukunft des Archivs ist ungewiss. Derselbe Senat, der für die Elbphilharmonie Millionen verpulvert, begründet das Aus für Cabertas Leute mit der vergleichsweise lächerlichen Einsparung von 140 000 Euro. Caberta darf zwar weiter „Öffentlichkeitsarbeit“ machen, die Beratung aber sollen Verfassungsschützer übernehmen. Doch die stehen niemandem auf dem Amt und vor Gericht zur Seite. Das Signal ist fatal: Der Staat lässt die Opfer der Gehirnwäsche-Sekte im Stich. Scientology hat lange auf diesen Tag gewartet.
Katastrophe für Scientology-Opfer
epd-Meldung Die Büroräume seien bereits gekündigt worden, bestätigte Behördensprecher Thomas Butter dem epd in Hamburg. Falsch sei jedoch, dass auch den Mitarbeitern gekündigt worden sei. Sie würden vielmehr an anderen Stellen der Verwaltung beschäftigt. Überdies werde die Aufklärungsarbeit über Scientology weitergehen. Die Beratung von Opfern werde künftig der Verfassungsschutz übernehmen. Auch Ursula Caberta, die sich mit ihrem Engagement gegen Scientology bundesweit einen Namen gemacht hat, werde als Ministerialreferentin in der Behörde weiter Aufklärungsarbeit über die in der Öffentlichkeit auch als Psychosekte benannte Organisation betreiben. Hintergrund der Umstrukturierung sei ein Beschluss des CDU-GAL-Senats, bei der Arbeitsgruppe 140.000 Euro jährlich einzusparen, sagte Butter. Der Hamburger SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Andreas Dressel bezeichnete den Senatsbeschluss als „verheerendes“ Signal: „Was Scientology nicht geschafft hat – Caberta kleinzukriegen – das macht nun der Senat.“ Dass der Hamburger Innensenator und designierte Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) erst ein bundesweites Verbot von Scientology fordere und dann ein Instrument im Kampf gegen diese Organisation beschädige, sei „an Absurdität nicht zu überbieten“, sagte Dressel. Caberta war am Dienstag nicht zu erreichen. Dagegen begrüßte der Hamburger Scientology-Sprecher Frank Busch das Ende der, wie er es nannte, „Steuergeldverschwendung“.
Hamburger Aufklärungsstelle zu Scientology wird umstrukturiert – Aufklärungsarbeit soll weitergehen
Berliner Zeitung, 17.8.2010, Frank Nordhausen Verheerendes Signal Butter sagte, die Entscheidung bedeute nicht das Ende der Arbeit von Frau Caberta. „Sie wird als Ministerialreferentin in der Innenbehörde für die Öffentlichkeitsarbeit über Scientology zuständig bleiben.“ Die Beratung von Opfern der Organisation werde zukünftig der Verfassungsschutz übernehmen. Unklar sei noch, wohin das Archiv der AG Scientology komme. Es handelt sich um eine weltweit einmalige Sammlung mit vielen Geheimdokumenten. Hintergrund der Maßnahmen sei ein Senatsbeschluss von CDU und Grünen, für die Haushaltskonsolidierung bei der AG Scientology 140 000 Euro jährlich einzusparen, sagte Butter. Ursula Caberta erklärt, sie äußere sich nicht zu dem Beschluss. Seit 1992 hat sie die Dienststelle geleitet, hat Dutzende Prozesse durchgestanden und Hunderte Aussteiger betreut. Erwartungsgemäß erfreut kommentiert der Sprecher von Scientology Hamburg, Frank Busch, das Aus für die Arbeitsgruppe: „Wir begrüßen es, dass die Steuergeldverschwendung in Hamburg damit endlich ad acta gelegt wird.“ Der Berliner evangelische Sektenbeauftragte Thomas Gandow beklagt den „Sieg für Scientology“. „Es ist zwar gut, dass die Beratung in Zukunft wie bei Rechtsradikalen und Islamisten der Verfassungsschutz übernehmen soll – allein mir fehlt der Glaube, dass das etwas wird.“ Wie Gandow spricht die innenpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Ulla Jelpke, von einem Skandal: „Frau Caberta hat verdienstvolle Arbeit geleistet. Die Schließung bedeutet freie Fahrt für Scientology.“ Und der Hamburger SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Andreas Dressel sagt: „Ich halte das für ein verheerendes Signal. Was Scientology nicht geschafft hat – Caberta loszuwerden –, das macht nun der Senat.“ Er schwäche damit den Staat gegenüber der Psychosekte. Dressel will prüfen, ob der Senat den einstimmigen Parlamentsbeschluss von 1992, die Arbeitsgruppe Scientology einzusetzen, einfach so zurücknehmen kann. Dressel hat kürzlich auch eine Kleine Anfrage im Landesparlament dazu gestellt. In der Antwort des Senats vom 6. August heißt es, die Gefährdungslage durch die vom Verfassungsschutz beobachtete Scientology-Organisation habe sich nicht geändert; doch wegen des „hohen Aufklärungsstandes in der Bevölkerung“ sei der Sparbeschluss vertretbar. Noch im April hatte der Hamburger Innensenator und designierte Regierungschef Christoph Ahlhaus (CDU) das bundesweite Verbot von Scientology gefordert. „Das ist an Absurdität nicht zu überbieten – der Senator denkt über ein Verbot nach und beschädigt zugleich ein Instrument im Kampf gegen diese Sekte“, sagt Dressel. Caberta fühlte sich schon lange von der Verwaltung nicht mehr unterstützt. Statt wie früher vier Planstellen hatte ihre Arbeitsgruppe zuletzt nur noch anderthalb. Sie wollte im Frühjahr 2009 schon von sich aus den Job hinwerfen.
SPD und Linke kritisieren Folgen des Sparbeschlusses – Hamburger Senat schließt AG Scientology
Berliner Zeitung, 15.09,2010, Frank Nordhausen
Ende eines Experiments
HAMBURG. Der lange Flur wirkt verlassen. Manchmal klingelt ein Telefon, aber nur kurz, weil sofort ein Anrufbeantworter anspringt. Ursula Caberta huscht von Raum zu Raum, als wolle sie ganz allein den Bürobetrieb simulieren. Acht Zimmer mit acht Computern auf acht Schreibtischen. Aber nicht einmal die Kaffeemaschine arbeitet mehr, es ist still geworden in den Büroräumen am Hamburger Hafen. So hat es die schwarz-grüne Landesregierung in den Sommerferien beschlossen. Am 31. August war der letzte offizielle Arbeitstag der Behörde, die sich „Arbeitsgruppe Scientology“ nennt. „Traurig“, sagt Ursula Caberta, die Chefin, die nun ganz allein ist. Dann lacht sie plötzlich und sagt: „Ich glaube eigentlich nicht, dass es das schon gewesen ist.“ Heute wird sich herausstellen, ob sie recht behält. Der Hamburger SPD-Innenexperte Andreas Dressel hat einen Abstimmungsantrag auf die Tagesordnung der Hamburger Bürgerschaft gesetzt, der den neuen Regierungschef Christoph Ahlhaus und die Abgeordneten von CDU und Grünen zwingt, sich zu entscheiden. Im Antrag heißt es: „Der Senat wird aufgefordert, die Arbeitsgruppe Scientology als eigenständige organisatorische Einheit zu erhalten.“ Andreas Dressel sagt: „Das Argument, man könne mit der Schließung 140 000 Euro jährlich einsparen, ist lächerlich. Die Einsparung beträgt nur einen Bruchteil der Kosten der von Ahlhaus eingeführten Reiterstaffel der Hamburger Polizei.“ „Alles fing mit Hoisdorf an“ Der neue Bürgermeister hatte möglicherweise die Popularität von Ursula Caberta in Hamburg unterschätzt – und als „zugewanderter“ Heidelberger nicht bedacht, wie geschichtsträchtig die weltweit bekannte Arbeitsgruppe Scientology ist. Denn als das Amt im Herbst 1992 gegründet wurde, geschah dies nach einstimmigem Beschluss der Bürgerschaft. Und es hatte viel mit Ursula Caberta zu tun. „Alles fing mit Hoisdorf an“, sagt die 60-Jährige und packt einen Stapel Papiere in eine Kiste. In Hoisdorf nahe Hamburg wollte ein Scientologe damals ein Sekten-Internat errichten. Dagegen wehrte sich eine Bürgerinitiative, deren Anliegen Caberta aufgriff. Sie war alleinerziehende Mutter, Bürgerschaftsabgeordnete der SPD und eigentlich für Ausländer zuständig. Damals kamen immer häufiger Hamburger Bürger in ihre Sprechstunde, die von Scientologen berichteten, die Mietshäuser aufkauften und die Bewohner mit schikanösen Methoden aus ihren Wohnungen vertrieben. Eine Protestbewegung entstand, die bundesweit mehr als 50 000 Unterschriften für einen Bundestags-Untersuchungsausschuss zu Scientology sammelte. Dazu kam es nicht, aber Caberta lernte in jener Zeit die ersten Aussteiger kennen; Menschen, die der Sekte oft erst nach vielen Jahren den Rücken kehrten, nicht selten unter Depressionen und enormen Schulden ächzten. Und sie erkannte die politische Brisanz des Themas. „Mir war schnell klar, das ist keine Religion, sondern eine totalitäre Organisation wie die Nazis, mit Führerkult und Herrenmenschentum.“ Die 1992 gegründete Arbeitsgruppe Scientology war ein politisches Experiment. Laut Beschluss der Bürgerschaft sollte sie die Machenschaften der Organisation dokumentieren und Handlungsvorschläge erarbeiten. Caberta überzeugte den Senat, die Behörde im Innenressort anzusiedeln. Man teilte ihr vier Planstellen zu, die sie unter anderem mit einem Volljuristen besetzte. Etwas Ähnliches hatte es in der Aufklärungsarbeit über Sekten in Deutschland noch nicht gegeben. „Das war ein Quantensprung“, sagt Caberta. „Erstmals wurde Scientology als innenpolitisches Problem behandelt. Als wirtschaftskriminelle Vereinigung.“ Als Amtsleiterin war Ursula Caberta die natürliche Wahl, auch wenn sie damals schon als schwierig galt. „Wenn Männer Charakter haben, nennt man sie stark“, sagt Caberta. „Bei Frauen sagt man, sie sind schwierig.“ Wenn heute die meisten Deutschen das Wort Scientology kennen, so hat das viel mit Ursula Caberta zu tun. Natürlich ist sie umstritten. Ihre Arbeitsgruppe war ein Juwel der Aufklärung für die einen, ein Hort der Religionsverfolgung für die anderen. Unbestreitbar war sie das erste und einzige staatliche Amt der Welt, dessen Aufgabe nur darin bestand, die Bevölkerung vor einer Sekte zu schützen – der amerikanischen Scientology- Organisation, die der Science-Fiction-Autor L. Ron Hubbard 1954 gegründet hatte. Ursula Caberta nimmt einen Aktenordner aus dem Regal im Flur, in dem Dutzende bunte Hubbard-Bücher stehen. „OSA – Office of Special Affairs“, steht auf dem Rücken. Der Name des Scientology-Geheimdienstes. Darin detaillierte Anweisungen, wie Kritiker von Scientology zu überwachen und einzuschüchtern sind. „Jahrelang bin ich von Detektiven ausgespäht worden. Sie haben Demonstrationen veranstaltet, haben mich verleumdet“, sagt Caberta. Ein Flugblatt verunglimpfte sie als „modernen Goebbels“; die Standardformel lautet, sie führe sich als „neuzeitliche Inquisitorin“ auf. Sie erhielt Morddrohungen. Auf Rat des Landeskriminalamtes wechselte sie ihre Wohnung. Sie blieb dennoch offen und zugewandt. „Wir sind zu den Aussteigern immer nett gewesen, auch wenn das nicht immer leicht war“, sagt sie und blickt auf den großen Tisch am Fenster. „Hier habe ich mit ihnen gesessen. Hier haben sie sich ausgeheult.“ Hilfesuchende aus aller Welt sind in den vergangenen 18 Jahren nach Hamburg gekommen. Sie kamen aus den Wohngemeinschaften und „Orgs“ genannten Filialen von Scientology, auch aus den „spirituellen Zentren“ in Florida und Kalifornien. Wann immer man Caberta besuchte in ihrem Büro, waren Menschen da, denen es dreckig ging. „Scientology ist wie eine Droge, und wer aussteigt, ist auf Entzug“, so hat Caberta es einmal ausgedrückt. Sie kümmerte sich wie eine Mutter um jeden, der kam. Es ist ihr zu verdanken, dass die Zahl der Scientologen in Deutschland deutlich unter 10 000 sank. Im August 2007 beispielsweise kamen ein 25-jähriger Mann und seine 14 Jahre alte Schwester, die Kinder der Berliner Scientology-Direktorin, die beide in der Sekte aufgewachsen waren. Das Mädchen hatte Angst, auf ein Scientology-Internat in Dänemark geschickt zu werden. Ursula Caberta nahm sie in den Arm, besorgte ihr eine Unterkunft, verhandelte mit dem Jugendamt. Am Ende gelang es ihr im Streit mit der Verwaltung nicht, dem Kind einen Platz in einer Hamburger Jugendeinrichtung zu sichern. Die 14-Jährige musste zurück nach Berlin. Caberta sagt: „Ich werde aber nie vergessen, wie ihre Augen leuchteten, weil sie mal nicht ununterbrochen an Scientology dachte.“ Umgehend wurde sie von den Scientologen verklagt, weil sie ihre amtlichen Kompetenzen überschritten habe. Caberta gewann den Prozess – wie meistens. In der Verwaltung aber nahm man ihr die vielen Verfahren übel, denn sie bedeuteten Ärger. Und genau darum dürfte es den Sektierern gegangen sein, getreu der Devise ihres 1986 verstorbenen Gurus Hubbard: „Prozesse führen wir nicht, um zu gewinnen, sondern um den Gegner zu zermürben.“ Caberta war ohnehin viel zu eigenwillig, um sich geschmeidig in die Bürokratie einzufügen. Seit dem 1. September nun findet eine Beratungstätigkeit nicht mehr statt. Es ist das eingetreten, was Scientology seit Jahren gefordert hat: die Auflösung der verhassten Behörde. Zur Schließung will Ursula Caberta sich nicht äußern. Ihre Arbeitsgruppe galt einmal als politisches Aushängeschild Hamburgs. Ihr Thema war seit Mitte der Neunzigerjahre immer wieder auf den Titelseiten. „Ich habe erreicht, dass beim Stichwort Scientology überall die Alarmglocken klingeln“, sagt Caberta. Es gab eine Zeit, da war sie berühmt – als weltweiter „Feind Nummer eins“ von Scientology. Als sie anfing, glaubte Caberta noch, dass ihr Job nach vier Jahren erledigt sein würde. Sie wurde eines Besseren belehrt. Ständig meldeten sich Aussteiger bei ihr, um Hilfe zu suchen, und sie brachten Unterlagen mit: Listen, Statistiken, geheime Anweisungen. Das mehrfach gesicherte Archiv der Arbeitsgruppe enthält die umfangreichste Sammlung über Scientology, die weltweit existiert. „Die Arbeitsgruppe war die einzige Stelle, die wirklich etwas gegen Scientology gemacht hat“, sagt der Berliner evangelische Sektenbeauftragte Thomas Gandow. Längst ist Scientology Cabertas Lebensthema geworden. Sie erreichte, dass die Geschäfte von Scientology in Deutschland einbrachen. Nach ihrer Vorlage entschied die Innenministerkonferenz 1997, die Sekte als „neue Form des politischen Extremismus“ vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen. Sie hat Bücher darüber geschrieben und immer wieder dargelegt, wie falsch die Behauptung ist, dass jeder selbst schuld sei, der dort lande. „Tausende Kinder, die in Scientology-Familien aufwachsen, haben keine Wahl, ob sie gehirngewaschen werden wollen oder nicht“, sagt sie. Nur ein Verbot von Scientology erreichte sie nicht. Dafür gelang es ihr, Führungskader in den USA herauszubrechen. Wenn Scientology in den letzten Jahren weltweit ins Straucheln geriet, so hat das viel mit Cabertas Arbeit zu tun. Legendär sind ihre Kongresse, bei denen Top-Aussteiger erzählten – von Gehirnwäsche, Folter, Sklavenarbeit. Doch die ständigen Anfeindungen aus der Sekte haben Cabertas Wahrnehmung geprägt. Sie hat immer härtere Worte für die „Extremisten aus Ami-Land“ gefunden. Vielleicht hat das Aus auch damit zu tun. Denn ihre kleine Arbeitsgruppe löste mehr als einmal transatlantischen Streit aus wegen der angeblichen Diskriminierung von Scientology in Deutschland. „Es gab immer Druck aus Washington, die Arbeitsgruppe aufzulösen“, sagt sie. Deshalb konnte sie es auch nicht leiden, wenn Journalisten Scientology als Verrücktheit abtaten, die man halt ertragen müsse. „Scientology bleibt gefährlich“, sagt sie. „Wo man mit der Aufmerksamkeit nachlässt, besetzen sie die Räume sofort.“ Trotz ihrer Erfolge blieb Caberta in der Hamburger Verwaltung ungeliebt. 2009 begann man, ihr die Stellen zusammenzustreichen. Im Februar 2009 schrieb die Bild-Zeitung, Caberta wolle hinschmeißen. Sie selbst wurde mit den Worten zitiert: „Zu meiner eigenen Hinrichtung äußere ich mich nicht.“ „Weiter ganz weit oben“ Ende 2009 entschied der schwarz-grüne Senat, den Personalbestand der Arbeitsgruppe „abzusenken“. Von Auflösung war noch immer nicht die Rede. Im Gegenteil, als die ARD im März den Aufsehen erregenden Spielfilm „Bis nichts mehr bleibt“ über Scientology ausstrahlte, forderte Hamburgs Innensenator und jetziger Erster Bürgermeister Christoph Ahlhaus überraschend das Verbot der „menschenverachtenden Organisation Scientology“ und bedauerte, dass man dafür „bisher nie eine bundesweite Mehrheit gefunden“ habe. Derselbe Christoph Ahlhaus verfügte dann die Schließung der Arbeitsgruppe. Später gerieten die Verantwortlichen im Hamburger Rathaus doch wieder ins Rudern. Ahlhaus’ Pressesprecher wiegelten ab: Caberta könne als Ministerialreferentin für die Aufklärung über Scientology zuständig bleiben. Bestätigt wurde, dass man ihr die Beratung entziehe und diese dem Verfassungsschutz übertrage. Ein Ahlhaus-Sprecher erklärte: „Die Bekämpfung von Scientology steht für den Hamburger Senat weiter ganz weit oben.“ Es ist Nachmittag geworden. Im leeren Bürotrakt der Arbeitsgruppe Scientology klingelt ein Telefon. Ursula Caberta nimmt den Hörer ab. „Haben Sie etwa den Eindruck, man könnte mir irgend etwas verbieten?“ fragt sie und lacht dröhnend. Dann legt sie den Hörer auf und sagt: „Ich finde mich erstaunlich fröhlich für die Situation.“
Domradio, 17.10.2010
London – Keine Steuerprivilegien für Scientology Quelle:
25.11.2010 Video Scientology
Neue Broschüre «Das System Scientology»
Neue Broschüre zu Scientology Innenminister Joachim Herrmann hat heute die aktualisierte Neuauflage der Broschüre “Das System Scientology – Fragen und Antworten” vorgestellt. “Scientology ist ganz eindeutig eine verfassungsfeindliche, menschenverachtende Organisation. Sie widerspricht klar wesentlichen Grundprinzipien unserer Demokratie.” Scientology sei ein überaus gefährlicher Wirtschaftskonzern mit verfassungsfeindlichen Bestrebungen. Die Organisation habe es vor allem auf den Geldbeutel der Menschen abgesehen und stelle auch eine große Gefahr für die Psyche ihrer Mitglieder dar. Herrmann: “Wir müssen alles unternehmen, um möglichst viele Menschen auf Distanz zu Scientology zu halten. Deswegen ist Aufklärung oberstes Gebot. Unsere Broschüre leistet hier einen wichtigen Beitrag. Die Broschüre ”Das System Scientology – Fragen und Antworten” klärt nicht nur über die verfassungsfeindlichen Ziele von Scientology auf, sondern macht in Fragen und Antworten die Methoden und Funktionsweise der Organisation transparent. Sie folgt damit einem übergreifenden Ansatz, der bundesweit einzigartig ist. Herrmann: “Entgegen den Selbstbeteuerungen ist Scientology ein internationaler Wirtschaftskonzern, der aber nicht nur nach Gewinnmaximierung strebt, sondern der auch ein weltweites Herrschaftssystem nach eigenen Vorstellungen errichten will. An die Stelle von Demokratie und Grundrechten soll ein totalitäres Herrschaftssystem treten, das auf Psycho- Technologien und der bedingungslosen Unterordnung des Einzelnen beruht.” Die Organisation sei aber auch eine Gefahr für den Einzelnen, der in ihre Fänge gerate. Die Broschüre ”Das System Scientology” kläre über die Organisation, ihre Ziele, ihre Methoden und ihre Gefahren auf. “Wer das System verstanden hat, kann die Gefahren richtig einschätzen und wird nicht mehr leichtgläubiges Opfer”, so der Innenminister.
SF1, Scientology.Sendung vom 15.11.2010
Tages-Anzeiger, 28.12.2010, Hugo Stamm
Scientologe erpresst Verzichtserklaerung der Eltern
Reutlinger General-Anzeiger, 26.12.2010
Rech warnt vor Scientology-Propaganda im Internet
swr.de, 26.12.2010
Rech warnt vor Scientology-Propaganda im Netz
Nürnberger Nachrichten 09.12.2010
Scientology muss nicht zahlen – Verein siegte vor Gericht im Streit um Ausgleichsabgabe
Nürnberger Zeitung, 02.12.2010
Scientology in Ansbach vor Gericht – Streit um Behindertenabgabe
2009
ignoranz.ch, 18.01.2009
Initiative ‘Jugend für Menschenrechte’: Scientology auf Menschenfang
Einsatz für die Menschenrechte, St. Galler Tagblatt, 20. Dezember 2005
Solidarität , Basler Zeitung, 13 Dezember 2005
Boswil Adventskonzert der Musikschule Boswil, Aargauer Zeitung, 8 Dezember 2004
schaufenster – Spielen Sau-Glatt, St. Galler Tagblatt, 6 July 2004
Damit hat die Aktion von Scientology ihr Ziel erreicht, Werbung für die Sekte machen, ohne deren Namen zu nennen. Und die Medien spielen das üble Spiel mit. Sehr clever…
Spiegel-Omline, 17.01.2009, Christian Fuchs
MENSCHENRECHTSINITIATIVE – Scientologen narren Uno und Politiker
Produziert und auf YouTube hochgeladen hat den Clip die Initiative «Jugend für Menschenrechte», deren Ziel es ist, «die Jugend auf der ganzen Welt über Menschenrechte aufzuklären und ihnen dadurch zu helfen, wertvolle Verfechter bei der Förderung von Toleranz und Frieden zu werden». Den Aktivisten gehe es darum, Jugendlichen klarzumachen, wie wichtig «Menschenrechte und religiöse Toleranz» seien. Darum haben sie unter anderem zu jedem der 30 Menschenrechte einen kleinen Erklärfilm hergestellt. «Jugend für Menschenrechte» wirkt auf dem ersten Blick wie eine unabhängige harmlose Jugendorganisation, fast wie ein offizielles Projekt der Vereinten Nationen (Uno). Bei genauerer Betrachtung entpuppt sich die Gruppe jedoch als Scientology-«Front Group» – als eine Art inoffizielle Unterorganisation. 2001 gründete eine US-Lehrerin die «Youth for Human Rights», ab 2005 ist die Initiative auch in Deutschland aktiv.
Ungefähr hundert Scientologen in Hamburg, Berlin, München, Stuttgart und Erlangen betreiben im Namen der Menschenrechte Propaganda für die umstrittene Glaubensgemeinschaft. So sieht das Ursula Caberta, die Sektenbeauftrage der Stadt Hamburg. Die Menschenrechtsjugend versuche «über ein positiv besetztes Thema Nachwuchs für Scientology zu werben und die Sekte damit hoffähig zu machen», sagt Caberta. Und Michael Zügel vom Landesamt für Verfassungschutz in Baden-Württemberg warnte: «'Jugend für Menschenrechte' ist eine Hilfsorganisation von Scientology. Die Propaganda soll suggerieren, dass sich Scientology für Menschenrechte und Demokratie einsetzen würde. Aber hinter 'Jugend für Menschenrechte' verbirgt sich eine Organisation, die die Demokratie verachtet und unbotmäßige Mitglieder häufig menschenverachtend behandelt.» Jugendgruppen umworben Unter dem Deckmantel der Menschenrechte werden also beispielsweise Unterschriften für eine Petition gesammelt, Menschenrechte als Unterrichtsfach in den Schulen zu lehren. Vergangenes Jahr versuchten Mitglieder von «Jugend für Menschenrechte» in München Jugendgruppen zu umwerben und luden Kinder zum «Tag der Menschenrechte» ein. Außerdem haben die verdeckten Scientologen einen Tanz choreographiert, mit dem sie in «Live-Performances» in deutschen Einkaufsstraßen für ihre Sache werben. Im Internet gibt es ein «Hip-Hop Musikvideo für Menschenrechte» und die Broschüre «Was sind Menschenrechte?». Das Büchlein wird im Verfassungsschutzbericht 2007 erwähnt und wurde laut Scientology bereits eine halbe Million Mal verteilt. In dem 36-seitigen «illustrierten Leitfaden für Kinder und Jugendliche» findet sich unter Zitaten von anerkannten Menschenrechtlern wie Martin Luther King oder Mahatma Gandhi auch ein Sinnspruch von L. Ron Hubbard, dem Gründer von Scientology. Mit dieser subtilen Gleichstellung versucht sich die Sekte aufzuwerten, kritisieren Sektenbeauftragte und Politiker. Michael Feiler vom Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz sieht die Aktivitäten als Teil einer «Expansionsstrategie», sagte er der «Süddeutschen Zeitung». Mit Erfolg, wie es scheint. Im Rahmen des 60-jährigen Jubiläums der Uno-Menschenrechtserklärung sind anscheinend selbst die Vereinten Nationen der Scientology-Kampagne aufgesessen. Bis Mitte vergangener Woche vertrieb der offizielle «United Nations Bookshop» die DVD «Youth for Human Rights» weltweit über das Internet. Das Video ist die Zusammenfassung aller 30 jugendgerechten Kurzclips zu den Menschenrechten, die auch im Internet zu sehen sind. Schon im vergangenen September veranstaltete «Youth for Human Rights International» einen Jugendkongress mit über tausend Teilnehmern aus 27 Ländern im Plenarsaal des Uno-Hauptquartiers. Der Gouverneur von Kalifornien, Arnold Schwarzenegger, und Prinz Albert von Monaco haben die vermeintlichen Menschenrechtler bereits öffentlich gelobt. Werbespots im deutschen Fernsehen Aber auch die Arbeit der deutschen Abteilung hat bereits Wirkung erzielt: Die Menschenrechtsspots liefen auf den Fernsehsendern DSF und Hamburg1, behauptet Sabine Weber von Scientology stolz. Auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE bestätigte der Münchner Sender den Vorgang. Googelt man in Deutschland den Begriff «Menschenrechte», dann erscheint die Scientology-Seite von «Jugend für Menschenrechte» – als drittes Suchergebnis hinter Wikipedia und Amnesty International. Vor allem Schüler und Lehrer haben bisher Videos und Broschüren bei der Initiative für den Unterricht bestellt, sagt Jürgen Heise von «Jugend für Menschenrechte». Im Januar scheint nun auch der erste deutsche Politiker auf die verdeckten Scientologen hereingefallen zu sein. Zum Auftakt seiner Neujahrsansprache zeigte der Bürgermeister der brandenburgischen Gemeinde Peitz, Bernd Schulze (parteilos), den Film zum zwölften Menschenrecht – nach eigenen Angaben ohne zu wissen, wer hinter der am Ende eingeblendeten Organisation «Jugend für Menschenrechte» steht. Mit der Sekte habe er aber nichts am Hut, sagte er der «Berliner Zeitung». Laxer Umgang mit Scientology Dieser laxe Umgang mit Scientology sei gefährlich, sagte die Sektenexpertin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Antje Blumenthal, SPIEGEL ONLINE. «Herrn Schulze scheint die Dimension der Scientology-Strategie gar nicht bewusst zu sein.» Die Hubbard-Jünger stellten sich als Verfechter einer guten Sache hin, um alle Kritiker als Verrückte zu diskreditieren, glaubt die Abgeordnete. Darum werde sie dem Peitzer Bürgermeister einen persönlichen Brief senden. Obwohl der «überwiegende Anteil» der Mitglieder Scientologen seien, sieht Jürgen Heise von «Jugend für Menschenrechte» keinen Zusammenhang zu der Sekte: «Im unserem gesamten Material finden Sie keine Werbung für Scientology.» Die Vorwürfe seien «einfach Bananas». Gleichwohl machte der Pressedienst der Scientology Kirche Bayern im August 2008 mit einer bebilderten Meldung auf eine Unterschriftenaktion der «Jugend für Menschenrechte» aufmerksam. Scientology-Sprecherin Sabine Weber, die die Kampagne vor ein paar Jahren noch selbst mit aus der Taufe gehoben hat, sagte SPIEGEL ONLINE: «Es geht bei der Initiative nicht um Scientology, sondern um Menschenrechte. Über 'Jugend für Menschenrechte' ist in Deutschland noch niemand Mitglied von Scientology geworden.»
openpr.de, 24.02.2009
CDU macht mobil gegen Scientology Politik, Recht & Gesellschaft Pressemitteilung von: CDU Spandau (openPR)
Die Christlich Demokratische Union (CDU) Spandau setzt sich für den Berliner Bezirk Spandau ein und ist in insgesamt acht Ortsverbände aufgeteilt. Hier werden die -oftmals vermeintlich kleinen- Probleme des Kiezes genauso besprochen wie die große Politik. Die Spandauer Ortsverbände bieten Ihren Mitgliedern und Interessierten regelmäßige Diskussionsrunden, Stammtische zu unterschiedlichsten politischen Themen sowie gesellige Veranstaltungen an. Vorsitzender der CDU Spandau ist der Bundestagsabgeordnete Kai Wegner. Die CDU Spandau stellt mit Heiko Melzer, Matthias Brauner und Peter Trapp insgesamt drei Mitglieder im Berliner Abgeordnetenhaus.
Schaffhauser Nachrichten 14.02.2009
Scientology wirbt mit Bock und Munot
schaffhausen Seit kurzem ist Scientology in Schaffhausen präsent, und bereits wirbt sie mit zwei Schaffhauser Wahrzeichen für ihr neues Zentrum: Auf einem Flyer, den die Organisation in der Altstadt zu Werbezwecken an Passanten verteilt, ist vorne ein grosses Farbbild des Munots zu sehen, auf der Rückseite ist das Schaffhauser Kantonswappen in achtfacher Ausführung abgedruckt. Juristisch lässt sich kaum gegen die Verwendung der beiden Symbole vorgehen, aber sowohl beim Kanton als auch bei der Stadt fällt die Beurteilung des Sachverhaltes eindeutig aus: «Wir sind alles andere als glücklich über die Verwendung des Wappens», sagt Regierungspräsidentin Rosmarie Widmer Gysel. Vonseiten der Staatskanzlei legt man der Organisation zudem nahe, künftig auf die Verwendung des Schaffhauser Wappens zu verzichten. Die Gefahr, dass es zu einer Verwechslung mit amtlichen Dokumenten kommt, erachtet man beim Kanton indes als gering. Auch Stadtpräsident Thomas Feurer reagierte auf die Werbeflyer verärgert. Besonders stossend empfindet er, dass sich eine solch «undurchsichtige Organisation» mit Identifikationsmerkmalen der Region schmücke. Seine Besorgnis über die Scientology-Aktivitäten hat der Stadtrat der Gruppierung bereits im Vorfeld der Zentrumseröffnung mitgeteilt.
berlinonline.de, 07.02.2009
Scientology beschert Leitstelle für Sektenfragen viel Arbeit
abendblatt.de, 12.02.2009
Scientology-Jägerin Caberta macht weiter
Die Hamburger Scientology-Beauftragte Ursula Caberta wird ihre Aufgabe weiter wahrnehmen. In der Innenbehörde werden aber intern Gespräche geführt, welche andere Aufgabe für sie infrage kommt, sagte Behördensprecher Thomas Butter. Caberta habe nach mehr als 16 Jahren den Wunsch geäußert, sich beruflich zu verändern. „Das ist zu respektieren.“ Butter wies Darstellungen zurück, Cabertas Dienststelle sei personell nicht gut ausgestattet. Die Stellenkapazität sei vor Monaten sogar noch ausgeweitet worden. Die Entscheidung, vorübergehend nicht besetzte Stellen wieder zu besetzen, sei längst getroffen worden.
abendblatt.de, 10.02.2009, Jan-Eric Lindner
Chefin der Arbeitsgruppe Sekten fordert mehr Unterstützung Scientology-Jägerin Caberta ist amtsmüde
Ursula Caberta, seit mehr als 16 Jahren Leiterin der Arbeitsgruppe Scientology (AGS) in der Innenbehörde, will ihren Job offenbar aufgeben. «Frau Caberta hat vor einiger Zeit signalisiert, dass sie sich nach 16 Jahren innerhalb der Hamburger Verwaltung beruflich verändern will. Darauf hat die Behörde in enger Abstimmung mit Frau Caberta reagiert», sagt Thomas Butter, Sprecher der Innenbehörde. Hinter den Kulissen aber brodelt es mächtig. Es soll um die Nachbesetzung von Stellen in der AGS gehen – und darum, dass die bundesweit renommierte Sekten-Expertin mangelnde Unterstützung seitens der Behördenleitung beklage. Ursula Caberta will sich offiziell zu den Vorwürfen nicht äußern. Sie bestätigt aber, dass es Gespräche über einen Wechsel innerhalb der Verwaltung gebe. Caberta: «Ich bin offen für etwas Neues. Mehr gibt es derzeit nicht zu sagen.» Allen Beteiligten, so heißt es in der Behörde, sei klar, dass ein Weggang Cabertas aus der AGS einschneidende Folgen haben könnte: Die Ex-Politikerin gilt als versierte Kennerin der Scientology-Machenschaften und anderer Sekten, hat internationale Kontakte und tritt in Diskussionsrunden und Talkshows als Speerspitze im Kampf gegen Psychosekten auf. Zahlreichen Aussteigewilligen hat sie geholfen, ein Leben außerhalb von Sekten oder dubiosen Vereinigungen aufzubauen. Dass die energiegeladene Buchautorin und Ex-Unterstützerin der Linkspartei einen «ruhigen» Job in der Verwaltung antreten wolle, halten Wegbegleiter für vollkommen ausgeschlossen. «Derzeit werden verwaltungsintern – immer in enger Absprache mit Frau Caberta – Gespräche geführt, die aber noch nicht abgeschlossen sind», so Butter. Laut «Bild» soll ein Wechsel in die Sozialbehörde im Raum stehen.
Caberta, die wegen ihres Kampfes gegen Scientology schon körperlich angegriffen wurde, unter anderem in den USA, mahnt nach Abendblatt-Informationen seit geraumer Zeit immer wieder eine bessere Personalausstattung ihrer Arbeitsgruppe an – bisher ohne greifbare Ergebnisse. Der SPD-Abgeordnete Andreas Dressel wirft der Innenbehörde deshalb Versäumnisse vor: «Der Psychokonzern Scientology hat es in mehr als 15 Jahren nicht hinbekommen, Frau Caberta zu zermürben. CDU-Innensenator Ahlhaus hat das aber offenbar in nicht mal zwölf Monaten geschafft.» Dressel will mit einer Kleinen Anfrage an den Senat die Hintergründe des möglichen Behörden-Wechsels in Erfahrung bringen. Caberta war zuletzt immer wieder für ein Verbot der Scientology-Organisation eingetreten. Ein Vorstoß, den Hamburg gemeinsam mit Bayern unternommen hatte, war allerdings in der Innenministerkonferenz abgeschmettert worden. Die Sektenbeauftragte der Bundesregierung, Antje Blumenthal (CDU), würde es nach eigenem Bekunden bedauern, wenn Caberta die AGS verließe: «Ich kann verstehen, dass man nach 16 Jahren neue Aufgaben sucht. Doch es wäre schade, wenn ihr Fachwissen verloren ginge.»
Allgäuer Zeitung, 27.03.2009, Stefanie Heckel
Kaum Handhabe gegen unerwünschte Infostände Gesetzeslage – Stadt konnte rechte Gruppierung nicht ablehnen
Solange damit aber nicht gegen das Gesetz verstoßen werde, könne so leicht niemandem ein Riegel vorgeschoben werden. Das habe sogar ein Gericht festgestellt. «Es ging um einen Stand von Scientology», erzählt Klaus. Diesen Stand ließ die Stadt verbieten. Die Organisation allerdings sei vor Gericht gezogen – und bekam Recht. Die Begründung: Bei legalen Organisationen (und dazu zählt Scientology) habe die Stadt keine inhaltliche Prüfung vorzunehmen. Der Infostand sei durch die freie Meinungsäußerung gedeckt. Deshalb habe man den Stand der Rechten nicht verbieten können. «Dabei haben wir sogar bezüglich des Plakatmaterials recherchiert. Das stammt von einer Jugendorganisation der NPD und ist damit nicht verboten», so Klaus. Und auch die Polizei – mit ihr arbeite man in solchen Fällen zusammen – habe keinen Verstoß feststellen können.
merkur-online.de, 16.03.2009
Fürstenfeldbruck – Das Jugendamt warnt vor dem Verein „Sag Nein zu Drogen, sag Ja zum Leben“,
newsclick.de, 13.03.2009, Michael Ahlers
Verfassungsschutz beobachtet Scientology
HANNOVER. Mit angeblichen Expansionsplänen in der Landeshauptstadt machte Scientology schon öfter Schlagzeilen. Der Verfassungsschutz sieht es gelassen. Erleuchtung sieht anders aus. In Hannovers Odeonstraße muss sich Scientology mit Räumen in einem tristen Häuserblock begnügen. Laufkundschaft, die man gewinnen könnte, gibt es dort nicht. Das Viertel liegt in Bahnhofsnähe und ist doch isoliert. SPD und Grüne haben hier ihre Büros, Drogenberatung und Verbraucherschützer auch. «Jede Kirche sucht weltweit größere Gebäude wie in Berlin und Hamburg», sagt Scientology-Mann Jürg Stettler aus der Münchener Vertretung der Organisation. Mit «Kirche» meint Scientology sich selbst. Und über die Räume in der Odeonstraße, laut Scientology rund 300 Quadratmeter, sagt Christine Richter von Scientology Hannover: «Das ist zu klein, wir haben viele Anfragen.» Dass Scientology nun gezielt Großgebäude an Ausfallstraßen sucht, weil im Zentrum nichts zu holen sei, bestätigt Stettler nicht. Konkrete Pläne gebe es nicht, längerfristig sei eine Veränderung aber schon ein Ziel, sagt er. Angebote gebe es, aber Makler wollten keinesfalls in die Schusslinie geraten. Der Verfassungsschutz wirft Scientology vor, ein totalitäres Herrschaftssystem durchsetzen zu wollen, im niedersächsischen Verfassungsschutzbericht ist der Organisation ein eigenes Kapitel gewidmet. Im Internet bietet der Verfassungsschutz zudem eine Telefonnummer für Aussteiger an. Scientology spricht von Diskriminierung, auch wenn Aussteigerberichte dem Ruf immer wieder verheerend schaden. «Man sieht und hört nach außen nichts», sagt Niedersachsens Verfassungsschutz-Präsident Günter Heiß über die aktuellen Aktivitäten von Scientology in Hannover. «Wenn die ein gutes Objekt in der Innenstadt finden, kann ich mir aber schon vorstellen, dass der eine oder andere Besucher da auch reingeht», sagt Heiß. Und das ist wohl keine Perspektive, die den Verfassungsschützern gefiele. In der großen Münchner Vertretung gibt man auch zu bedenken, dass Hannover ein kleiner Standort sei, mit Berlin oder Hamburg nicht zu vergleichen. So gesehen wäre ein repräsentativer Immobilienkauf, gelänge er denn, bestimmt ein besonderer Coup. «Die Pläne wurden bisher nicht umgesetzt», heißt es lapidar im jüngsten Verfassungsschutzbericht.
live-PR.com, 06.03.2009
Scientology jetzt auch in Argentinien als Religion anerkannt!
Bereits im Dezember 2008 wurde der Beschluss vom Generaldirektor des nationalen Religionsregisters Argentinien gefasst, Scientology in das Register für Religionen einzutragen. Er sieht die Scientology Kirche Argentinien damit im Einklang mit Artikel 14 der Verfassung des Landes. Darin ist das Recht jeder Person festgeschrieben, ihre Religion frei praktizieren zu können. Der Präsident der Scientology Kirche Argentinien wurde somit am 11. Dezember 2008 von der Registerbehörde darüber informiert, dass Scientology „ihren religiösen Charakter in der Vergangenheit und auch heute präsentiert“. Aus diesem Grund wurde die Scientology Kirche Argentinien in das Register für Religionen unter der Nummer 4.006 eingetragen. Argentinien ist ein weiteres Land, das die Scientology als Religion anerkennt. Zu den weiteren Ländern gehören Portugal, Spanien, Schweden, Italien, Slowenien, Kroatien, USA, Ungarn, Venezuela, Ecuador, Costa Rica, Brasilien, Philippinen, Indien, Australien, Neuseeland, Südafrika, Kanada, Kasachstan, Kirgisistan, Taiwan, Nepal, Tansania und Sri Lanka. Seit der Entscheidung vom 5. April 2007 des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, ist dies das vierte Land, das Scientology als Religion anerkennt. Im April 2007 entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dass die Scientology Kirche unter den Schutz der Religionsfreiheit fällt. Dieses Urteil ist rechtskräftig und für alle 47 europäischen Länder uneingeschränkt gültig. Der Leiter der Scientology Kirche Argentinien empfand diese Anerkennung als sehr wichtig und als einen großen Triumph für die internationale Religionsfreiheit. Diese Anerkennung wurde in der gleichen Woche gemeldet, als die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ ihren 60ten Jahrestag feierte. Die Scientology Kirche Argentinien hatte ihren Anfang im Jahre 1986. Das Interesse für die Dienste der Kirche und die religiösen Schriften des Stifters L. Ron Hubbard fand schnell großes Interesse. Bald darauf wurden die ersten Dianetik-Gruppen und Scientology-Missionen in der Hauptstadt Buenos Aires gegründet. Heute betreut die Hauptkirche in Buenos Aires 7000 Mitglieder, die verschiedene Dienste in Anspruch nehmen. Es gibt zudem Scientology-Gruppen in ganz Argentinien wie z.B. in Córdoba, Salta, San Juan, Ushuaia, Santa Cruz, Entre Ríos, Santa Fe, Rosario, usw. Außer der Kirche in Buenos Aires existieren zwei weitere Scientology Kirchen: eine in Stanta Fe und eine in Tucuman. Zwanzig Kilometer außerhalb von Buenos Aires, in San Isidro, existiert auch ein NARCONON-Center für Drogenabhängige. Das NARCONON-Selbsthilfeprogramm ist ein drogenfreies Langzeitkonzept, das sich seit Jahren weltweit bewährt hat. Es gibt Abhängigen die Chance, ein völlig neues Kapitel in ihrem Leben zu beginnen. Hier wird auch das erfolgreiche Entgiftungs-Programm von L. Ron Hubbard durchgeführt. „Scientology ist eine Religion im wahrsten Sinne des Wortes. Wir sind sehr glücklich darüber, dass wir nun im amtlichen Register für Religionen eingetragen sind. Dies war die einzige und richtige Entscheidung.“ teilte der Leiter der Scientology Kirche, Signore Libardi, der Presse mit.
rbb-online.de, 09.04.2009
Scientology eröffnet Büro in Berlin-Spandau
chiemgau online, 04.04.2009
Kein Platz für Scientology
sueddeutsche.de, 01.04.2009, Christoph Kappes
Nachhilfestudio in der Hand von Scientology
heiseticker.de, 29.05.2009
Wikipedia sperrt IP-Adressen von Scientology aus
Baseler Zeitung 25.5.09, Claudio Habicht
Flüchten Frankreichs Scientologen in die Schweiz?
AFP, 25.05.2009
In Tschechien öffnet angeblich Scientology-Grundschule
n-tv.de, 22.05.2009, Kerstin Löffler
Wegen Betrugs in Frankreich Scientology vor Gericht
Tages-Anzeiger 13.05.2009, Hugo Stamm
In der Rezession haben Sekten Hochkonjunktur
1.Scientology Scientology hat das umfassendste Heilsangebot, ein starkes Vereinnahmungssystem und vielfältige Missionsmethoden.
Um Scientology ist es relativ ruhig geworden. Trotzdem bleibt die amerikanische Organisation die unbestrittene Nummer eins unter den Sekten. Zentrales Merkmal sind die radikale Einbindung und Vereinnahmung der Anhänger: Mitglieder der scientologischen Elite-Einheit Sea-Org unterschreiben einen Mitgliedschaftsvertrag über eine Milliarde Jahre. Gleichzeitig erhalten Sektenanhänger einen Scientology-Pass, der gültig ist, «solang das Universum existiert». Elite-Scientologen sind also bereit, ihre Seele auf alle Ewigkeit zu verkaufen. Dabei arbeiten sie 60 bis 80 Stunden pro Woche für ein besseres Trinkgeld und rutschen in eine radikale Gegenwelt ab, in der Sciencefiction die Realität überdeckt. Scientology verlangt von seinen Anhängern eiserne Disziplin. Wenn die Welt nicht in nützlicher Frist scientologisch wird, ist sie dem Untergang geweiht, trichterte der 1986 verstorbene Gründer Ron Hubbard seinen Kolonnen ein. Dies koste Schweiss und Tränen. Und viel Geld. Die Spendenskala reicht bis zu einer Million Dollar. Alle rackern sich durch das verschachtelte, teure Kurssystem. Mit Psychotechniken und Therapien wollen sie unsterbliche Genies werden. In der Kunstwelt von Scientology ist selbst der Glaube eine Technologie. Schliesslich ist die Heilslehre geprägt vom Geist der Sciencefiction-Romane Hubbards. Der einstige Chef von Scientology Österreich, Wilfried Handl, erklärt, die Sekte habe ihn zum Zombie gemacht. Nach Hubbard muss die Welt scientologisch werden. Weltweit soll es fünf Millionen und in der Schweiz 5000 Anhänger geben. Das sind Propagandazahlen, denn Scientology stagniert seit ein paar Jahren.
2. Zeugen Jehovas Zeugen Jehovas ist eine der grössten Sekten, die flächendeckend missioniert und die Gläubigen entfremdet.
Die Zeugen Jehovas nannten sich einst ernsthafte Bibelforscher. Ernsthaft ist zumindest ihr Lebenswandel geblieben. Lebensfreude wird nicht zur Schau getragen, sie könnte Ausdruck satanischer Verführung sein. Ein Fest zum Geburtstag gibt es nicht, Rechtgläubige feiern nur Gott. Wer fremden Herren dient, verliert das Seelenheil. Deshalb leisten sie keinen Militärdienst und meiden politische Ämter. Der Gott der Zeugen Jehovas ist so übermächtig, dass er einen apokalyptischen Schatten auf die Welt wirft. Tatsächlich ist die Endzeit bei den Zeugen das Generalthema. Ihre Legitimation holten die Gründerväter Ende des 19. Jahrhunderts aus der Überzeugung des nahen Endes der Zeit, das sie aus der Bibel herleiteten. Gründer Charles Russell errechnete das Jahr 1914, seine Anhänger bereiteten sich mental auf den Tod vor – vergeblich. Die Zeugen verkündeten noch weitere apokalyptische Daten. Nun erklären sie wie andere Freikirchen auch, wir lebten «in den letzten Tagen». Tage, die nun schon Jahrzehnte dauern. Der Endzeitglaube stürzt viele junge Zeugen in einen Gewissenskonflikt. Sie überlegen sich, ob es sich lohnt, eine Ausbildung zu machen oder Kinder zu haben. Trotz der kapitalen Fehlprognosen entwickelten sich die Zeugen Jehovas zu einer grossen christlichen Glaubensgemeinschaft, die weltweit Millionen von Anhängern hat. Sie missionieren mit den Traktaten «Wachtturm» und «Erwachet». Die Zeugen Jehovas interpretieren die Bibel auf eigenwillige Weise. So auch das biblische Verbot, Blut zu sich zu nehmen. Deshalb verweigern sie Bluttransfusionen. Immer wieder sterben Gläubige deswegen. Erst kürzlich wieder eine 29-jährige schwangere Deutsche: Sie verblutete und liess das ungeborene Kind sterben.
3. Raël-Bewegung Der Wahn, den Menschen genetisch zu veredeln, und apokalyptische Ideen führen in eine Scheinwelt.
Die Anhänger der weltweit aktiven Ufo-Sekte flüchten in eine Fantasy-Welt, in der Sciencefiction zur Wirklichkeit umgedeutet wird. Was für Aussenstehende als Autosuggestion und Konditionierung erscheint, empfinden die Anhänger als spirituelle Metamorphose. Als Zaubermeister amtet der heute 62-jährige französische Autojournalist Claude Vorilhon (Raël). Die Wandlung begann 1973. Ausserirdische, Elohim genannt, besuchten den Kultgründer mit ihren fliegenden Untertassen und offenbarten ihm, sie hätten vor 22'000 Jahren genetische Versuche unternommen. Dabei sei irrtümlicherweise das Abfallprodukt Mensch entstanden. Um ihr Missgeschick zu korrigieren, erkoren sie Vorilhon als Retter. Er soll ihnen bei der genetischen Veredelung des dekadenten Homo sapiens helfen. Die Endphase der Mission begann an Weihnachten 2002. Die Anhänger verkündeten, das erste Klonbaby Eve sei geboren. Die Meldung ging um die Welt. Heute sollen fünf geklonte Kinder existieren, gesehen hat sie aber niemand. Trotzdem könnte es dem Klonlabor der Sekte bald gelingen, Embryos im Reagenzglas zu erzeugen. Der Guru träumt sogar von der Erzeugung künstlicher Intelligenz: «Das Leben in einem Computer wird möglich.» Raëls Todessehnsüchte erinnern an den Massensuizid der Sonnentempler. «Für die Elohim zu sterben, ist das Schönste, was es auf diesem Planeten gibt», schreibt er in der Zeitschrift «Apocalypse». Dabei erinnert er an den mutigen Tod der Urchristen in den Löwengruben der Römer. Die Juden würden es den Opfern der Gaskammern verdanken, dass sie heute friedlich in Israel leben könnten. Die mehreren Hundert Schweizer Raëlianer gehören zu den aktivsten Anhängern Vorilhons. Jährliche Treffen fanden mehrmals im Wallis statt, wo die Ufo-Anhänger nackt auf Bergwiesen herumhüpften. Der Guru hätte sich gern in der Schweiz niedergelassen, doch die Walliser Behörden verweigerten ihm die Bewilligung. Sexpraktiken und Klonen widersprächen der Bundesverfassung. Das Kantonsgericht hielt fest, die Sexualerziehung der Kinder könnte pädophile Akte begünstigen.
4. Universale Kirche Die Angst vor Handystrahlen und antisemitische Tendenzen führen zur radikalen Bindung an die Pseudokirche.
Die Universale Kirche (UK), auch Bruderschaft der Menschheit genannt, gehört zu den theosophischen Bewegungen. Guru Leach Lewis glaubt, auf medialem Weg spirituelle Botschaften von aufgestiegenen Meistern oder Avataren aus den kosmischen Sphären zu empfangen. Sein autoritäres Verhalten, der Absolutheitsanspruch und die antisemitische Geisteshaltung machen die UK zu einer Sekte mit erheblichem Gefahrenpotenzial. Mit ihrer Unterorganisation Weltfundament für Naturwissenschaften verbreitet sie Horrorvisionen jenseits religiöser Anschauungen. Wissenschaftler der Sekte behaupten, Handystrahlen und Mikrowellengeräte seien schlimmer als der Holocaust und würden Millionen von Opfern fordern. Die Schweiz ist die Drehscheibe des international tätigen Kultes. Wegen antisemitischer Aussagen («In ihrer satanischen Gier haben die Juden den 3. Weltkrieg angezettelt») wurden führende Mitglieder in der Schweiz verurteilt. Der 71-jährige Peter Leach Lewis, der zeitweise mit einer Einreisesperre belegt worden war, sieht sich als der wiedergeborene Jesus. Mitglieder der UK tauchen in eine radikale Schein- oder Gegenwelt ab, die geprägt ist von Verfolgungsängsten. Der Guru zeichnet irrationale Bedrohungsszenarien, um seine Anhänger von der realen Welt zu entfremden und an die Bewegung zu binden. Er verlangt bedingungslosen Gehorsam: «Seid ihr bereit, für euer Leben zu kämpfen? Seid ihr bereit, euer Leben für euern Mit-Chela zu geben?», schrieb er. (Mit-Chela bedeutet Glaubensbruder.) UK-Mitglieder versuchen mit vielfältigen Aktionen und Unterorganisationen, ihre Ideen in die Gesellschaft zu tragen. Sie bieten in Schulen Vorträge über den sinnvollen Umgang mit Handys an und geben die Zeitschrift «Zeitenschrift» heraus. Die Sekte hat vor allem auch bei höheren Kadern Erfolg. So zählen ein einflussreicher Manager, ein ehemaliger Rektor einer Mittelschule und ein bekannter Wirtschaftsanwalt dazu. Die Zahl der Mitglieder wird auf rund 2000 geschätzt. In der Schweiz dürften es etwa 500 sein. Das Zentrum für Europa ist in Luzern, der Kultsaal in Rotkreuz.
5. VPM Hunderte von Akademikern und Lehrern tarnen sich geschickt und beeinflussen die Schweiz auch politisch.
Vor sieben Jahren hat sich der Verein zur Förderung der Psychologischen Menschenkenntnis (VPM) aus taktischen Gründen aufgelöst, viele Anhänger sind aus Zürich in den Hinterthurgau geflüchtet. Um sich zu tarnen, haben sie zahlreiche Bürgeraktionen, Foren und Unterorganisationen gegründet. Nach dem Rückzug der VPM-Leute ins Tannzapfenland atmete Zürich auf. Die Psychosekte um die Führerin Annemarie Buchholz-Kaiser hatte viele Politiker, Behörden und Schulen mit ihren radikalen Ansichten und Aktionen auf Trab gehalten. Wer Kritik an ihren schul-, drogen- und realpolitischen Forderungen übte, wurde eingeklagt oder angezeigt. Verfolgungsängste und Weltschmerz trieben die VPM-Leute – meist Akademiker und Lehrer – in die Provinz. Angst vor Umweltverseuchung, atomarer Verstrahlung, Terrorismus und dem Dritten Weltkrieg schweissten sie zusammen. Wie zu Zeiten des Gründervaters Friedrich Liebling vor mehr als 40 Jahren treffen sie sich zu einer Art Massentherapie. Im Beisein der Chefin diskutieren bis zu 300 Anhänger in einem Saal in Sirnach psychologische und politische Grundsatzthemen. Jeder Besucher zahlt einen Obolus. Die Kasse führt nun nicht mehr der VPM, sondern Buchholz. Die Wühlarbeit geht weiter. Manche eidgenössische Abstimmung wäre ohne die VPM-Leute nicht zustande gekommen. Das jüngste Beispiel: Die Initiative «Volkssouveränität statt Behördenpropaganda» des unbekannten Vereins «Bürger für Bürger» war vor allem das Werk von VPM-Leuten. Als Propaganda-Vehikel dient die eigene Zeitung «Zeit-Fragen».
taz Hamburg, 22.06.2009, Uta Gensichen
Hubbard macht Schule
WERBEKAMPAGNE Die Hamburger Scientology-Kirche verschickt derzeit Briefe an Schulen. Darin lädt sie Religionsklassen zu einem Besuch ein. Die Innenbehörde ist alarmiert NDR Online-Nachrichten, 19.06.2009 Die Innenbehörde hat vor umfangreichen Werbemaßnahmen der Scientology-Organisation an Hamburger Schulen gewarnt. «Ziel dieser Kampagne ist es, die verfassungsfeindliche Lehre der Scientologen unter dem Deckmantel der Religions- bzw. Menschenrechtsdiskussion in den Unterricht einbringen zu können», teilte die Leiterin der Arbeitsgruppe Scientology, Ursula Caberta, am Freitag mit. In einem Schreiben an die Schulen bitte die Organisation um ein Gespräch und biete einen Besuch in der Scientology-Zentrale sowie kostenloses Unterrichtsmaterial an. «Scientologen wollen direkten Kontakt aufnehmen» «Die Scientologen verfolgen ihre übliche Strategie und wollen den direkten Kontakt aufnehmen, um so an die Menschen heranzukommen», sagte Caberta. Lehrer, Eltern und Schüler müssten sich jedoch klarmachen, dass hinter Scientology das verfassungsfeindliche Menschenbild des Gründers L. Ron Hubbard stehe. Der Organisation gehe es vor allem darum, Menschen abhängig zu machen und wirtschaftlich auszunutzen.
UTA GENSICHEN ÜBER DIE SCIENTOLOGY-WERBEAKTION
Lernen, kritisch zu sein
Scientology ist weniger eine Religionsgemeinschaft, als vielmehr eine intransparente Vereinigung von vielen, die sich von wenigen das Geld aus der Tasche ziehen lassen. Der Verfassungsschutz weist schon lange auf die totalitären Tendenzen hin, die sich in den Schriften der Scientologen ablesen lassen. Vom Verfassungsschutz beobachtet zu werden, heißt aber nicht zwangsläufig, eine Gefahr für die Demokratie zu sein. Solange Scientology hierzulande ihre so genannten Lehren verbreiten darf, können Kritiker zwar vor den Gefahren warnen – verbieten können sie die Auseinandersetzung mit Scientology dennoch nicht. Die eigentliche Frage bleibt demnach: Warum sollen sich Schüler nicht mit den Texten des amerikanischen Science-Fiction-Autors L. Ron Hubbard beschäftigen? Scientology hat nicht ganz Unrecht, wenn sie sagt, das trage zur freien Meinungsbildung bei. Wie sonst sollen junge Menschen zu Verfechtern der Demokratie werden, wenn sie die Argumente der Gegner nicht kennen? Natürlich dürften Lehrer solcherlei Literatur nicht unkommentiert stehen lassen. Schüler müssen kritisches Denken erst lernen. Sie wohlwollend von verfassungsfeindlichen Gedanken fernzuhalten, fördert nicht die Urteilsfähigkeit, sondern unhinterfragtes Ja-Sagen. Und nichts schadet der Demokratie mehr als das.[/showhide]
Hamburg- Innenbehörde warnt vor Kampagne von Scientology
Zürcher Oberländer, 16.06.2009
Scientology im Coop
KNA-Basisdienst vom 16.06.2009
Frankreich: Staatsanwaltschaft fordert Auflösung von Scientology
Der Westen, 04.06.2009, Silke Hoock und Jürgen Polzin
Verfassungsschutz Scientology schleicht sich in Firmen ein
Neue Masche von Scientology
Tages-Anzeiger, 27.07.2009, Hugo Stamm
Scientology-Kritiker von Polizei empfangen
Zürich. – Die von Scientologen organisierte Bürgerkommission für Menschenrechte (CCHR) besass für den vergangenen Samstag die Bewilligung, einen Informationsstand vor der Pestalozzi-Wiese zu betreiben. Scientologen haben darin Erfahrung, man trifft sie doch über zwei Dutzend Mal pro Jahr an der Bahnhofstrasse oder an andern Orten der Stadt.Für die Aktivisten von Anonymous (siehe Kasten) ist dies ein Affront. Die Sektenkritiker verstehen nicht, dass Scientologen auf öffentlichem Grund werben dürfen. Deshalb wollten sie am Samstag die Passanten mit Transparenten und Flugblättern warnen und sie darauf aufmerksam machen, dass hinter CCHR Scientologen stecken. Die Überraschung der AnonymousAktivisten war aber gross, als sie auf der Bahnhofstrasse eintrafen. Der übliche Infostand mit der Aufschrift «Psychiatrie zerstört Leben» von CCHR war nirgends zu sehen. Hatten die Scientologen die Kundgebung geahnt und deshalb den Stand nicht aufgestellt, fragten sich die Demonstranten. Nach kurzer Beratung entschloss sich die kleine Anonymous-Gruppe, den Protest vor das Scientology-Zentrum in Albisrieden zu verlegen. Als sie dort in die Freilagerstrasse einbogen, wurden sie zu ihrer Überraschung von Polizisten und einem hochrangigen Scientologen empfangen. Die Vermutung der Anonymous-Leute schien sich zu bestätigen, dass sie an der Bahnhofstrasse beobachtet und danach überwacht worden waren. Die Polizisten verlangten die Ausweise der Demonstranten und gaben die Daten per Funk an die Zentrale weiter. «Wir kennen das Prozedere von Demos aus andern Städten», sagte eine Aktivistin, zückte ein Papier und gab es einer Polizistin. Es war die Bewilligung der Polizei, die es den Anonymous-Aktivisten erlaubte, mit Masken zu demonstrieren. Als die Polizisten abzogen, ohne Sanktionen zu ergreifen, verstand der Scientologe die Welt nicht mehr. «Sie nehmen uns ernst und fürchten uns», stellte ein Aktivist zufrieden fest und verschwand.
Tages-Anzeiger, 27.07.2009
Anonymous bleibt am Scientologen Tom Cruise dran
Deutschlandradio, 24.07.2009
Caberta: «Das kann das Ende von Scientology bedeuten»
Caberta sieht Scientology in Bedrängnis (hier ein Blick auf den Eingang des Hauptquartiers der Organisation) in Berlin
Ursula Caberta im Gespräch mit Ulrike Timm
Die Scientology-Kritikerin Ursula Caberta sieht in den jüngsten schweren Vorwürfen zweier früherer Top-Scientologen eine besondere Brisanz. «Es packen aus die rechte und die linke Hand des Bosses», sagte Caberta.
Ulrike Timm: Und darüber wollen wir sprechen mit Ursula Caberta. Sie leitet die AG Scientology in Hamburg und ist eine der weltweit schärfsten Kritikerinnen der Organisation. Schönen guten Tag!
Ursula Caberta: Tag!
Timm: Frau Caberta, das sind zwei Führungskräfte des innersten Kreises, die da auspacken, das hat zweifellos besondere Qualität, aber erläutern Sie uns bitte mal genauer: Wer packt da aus?
Caberta: Es packen aus die rechte und die linke Hand des Bosses David Miscavige, also dem Führer von Scientology weltweit. Die beiden waren praktisch die linke und die rechte Hand dieses Menschen, und das schon ein paar Jahre, sind auch mit ihm groß geworden in der Organisation, sind also nicht zufällig in den Funktionen, in denen sie waren, und insofern hat das eine besondere Brisanz.
Timm: Und welche Bedeutung hatten die beiden für Scientology als Funktionäre?
Caberta: Also der Mark Rathbun, der eine, der auch am meisten erzählt bisher, war verantwortlich für die internationalen Finanzen eine ganze Zeit, war aber auch so etwas mehr so der Troubleshooter von dem David Miscavige. Immer, wenn irgendwo was querlief, denn wurde der eingesetzt. Es gibt Aussagen von ihm, dass er auch, als Tom Cruise, also das Aushängeschild von Scientology, sich mal absetzen wollte, eingesetzt wurde, ihn wieder einzufangen und Ähnliches. Also das ist schon eine der bedeutendsten Personen dort gewesen.
Timm: Mark Rathbun hat ja als Finanzchef durchgesetzt, dass Scientology als Kirche in den USA steuerbegünstigt ist. Es geht also auch um Geld, wenn er jetzt über Betrug redet. Heißt das im Umkehrschluss, ohne ihn wäre Scientology in den USA keine anerkannte religiöse Bewegung, sondern ein schlichtes, etwas obskures Unternehmen?
Caberta: Na ja, das ist auch so ganz nicht richtig, sie sind in den USA nicht als Religionsgemeinschaft anerkannt, das gibt's in den USA ebenso wenig wie woanders, sondern sie sind steuerbefreit, also ein gemeinnütziger Verein, was aber an den politischen Auswirkungen nichts ausmacht. (…) war dafür mit zuständig, und David Miscavige, also die beiden, haben die ganzen Sachen mit der US-amerikanischen Finanzbehörde geführt, haben das durchgesetzt, und darüber plaudert er jetzt, dass das zustande gekommen ist dadurch, dass sie Beamte und Mitarbeiter der US-amerikanischen Finanzbehörde mit Klagen und sonst was überzogen haben und es dann einen Deal gab: Wir ziehen unsere Klagen zurück – Tausende von Klagen, es waren nicht ein paar – und dafür kriegen wir die Gemeinnützigkeit, also die Steuerbefreiung.
Das hat also nichts damit zu tun, dass das in irgendeiner Form irgendetwas Weltanschauliches oder Religiöses ist, war schlicht und ergreifend ein Deal, damit das Finanzministerium endlich Ruhe vor diesen Attacken von Scientology hat. Und dass er das jetzt erzählt, ist natürlich viel Wert, weil aus dieser Steuerbefreiung sich ganz viel politischer Druck aus den USA ergab.
Timm: Beide sind aber schon vor längerer Zeit ausgestiegen, und man muss kein Freund von Scientology sein, um zu vermuten, dass da persönliche Rechnungen offen waren und jetzt heftigst nachgetreten wird. Sind beide vollkommen glaubwürdig?
Caberta: Natürlich, wobei Mike Rinder natürlich noch viel mehr. Natürlich sind sie glaubwürdig, alle Aussteiger aus Scientology sind glaubwürdig, und mit offenen Rechnungen hat das auch nichts zu tun, sondern die beiden sind einen Weg gegangen, den schon viele vor ihnen gegangen sind. Es sind auch früher schon Führungspersonen ausgestiegen, allerdings nicht die rechte und die linke Hand des Bosses, das macht die Brisanz noch mal deutlich.
Und der Mike Rinder war ja der oberste internationale Geheimdienstchef von Scientology, der ja auch einiges erledigt hat für die Organisation, an Kritikerbekämpfung und Verfolgung von Aussteigern. Insofern ist das nicht irgendwer. Die sind glaubwürdig, die sind absolut glaubwürdig, wie alle Aussteiger mit ihrer Geschichte, die sie in Scientology erlebt haben, immer glaubwürdig waren.
Timm: Welche Folgen hat denn dieser Krach für Scientology?
Caberta: Also im Moment ist es so, dass in den USA dadurch, dass sie auch gesprochen haben, öffentlich gesprochen haben – das machen ja nicht alle, viele haben ja auch Angst vor den Repressalien, die dann Herr Miscavige mit seinen Truppen anlegt, und sagen lieber nichts. Die beiden sprechen jetzt öffentlich auch in den USA. Das kann das Ende von Scientology bedeuten, wenn das in den USA aufgenommen wird und auch die US-amerikanischen Behörden sehen, dass das, wenn die beiden Führungskräfte reden, vielleicht doch nicht das so ne harmlose Truppe ist, wie das in den letzten Jahren von den Vereinigten Staaten immer dargestellt wurde.
Timm: Deutschlandradio Kultur, das «Radiofeuilleton», im Gespräch mit der Scientology-Kritikerin Ursula Caberta. Frau Caberta, wenn zwei Ex-Führungskräfte Scientologys offenbaren, was immer vermutet wurde, aber schwer zu beweisen ist – es gibt Gewalt, es geht um Geld, das ist letztlich der Kern -, schwächt das Scientology auch über die amerikanischen Grenzen hinaus?
Caberta: Ja natürlich. Außerdem, also was die beiden erzählen, dass Miscavige seine Leute prügelt und dass sie auch von ihm geschlagen worden sind, also Gewalt als Repressalie an der Tagesordnung ist vom obersten Boss, das macht natürlich kein gutes Bild, auch nicht in den USA. Und sie berichten ja auch, dass sie selber auch geschlagen haben, weil das sich von oben nach unten fortsetzt. Also das wirft ein Bild auf Scientology, was für viele, die sich mit Scientology auseinandersetzen, jetzt nicht überraschend ist, aber in der Dramatik, wie die das schildern, dass sie auch in Wasser geschmissen worden mit vollen Klamotten und mit nassen Klamotten dann da rumlaufen mussten und Ähnliches, das hat ja voll da ähnliche eben Ausmaße, die da stattfinden, und zwar auch bei den Führungskräften. Das wirft natürlich ein Bild auf Scientology, was bisher vor allen Dingen in den USA in der Öffentlichkeit so noch nicht diskutiert wurde.
Timm: In Deutschland tritt Scientology ja als sehr smarte Organisation auf. Welche Strategie wird denn aktuell in Deutschland verfolgt, um wen wird vor allem geworben?
Caberta: Scientology wirbt immer um alle, also die nehmen jeden. Sie haben die verschiedensten Abteilungen, die zuständig sind. Das World Institute of Scientology Enterprises, der Wirtschaftsarm, die sind für die Wirtschaft zuständig, um über Kommunikationsberatung, Unternehmensberatung die Leute und damit auch die Firma in die Organisation zu ziehen.
In Hamburg haben wir ja im Gegensatz zu Berlin keine Straßenwerbung mehr, also das sogenannte «raw meat», rohe Fleisch, so heißen in der Scientology-Sprache die Nichtscientologen, können sie in Hamburg von der Straße nicht mehr fischen, das ist in anderen Städten dieser Republik noch anders. Also wir müssen ihnen so ein bisschen was abschneiden, aber das sind die üblichen Werbemethoden, die gab's immer. Und an der Strategie hat sich auch noch nichts geändert. Vielleicht ändert sich das, wenn Miscavige in den USA fällt und der ganze Laden zusammenbricht. Ich meine, dann kann ich mir wohl endlich 'nen neuen Job suchen.
Timm: Sie selber haben in fast zwei Jahrzehnten Arbeit gegen Scientology Ihre Meinung geändert. Viele Jahre wollten Sie «nur» in Anführungszeichen umfassend aufklären, meinen aber inzwischen, Scientology müsse verboten werden in Deutschland. Warum? Und was sollte das bringen?
Caberta: Na ja, Aufklärung hat natürlich 'ne ganze Menge gebracht. Also ich glaube, Scientology in Deutschland hat es schwerer als in anderen Ländern, und auch durch die Beobachtung durch den Verfassungsschutz, also das Einsortieren dieser Organisation in die neue Form des politischen Extremismus, es war natürlich ein Riesenschritt, die da hinzubringen, wo sie hingehören, in die politisch extremistische Ecke. Aber politische Extremisten guckt man sich ja umsonst intensiver an als andere Gruppen, um dann irgendwann vielleicht auch zu sagen: Die werden für unsere Gesellschaft zu gefährlich, dass wir sie verbieten lassen müssen. Und zu dieser Auffassung ist das Land Hamburg – ist ja nicht meine persönliche Auffassung, sondern ich arbeite ja für die Hamburger Landesregierung -, es ist also Auffassung der Hamburger Landesregierung und des Landes Bayern, Hamburg und Bayern Hand in Hand in dieser Frage. Ich glaube, wenn die sich nicht selbst zerlegen, gerade da in den USA, wenn das nicht gelingt, werden wir nicht drumrum kommen, sie irgendwann hier zu verbieten, um Mensch und Gesellschaft vor dieser Organisation zu schützen.
Timm: Frau Caberta, kann ich Sie zum Schluss verführen, auf einer Skala von eins bis zehn mal zu orten, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist nach diesen Ereignissen, dass sich Scientology selbst zerlegt und Sie sich einen neuen Job suchen müssen?
Caberta: Na ja, eins ist die höchste oder zehn ist die höchste Wahrscheinlichkeit?
Timm: Die Zehn ist die höchste.
Caberta: Dann sind wir jetzt bei drei.
Timm: Da haben wir noch viel Luft nach oben.
Caberta: Das stimmt.
Timm: Ursula Caberta, die schärfste Scientology-Kritikerin in Deutschland und eine der schärfsten weltweit, über die neuesten Vorgänge bei Scientology. Vielen herzlichen Dank fürs Gespräch!
Caberta: Gerne!
Polskaweb News, 08.07.2009
Neue Scientology-Offensive in Polen
oe24, 28.08.2009
«Commanding Officer» – Österreicher ist EU-Chef von Scientology
FAZ, 27.08.2009, Katja Gelinsky
Scientology Schläge im spirituellen Hauptquartier
Tagesanzeiger 27.08.2009
Scientology-Bosse prügelten sich blutig
Die Anzeichen mehren sich, dass Scientology im Mutterland USA in der Krise steckt. Sehr tief sogar, wenn man die Schilderungen ehemaliger Weggefährten des 49-jährigen Sektenbosses David Miscavige zum Nennwert nimmt. Allein schon die Tatsache, dass in letzter Zeit mehrere hohe Kaderfunktionäre die Flucht ergriffen haben, lässt das Fundament von Scientology erschüttern. Zumal sie es wagen, aus der Schule zu plaudern. Denn ihre Enthüllungen über Macht, Intrigen, Demütigungen und Misshandlungen sind brisant. Kronzeuge ist der ehemalige Mediensprecher und Chef des scientologischen Geheimdienstes, Mike Rinder. Mehrere Dutzend Male sei er von Miscavige geschlagen oder mit den Füssen getreten worden, sagte er der Zeitung «St. Petersburg Times» aus Florida, wo die Sekte das Hauptquartier unterhält. Wie die anderen Kaderleute hat er die Wutausbrüche von Miscavige widerstandslos über sich ergehen lassen, sonst hätte er noch härtere Bestrafungen erdulden müssen. Das Szenario reicht bei der Sekte vom Putzdienst bis zur Einweisung ins eigene Straflager RPF. Auch für Bosse.
Sektenboss als Boxsack
Rinder sagt weiter aus, Miscavige habe ihn manchmal blutig geschlagen, er sei sich als Boxsack vorgekommen. Er wolle mit seinem Outing verhindern, dass andere Scientologen weiterhin gedemütigt und misshandelt würden. Rinders Mut hat auch andere Sektenmitglieder bewogen, auszupacken. Amy Scobee, langjährige Chefin des Celebrity Centers, das Hollywoodstars wie Tom Cruise und John Travolta betreut, bestätigt die Prügelpraxis. Miscavige, der als gefühlskalt und herrschsüchtig beschrieben wird, habe in ihrer Gegenwart Rinder so heftig gewürgt, dass dieser im Gesicht rot angelaufen sei. Schützenhilfe haben die hochrangigen Aussteiger auch von Mark Rathbun, dem ehemaligen Finanzchef, bekommen. Er bestätigt die Prügelorgien und gesteht, selbst Schmutz an den Händen zu haben, weil er im Auftrag von Miscavige andere misshandelt habe. Ironie der Geschichte: Rathbun war für die Ethikrichtlinien der Sekte zuständig. Rinder und Rathbun waren schon in den 1980er-Jahren dabei, als sich der damals erst 21-jährige Miscavige an die Spitze von Scientology geputscht hatte. Gemeinsam trimmten sie die Pseudokirche zu einer militärisch hierarchisierten Psychosekte.
Lohnnachzahlungen gefordert
Ein ehemaliger Kadermann wagt gar eine Klage. Marc Headley hat 15 Jahre lang unter unmenschlichen Bedingungen und für ein Taschengeld gearbeitet, wie er betont. In einem Zivilprozess in Los Angeles verlangt er nachträglich Lohnzahlungen. Andere ehemalige Mitarbeiter der Sekte wollen nachziehen. Tatsächlich erhalten vollamtliche Mitarbeiter oft lediglich einen Wochenlohn von 50 bis 100 Dollar. Scientology wischt die Vorwürfe seiner ehemaligen Führungskräfte pauschal vom Tisch. Alle Geschichten seien erlogen, Miscavige habe nie jemanden geschlagen. Vielmehr habe er die Abtrünnigen vor ihrem Ausstieg zurückgebunden, weil diese andere mit Prügelstrafen traktiert und den Aufstand geprobt hätten.
Berliner Zeitung vom 13.08.2009, Frank Nordhausen
Final Countdown Gewalt, Verhöre, Intrigen – Enthüllungen ehemaliger Führungskader in den USA erschüttern die Scientology-Organisation
ostsee-zeitung.de, 15.08.2009, Tommy Kruse
Kühlungsborn genehmigt Scientology-Werbung
Neue Luzerner Zeitung, 08.08.2009
Stiller Protest gegen Scientology
Zu fünft stehen sie da, bunt sind sie gekleidet. In der Hand halten Sie Spruchbänder. «Vorsicht Scientology» steht dort, der Hintergrund ist orange, um nicht übersehen zu werden. Die Gruppe Anonymous Schweiz warnt in der Hertensteinstrasse vor den Machenschaften der Scientology-nahen Organisation CCHR, in denen sie eine Rekrutierungsorganisation der Scientology sehen. Sie wollen mit ihrer Aktion erreichen, dass Passanten nicht mit den Scientology-Mitgliedern ins Gespräch zu kommen. Zu ihrer Identität stehen sie allerdings nicht: Sie treten maskiert auf. Weil sie Angst davor haben, von den Scientologen verfolgt zu werden. Von der Aktion unbeirrt geben derweil Mitglieder der «Bürgerkommission für Menschenrechte» (CCHR) an einem Stand Passanten «Hilfeleistungen in schwierigen Lebenssituationen».
Neue Luzerner Zeitung, 07.08.2009
Anonymous: Aktivisten dürfen sich maskieren
Dies bestätigte Toni Schüpfer, Leiter Managementsupport Stadtraum und Veranstaltungen, auf Anfrage. «Wir haben diese Bewilligung noch einmal erteilt», sagt Schüpfer. Zwar gibts ein Vermummungsverbot. In begründeten Fällen könne die zuständige Behörde aber Ausnahmen bewilligen. «Die gleiche Bewilligung haben wir der Gruppe ja schon einmal erteilt, daher wäre es nicht nachvollziehbar, diesmal anders zu entscheiden», sagt Schüpfer. Allerdings: Man habe der Gruppe auch klargemacht, dass bei einem dritten Mal keine Bewilligung mehr zum Maskentragen erteilt werde.
Tages-Anzeiger vom 03.08.2009
SO – Er schlug unsere Köpfe zusammen, bis ich blutete
Schwere Vorwürfe gegen David Miscavige.
David Miscavige, 49 Jahre alt, arbeitet seit seinem 16. Lebensjahr Vollzeit für Scientology. Nach verschiedenen Medienberichten habe er den Sektengründer L. Ron Hubbard mit seinem Ehrgeiz beeindruckt. Er holte ihn früh ins kalifornische Hauptquartier, wo Miscavige immer höher in der Hierarchie der strikt organisierten Kirche aufstieg. Als Hubbard 1986 starb, übernahm Miscavige den Chefposten von Scientology. Unter seiner Führung wuchs die Kirche rapide an, ausserdem erreichte er, dass sie als Religionsgemeinschaft von Steuerpflicht befreit wurde. Die «St. Petersburg Times», ein Blatt aus Florida mit nationaler Ausstrahlung, zog die Geschichte gross auf. Unter dem Titel «The Truth Rundown», etwa «Die enthüllte Wahrheit», brachte sie eine dreiteilige Reportage, mitsamt zugehöriger multimedial gestalteter Webseite, über Marty Rathbun, Mike Rinder, Tom De Vocht und Amy Scobee. Sie sind die vier höchsten Mitglieder von Scientology, die je die Kirche verlassen haben. Die ehemaligen Scientologen, denen Aufgaben wie die Medienarbeit der Kirche, die Führung des Prominentennetzes oder auch des Hauptsitzes zugeteilt waren, erzählen von Jahrzehnte langen Demütigungen und Misshandlungen, insbesondere durch David Miscavige, den Anführer der Scientologen. Miscavige hat seinen Platz auf dem Scientology-Thron einst von Gründer L. Ron Hubbard geerbt und wird von Mitgliedern weltweit als spirituelle Leitfigur verehrt. «Die Macht der grossen Zahl» Die Geschichten der Vier ähneln sich. Sie handeln davon, wie Miscavige die hochrangigen Mitglieder wiederholt ohrfeigte, ihre Köpfe gegen Wände schlug oder sie verprügelte. Teilweise wurden sie auch vor der versammelten Gemeinde verbal gedemütigt oder mussten «Reise nach Jerusalem» spielen, die Übung, bei dem immer ein Stuhl zu wenig in der Runde steht. Miscavige beschimpfte sie dabei als «Verlierer». Seit die «St. Petersburg Times» die Reportage veröffentlicht hat, haben sich nun zahlreiche weitere ehemalige Mitglieder bei den Autoren gemeldet und von ihren Erfahrungen mit der Sekte erzählt. Zwölf von ihnen zeigte die Zeitung am vergangenen Sonntag auf der Titelseite ihrer gedruckten Ausgabe – unter der Zeile «Die Macht ihrer grossen Zahl». Zwei Drittel redeten nicht öffentlich Manche der bekennenden Scientology-Opfer wollten mit ihren Erzählungen ihre vier Vorgänger unterstützen, die von der Kirche als Lügner dargestellt würden, so das Blatt. Andere fühlten sich nun, nachdem so prominente Aussteiger an die Öffentlichkeit gegangen seien, sicherer, ihre eigene Geschichte zu erzählen. Trotzdem: «Für jeden, der offen mit Namen und Text hinsteht, gab es einen bis zwei, die das ablehnten», schreiben die Autoren. Diejenigen, die es taten, zeichnen ein ähnliches Bild wie Rathbun, Rinder, De Vocht und Scobee – das einer Organisation, die ihre Mitglieder unter extremer Kontrolle hält und sie regelmässig demütigt. Vier weitere sagen ebenfalls aus, sie seien von Miscavige misshandelt worden. Einer von ihnen, Mark Fisher, schildert eine besonders brutale Szene. An einem Treffen habe Miscavige ihn und ein anderes Mitglied gequält: «Er schlug unsere Köpfe zusammen, bis ich blutete.» Einer der anderen Zeugen, die sich bei der «Times» meldeten, hat den Vorfall nach eigener Aussage beobachtet. «Desillusioniert, bitter und unehrlich» Scientology weist die Berichte als falsch zurück. «Es ist offensichtlich, dass diese neuen ‹Berichte› durch ihre ersten Artikel ausgelöst worden sind», wird Sprecher Tommy Davis zitiert. «Sie sind nichts weiter als Hirngespinste einiger Anti-Scientologen, die sich im Internet tümmeln und gegenseitig aufheizen.» Laut der Zeitung liess Scientology den Autoren über zwanzig Aussagen von aktuellen und früheren Top-Mitgliedern der Organisation zukommen, die den Kritikern die Glaubwürdigkeit absprechen. «Sie sehen anhand dieser Beweise, dass ihre ursprünglichen Quellen desillusioniert, bitter und unehrlich waren; die neuen Quellen sind bloss mehr von demselben», soll Davis dazu geschrieben haben. Die «St. Petersburg Times» ist bekannt für ihre investigativen Berichte zur Scientology-Kirche. Sie hat seit 1964 acht Pulitzer-Preise erhalten, einen davon 1979 für ein Stück, dass eine Immobilien-Investition der Sekte aufdeckte.
Neue Luzerner Zeitung, 03.08.2009, Fabian Fellmann
Anonymous: Maskendemonstration in Luzern?
In den USA gilt die Scientology-Kirche als Religion und wirbt mit prominenten Aushängeschildern wie dem Schauspieler Tom Cruise. Vor allem in Europa wird Scientology aber oft als Sekte kritisiert, die verboten werden sollte. In der Schweiz, wo die Organisation gemäss eigenen Angaben rund 5000 Mitglieder zählt, diesebezüglich besonders aktiv ist Anonymous Schweiz, der Ableger einer internationalen Internetgemeinde, die gegen Scientology vorgeht. So auch am kommenden Samstag, 8. August, an der Hertensteinstrasse vor der Matthäuskirche in Luzern, wenn die scientology-nahe CCHR Schweiz, die «Bürgerkommission für Menschenrechte», dort ihren Stand aufstellt. Es gebe keinen Grund, die Demonstration nicht zu bewilligen, sagt Alfred Fischer, stellvertretender Leiter beim zuständigen Luzerner Stadtraum-Inspektorat. Der Name des Gesuchstellers sei bekannt, es sei jedoch noch nicht entschieden, ob die Protestierenden Masken tragen dürften.
a-z.ch, 22.09.2009, Andrea Weibel
Scientology jetzt in Hermetschwil
Ein Flugblatt sorgte in der vergangenen Woche für Aufsehen in Hermetschwil-Staffeln. Mit einem Zitat von L. Ron Hubbard, dem Begründer von Scientology, warb das im Juni im Industriegebiet von Hermetschwil eröffnete «Reiner Körper Klares Denken»-Center für einen Vortrag. Thema: die ebenfalls von Hubbard entwickelte Dianetik. Inhaberin Yvonne Steimer hat die Lizenz von der Scientology Kirche International, bestimmte Dienste zu liefern, worunter auch ein Reinigungsprogramm gehört. «All diese Dienste zielen darauf ab, geistige Barrieren wie Stress und Angstzustände zu bewältigen und ein höheres geistiges Bewusstsein zu erlangen. Doch wir binden die Leute nicht an uns. Sie kommen einmal den Film anschauen und brauchen uns dann im Prinzip nicht mehr.»
Nicht für kranke Leute
Der AZ zeigte Steimer ihre Räumlichkeiten, die sich über zwei Stockwerke des modernen, leuchtend hellblauen Gebäudes erstrecken. Im unteren Stock befindet sich das Entgiftungszenter mit Sauna, darüber sind Sitzungs- und Vorführräume sowie Büros untergebracht. Doch das Center ist nicht für erkrankte Leute gedacht. «Unsere Zielgruppe sind gesunde, interessierte Menschen, die mehr über sich erfahren wollen», beschreibt die 38-jährige Mutter zweier Kinder. Bei der Entgiftung würden nicht Drogensüchtige geheilt, sondern Menschen von ihren im Alltag durch Elektrosmog oder Medikamente aufgenommenen Giftrückständen im Körper befreit. Zudem zeige die Dianetik, wie man mithilfe von spezifischen Gesprächen – ob mit Fachpersonen des Centers oder Freunden – seine Probleme oder Ängste auf frühere schlimme Erlebnisse zurückführen und diese ausmerzen könne. Scientology sei auch keine Sekte, so Yvonne Steimer. «Es ist eine angewandte religiöse Philosophie», sagt sie, «denn eine Sekte ist eine Absplitterung einer Mutterkirche, und das ist Scientology nicht. Ausserdem wird keine Einzelperson dadurch bereichtert.» Zudem müsse man nicht Mitglied werden, um bei ihr Entgiftungskuren zu machen oder Vorträge zu besuchen, macht sie klar.
«Kein Problem für Gemeinde»
Ihre Türen stehen Interessierten offen, zu fürchten brauche sich also niemand, findet Steimer. Die Angst versteht auch Gemeindeammann Roger Heiss nicht. «Das ist einfach nur ein Entgiftungscenter, dessen Besitzer der Scientology nahestehen», betont er. «In der Schweiz haben wir kein Sektenverbot.» Ausserdem würden die Betreiber nicht missionieren, sondern lediglich behandeln. «Für mich und die Leute, mit denen ich bisher gesprochen habe, ist das alles gar kein Problem.» Zudem brauche jegliche Nutzungsänderung eine entsprechende Bewilligung des Gemeinderats. «Falls die Betreiber also plötzlich ein Dianetik-Zentrum daraus machen würden, müssten sie das eintragen lassen. Andernfalls würde die Gemeinde einschreiten und eine Untersuchung einleiten», stellt Heiss klar. Ob die Vorführräume und Behandlungszimmer im oberen Stock nun aber der Bewilligung entsprechen oder nicht, dazu könne er sich nicht äussern. Am Montag sind die Räume baulich abgenommen worden. «Von diesem Standpunkt her ist alles in Ordnung», so Heiss.
20min.ch, 11.09.2009, Nico Menzato
Scientology auf Jagd völlig hemmungslos
winfuture.de, 08.09.2009
Scientology fordert in Australien den Schutz des Staates vor Kritikern im Internet
Wieder eine Versuchsballon von SO:
Tagesanzeiger, 31.10.2009, Hugo Stamm
Stettler willkommen beim Sasek-Kongress
Grosser Empfang für Weltverschwörer und Sektierer in der Olma-Halle: Stargast beim Anti-Zensur-Koalitions-Kongress ist Scientology-Boss Jürg Stettler. Will erklären, «was Scientology wirklich ist»: Sekten-Chef Jürg Stettler.
Zum Kongress der Anti-Zensur-Koalition (AZK) von heute Samstag in St. Gallen hat der 53-jährige «Apostel» Ivo Sasek eingeladen. Der ehemalige Zürcher Automechaniker verbreitet mit seiner grossen, international tätigen Sekte Organische Christusgeneration (OCG) seit vielen Jahren Drohbotschaften. Nach biblischer Doktrin propagiert er beispielsweise die Züchtigung der Kinder mit der Rute. «Du errettest sein Leben», behauptet Sasek, «blutige Striemen schützen vor der Hölle.» Sasek wurmt es seit langem, dass seine Gemeinschaft mit Sitz in Walzenhausen AR in der Öffentlichkeit als Sekte wahrgenommen wird und seine Anliegen in den Medien kaum Gehör finden. Deshalb startete er zusammen mit seiner Frau politische Aktionen und gründete die AZK. Aus dem Sektenumfeld stammt auch die Anti-Genozid-Partei (AGP), die gegen die staatliche Überwachung kämpft. Die AGP hatte Unterschriften für das Referendum gegen die biometrischen Pässe gesammelt. Die Partei ist überzeugt, dass die Bevölkerung bald mit implantierten Chips überwacht wird. Forum für Sektierer Die Anti-Zensur-Koalition hat sich in kurzer Zeit zu einem Forum für Sektierer entwickelt. Sasek organisiert regelmässig Konferenzen, die Hunderte Besucher anlocken. Die Stossrichtung lässt sich aus den Artikeln der «Anti-Zensur-Zeitung» ablesen. Es geht um die «tödlichen Mobilfunkstrahlungen», die «Nebenwirkungen der Homosexualität» («hohe Suizidrate, Depressionen, Ekel vor sich selber»), den Schwindel über die Klimaerwärmung, die neue Weltordnung und die Unfruchtbarkeit durch Gennahrung. In dieses Themenfeld passen auch antisemitische Töne. Die AZK-Zeitung zitiert einen Artikel der «Basler Nachrichten» vom 13. Juni 1946, wonach sich die Zahl der jüdischen Opfer im Zweiten Weltkrieg lediglich zwischen 1 und 1,5 Millionen bewegt habe. Ausserdem äussert das Blatt die Vermutung, dass die Schweinegrippe mithilfe der Gentechnik hergestellt worden sei und nun als militärische Waffe für biologische Kriegsführung diene. Aufschlussreich ist auch die aktuelle Referentenliste. In der Olma-Halle wird Scientology-Chef Jürg Stettler erklären, «was Scientology wirklich ist». Weitere Redner werden den «Impf-Terrorismus» anprangern und gegen die Klimalügen wettern. Warnung vor den Illuminaten Bei einer früheren Konferenz in Chur propagierte Harald Baumann die «Germanische Neue Medizin» des Scharlatans Geerd Hamer, ein anderer Referent beschwor die drohende Eugenik und die neue Weltordnung, und die Impf-Kritikerin Anita Petek Dimmer vom Verein Aegis warnte vor den Impf-Gefahren. In einem weiteren Vortrag wurde die Gefahr der Illuminati, der geheimen Weltregierung, thematisiert. Obwohl der Eintritt in die Olma-Halle gratis ist, zieht die AZK die Konferenz professionell auf. Die Referenten werden auf mehrere Leinwände projiziert und ihre Vorträge in verschiedene Sprachen übersetzt. Ein grosser Kamerakran kann Publikum und Vortragende effektvoll ins Bild rücken. Selbst die Verpflegung in den Pausen ist kostenlos. Moderiert werden die Grossveranstaltungen von Sektengründer Sasek persönlich. Ein grosses Orchester sorgt für einen würdigen Rahmen. Die eigens komponierte AZK-Hymne wird von sechs seiner zehn Kinder gesungen, wobei die Töchter in züchtigen langen Röcken auftreten. Ralph Engel, Abteilungsleiter bei den Olma-Messen St. Gallen, stützt sich auf den Entscheid der Gewerbepolizei ab, die den Kongress bewilligt hat. «Wir halten uns aus der politischen und gesellschaftlichen Diskussion heraus», erklärt er. Er werde aber genau prüfen, ob die Veranstalter sektiererisch auftreten oder gegen Sitten und Gebräuche verstossen werden. (Tages-Anzeiger)
Tagesanzeiger, 28.10.2009, Matthias Chapman
«Im Untergrund bestünde die Gefahr des Märtyrertums»
Herr Stamm, falls die letzte Instanz das jetzt gesprochene Urteil bestätigt, ist Scientology in Frankreich dann am Ende? Scientology wird vermutlich Mitglieder verlieren und geschwächt werden, aber nicht am Ende sein. Die hohen Bussen werden den Aktionsradius einschränken, voraussichtlich würde aber die Mutterorganisation in den USA Geld einschiessen, um den französischen Ableger vor dem Konkurs zu retten. Wieso kam es gerade in Frankreich zum gross angelegten Prozess gegen Scientology? In Frankreich war die Toleranz gegenüber Sekten immer schon kleiner als in anderen europäischen Staaten. Seit dem Sektendrama um die Sonnentempler zwischen 1994 und 1997 gehen Justiz und Politik die Sektenproblematik noch seriöser an. Beispielsweise wurden Gesetze angepasst. Die Anklage hat das Urteil als «historisch» bezeichnet. Warum? In der jüngeren Zeit gab es keine vergleichbaren Urteile. Obwohl das Gericht unter den Anträgen der Staatsanwaltschaft geblieben ist, sind die Strafen hoch ausgefallen. Ausserdem wurden erstmals Unterorganisationen wie das Celebrity Center, das sich um Promis kümmert, belangt. Bisher sind vor allem die Sektenbosse gerichtlich verfolgt worden, nicht aber Scientology als Organisation oder ihre Tarngruppen. Wird es in anderen Ländern Europas zu Prozessen gegen Scientology kommen? Das Urteil wird kaum auf andere Staaten ausstrahlen. Das Verfahren hat neun Jahre gedauert, ein Ende ist noch nicht in Sicht. So viel Durchhaltewillen kann man von anderen Ländern kaum erwarten, zumal Scientology in vielen Staaten juristisch als Glaubensgemeinschaft eingestuft wird. Wie sieht es in der Schweiz oder etwa in Deutschland aus? In der Schweiz fehlt den Behörden der Biss, sich mit der Sekte anzulegen. Diese müssten meines Erachtens wie in Frankreich untersuchen, unter welchen Bedingungen die Mitarbeiter arbeiten müssen und wie die Mitglieder indoktriniert und abgezockt werden. In Deutschland beobachtet zumindest der Staatsschutz Scientology, die Sekte ist aber kaum eine Gefahr für den Staat, dazu ist sie zu klein und die Exponenten sind zu wenig raffiniert. Das Pariser Gericht begründete sein Nein zum Verbot mit der Angst, Scientology würde aus dem Untergrund arbeiten. Wäre die Organisation so gefährlicher? Verschwinden würde Scientology nicht. Im Untergrund bestünde die Gefahr des Märtyrertums und der Radikalisierung. Ausserdem würde der Druck auf die Anhänger noch grösser. Gewonnen wäre also nichts.
Berliner Zeitung, 28.10.2009, Frank Nordhausen
Scientology als kriminelle Bande verurteilt
Tagesanzeiger, 28.10.2009, Hugo Stamm
Warum das Scientology-Urteil als «historisch» bezeichnet wird
Im neun Jahre dauernden Gerichtsverfahren gegen die Sekte und führende Scientology-Mitglieder verhängten die Richter in Paris gestern Dienstag hohe Strafen. Das Celebrity Center, das sich um Promis wie Tom Cruise und John Travolta kümmert, muss mehr als 600'000 Franken Busse zahlen, die Pariser Sektenbuchhandlung über 300'000 Franken. Anwalt Olivier Morice, Vertreter der Privatkläger, hat die Verurteilung von Scientology wegen bandenmässigen Betrugs als «historische Entscheidung» bezeichnet. Der Hauptangeklagte und oberste Scientologe in Frankreich, Alain Rosenberg, wurde zu zwei Jahren Haft auf Bewährung und einer Busse von 45'000 Franken verurteilt, drei weitere Angeklagte erhielten bedingte Gefängnisstrafen von 10 bis 18 Monaten. Ihnen werden betrügerische Machenschaften vorgeworfen. Anklage wollte Auflösung Die Richter in Paris kamen zum Schluss, Scientology habe mit unlauteren Methoden neue Mitglieder angeworben und diese finanziell ausgenommen. Das Gericht warf der Sekte vor, ihren Mitgliedern unter Ausnutzung ihrer Schwächen bis zu 100'000 Franken abgeknöpft zu haben. Die Richter beurteilten diese Methoden, die auch in der Schweiz und andern Staaten angewendet werden, als rechtswidrig. Das Urteil weist auch ein Novum auf: Zum ersten Mal sind Unterorganisationen von Scientology als juristische Personen gerichtlich belangt worden. Das Gericht blieb bei seinen Urteilen allerdings deutlich unter den Anträgen der Staatsanwaltschaft. Diese hatte Bussen von insgesamt mehreren Millionen Franken und mehrjährige Haftstrafen für die verantwortlichen Scientologen gefordert. Ausserdem hatte der Ankläger für die Auflösung der Sekte plädiert. Die Angst vor der Untergrundorganisation Dazu kam es aber nicht, weil kurz zuvor unter mysteriösen Umständen ein Gesetz gestrichen worden war, das diese Massnahme erlaubt hätte. Sektenkritiker vermuteten, dass eine Intrige von Scientology zur überraschenden Aktion des Justizministeriums geführt habe. Als die Gesetzesänderung publik wurde, entbrannte in Frankreich ein Sturm der Entrüstung. Politiker und Parlamentarier erklärten sofort, die Gesetzeslücke so rasch als möglich wieder schliessen zu wollen. Das Pariser Gericht äusserte in seinem Urteil aber Zweifel, ob ein radikales Verbot eine sinnvolle Massnahme wäre. Es bestünde nämlich die Gefahr, dass Scientology aus dem Untergrund weiter agieren würde. Die Richter forderten deshalb eine bessere Beaufsichtigung von Scientology. Ein Rezept, wie die abgeschottete Sekte kontrolliert werden könne, hatten die Richter aber nicht. Berufung angekündigt Scientology bewertete das Verfahren als Ketzerprozess und Inquisition. Die Sekte akzeptiert das Urteil nicht und will Berufung einlegen.
rtbf.be, 27,10,2009, (Übersetzung F.G.)
Scientology – zwei Verfahren in Belgien anhängig
Stern, 27.10.2009
Scientology: Gericht verurteilt Scientology zu Millionen-Strafe
Die französische Scientology-Bewegung ist wegen Betruges zu Geldstrafen von insgesamt 600.000 Euro verurteilt worden. Der Forderung der Staatsanwaltschaft nach einer Auflösung folgten die Richter nach einer umstrittenen Gesetzesänderung nicht. Zwei ehemalige Anhänger der Organisation hatten geklagt, weil sie dazu gedrängt worden seien, viel Geld für Persönlichkeitstests, Vitaminkuren, Saunagänge und «Reinigungspackungen» zu zahlen. Das Gericht verurteilte vier Führungsmitglieder der Organisation daraufhin zu Geldbußen sowie Bewährungsstrafen zwischen zehn Monaten und zwei Jahren. Scientology wies den Betrugsvorwurf zurück und kündigte Rechtsmittel an. Nach einer inzwischen zurückgenommenen Gesetzesänderung kurz vor dem Beginn des Prozesses im Mai war ein Verbot der Organisation ausgeschlossen. Scientology gilt in Frankreich offiziell als Sekte und wurde bereits 1997 und 1999 wegen Betruges angeklagt. In Deutschland steht die Bewegung unter Beobachtung des Verfassungsschutzes.
Welt Online, 27.10.2009, Dietrich Alexander
Nachsicht mit Scientology
Die französische Scientology-Sprecherin griff tief ins Archiv ihrer Kampfrhetorik: „Moderne Inquisition“ sei das Urteil des Pariser Strafgerichtshofs. Die Richter hatten die Sekte mit dem Anspruch eine Kirche zu sein zur Zahlung von 600.000 Euro und Bewährungsstrafen für vier Führungsmitglieder wegen organisierten Betrugs verurteilt. Scientology will in Berufung gehen, dabei hätte es viel schlimmer kommen können für die Organisation, die hierzulande unter Beobachtung des Verfassungsschutzes steht. Der Staatsanwalt in Paris hatte die Auflösung sowie Geldstrafen in Höhe von vier Millionen Euro verlangt. Dass es dazu nach neun Jahre währenden Ermittlungen nicht gekommen ist hat zwei Gründe, einen gesetzgeberischen und einen gesellschaftspolitischen. Mangel an politischem Willen Der gesetzgeberische: Im Zuge eines Reformpaketes zur Rechtsvereinfachung wurde ein Strafrechtspassus „aus Versehen“ gestrichen, der ein Verbot ermöglicht hätte. Der gesellschaftspolitische: Das Gericht hätte sich natürlich zur Urteilsverkündung auf einen Zeitpunkt vertagen können, da der fehlende Zusatz wieder eingepflegt worden wäre. Doch dazu fehlte offenbar der Wille. Ein Verbot, so erklärte das Gericht, hätte die Sekte in den Untergrund gedrängt und damit unkontrollierbar gemacht. Obschon Scientology krimineller Machenschaften überführt wurde, zieht die französische Justiz nicht die daraus resultierende Konsequenz. Scientology kann die Geldstrafen aus der Portokasse begleichen und weiter Quasi-Enteignungen vornehmen. Kein Ruhmesblatt für Justitia. Herzlichen Glückwunsch Scientology!
NZZ-Online, 27.10.2009, Manfred Rist
Urteil gegen Scientology in Frankreich – Hohe Geldstrafe wegen organisiertem Betrug
Das Urteil entzieht Scientology zwar nicht Geschäftsgrundlage; eine Auflösung der Organisation stand nach einer kürzlich verabschiedeten Gesetzesrevision ohnehin nicht mehr zur Debatte. Doch der Schuldspruch stellt die dubiosen Praktiken der Organisation und den manipulativen Umgang mit ihren Mitglieder bloss. Die Richter verlangen in diesem Zusammenhang, dass das Verdikt in französischen Zeitungen publiziert wird.
Das Urteil, das gemäss einem Rechtsvertreter der Organisation angefochten werden soll, geht auf zwei Klagen von ehemaligen Mitgliedern zurück. Sie warfen Scientology die Ausnutzung ihrer damaligen seelischen Notlage vor. Aufgrund ihrer Lebenskrise, die eine hohe Beeinflussbarkeit und Leichtgläubigkeit zur Folge hatte, waren sie zu hohen Ausgaben für Kurse, Bücher und Medikamente genötigt worden. Ursprünglich waren sechs Kläger gegen die Sekte aufgetreten. Vier von ihnen zogen später ihre Klage zurück, vermutlich im Rahmen einer aussergerichtlichen Einigung. Scientology zählt nach Schätzungen aus Gerichtskreisen in Frankreich etwa 3000 Anhänger.
SF Tagesschau, 27.10.2009
Scientology in Frankreich wegen Betruges verurteilt
Filmreporter, 26.10.2009, Carlos Corbelle
Gegen Schwulendiskriminierung
Paul Haggis verlässt Scientology
35 Jahre lang war Paul Haggis Mitglied von Scientology. Nun verlässt der Regisseur die Kirche. Im Internet publiziert er einen wütenden Brief mit den Gründen. Darin bringt Haggis seine Empörung über die Diskriminierung von Homosexuellen zum Ausdruck. 26. Okt 2009: Wie das Entertainmentmagazin Movieline am 25. Oktober 2009 berichtet, hatte die Niederlassung in San Diego einen Volksentscheid gegen Schwule unterstützt. Haggis forderte Scientology mehrmals auf, die Aktion öffentlich zu verurteilen. In seinem Brief macht der Filmemacher den derzeitigen Scientology-Sprecher Tommy Davis dafür verantwortlich, nichts gegen die Anti-Schwulenkampagne unternommen zu haben.
Basler Zeitung, 17.10.2009, Hugo Stamm
Katie Holmes widersetzt sich Tom Cruise
Die Schauspielerin schickt Tochter Suri nicht in die Scientology-Schule. Stattdessen soll das Mädchen im Geist des Papstes erzogen werden.
Ihr Vater ist zugleich der prominenteste Scientologe überhaupt. So viel VIP auf einmal kumuliert sich auch in der Glitzerwelt von Hollywood nicht täglich.
Die «stille Geburt» Schon bei der Geburt manifestierte sich dieser doppelte Promistatus. Die Medien rätselten wochenlang über die als «stille Geburt» angekündigte Niederkunft. Scientologen glauben nämlich, dass störende Geräusche bei einem traumatischen Akt wie der Geburt negative Prägungen verursachen. Damals, am 18. April 2006, war die Welt von Cruise noch heil. Seine überbordende Freude hatte der 47-jährige schon vorher öffentlich in der Fernsehtalkshow von Oprah Winfrey zelebriert. Der Schauspieler hüpfte auf dem Sofa herum und schrie: «Ich bin verliebt, ich bin verliebt.» In der Folge wurde die Formulierung «jumping the couch» in den USA zum Synonym für einen Selbstdarsteller, der öffentlich seinen Ruf ruiniert – und zum treffendsten Slang-Ausdruck gewählt. Suri weiss noch nichts von ihrem öffentlichen Status. Das Mädchen freut sich wie die meisten Kinder, bald zur Schule gehen zu dürfen. Für Scientologen ist die Einschulung allerdings meist der Beginn der Sektenkarriere. Das Sofaglück von Papa Tom wäre damit vollkommen.
Hat Tom Katie «nicht richtig gehandhabt»?
Doch es kam anders. Katie Holmes macht Tom Cruise Stress. Ihre Skepsis gegenüber Scientology hat sich offensichtlich zu einer handfesten Allergie entwickelt. Amerikanische Medien behaupten sogar, Katie weigere sich inzwischen, mit Tom das Bett zu teilen. Die Folgen bekommt Suri zu spüren. Sie soll in der Schule nicht unter den Lernmethoden von Scientology büffeln, sondern im Geist des Papstes erzogen werden. Ihre Mamma hat sie beim Yawkey Center in Boston angemeldet. Für Cruise ein GAU: Nach der Schmach am Familientisch kommt der Showdown im Scientology-Zentrum. Denn nach scientologischer Ethik hat Vorzeigemitglied Cruise seine Frau «nicht richtig gehandhabt». Das ist die kapitale Sünde eines Stümpers, der die Hubbard-Doktrin weder begriffen hat noch sie umzusetzen weiss. Für Cruise folgt – falls die Scientology-Regeln auch bei ihm angewandt werden – das übliche Programm zur Wiedergutmachung. Es beginnt mit einem Sicherheitscheck, bei dem das Hubbard-Elektrometer im Mittelpunkt steht. Dieses Gerät, benannt nach dem Sektengründer Ron Hubbard, soll die seelische Ladung des Schauspielers messen. In Wirklichkeit aber dient die Maschine, die ähnlich wie ein Lügendetektor funktioniert, dem Verhör.
Zur «Umerziehung» einrücken
Gelingt es Cruise nicht, seine Frau auf den Pfad der Sektentugend zurückzuführen, drohen immer härtere Sanktionen. Es beginnt mit dem Reinigen von WCs und kann im sekteneigenen Straflager RPF enden. Was ihn dort erwartet, könnte Cruise vom Schweizer Scientology-Chef Jürg Stettler erfahren. Der musste vor ein paar Jahren nämlich, weil er einen Prozess verloren hatte, zur «Umerziehung» einrücken. Aussteiger erzählen, dass die Insassen dort schuften und die Hubbard-Weisheiten bis zum Umfallen studieren – teilweise unter Sprechverbot. Suri dürften die drohenden Strafmassnahmen gegen ihren Vater wenig kümmern. Sie wird einen Teil des Promi-Ballastes abwerfen und sich über neue «Gspänli» freuen können, die keine Ahnung haben, wer Cruise und Hubbard sind.
Der Standard, 06.10.2009
Wie man Scientology ärgern kann
FAZ.net, 25.11.2009, Stefan Locke
Scientology Schleichender Niedergang
Die gezielte Ansprache von Jugendlichen ist wohl der verzweifelte Versuch der sich selbst als Kirche bezeichnenden Organisation, in Berlin doch noch Fuß zu fassen. Vor knapp drei Jahren eröffnete Scientology seine „Hauptstadt-Zentrale“ in Charlottenburg, ein siebenstöckiges Haus mit Glasfront und Büros auf einer Fläche von 4000 Quadratmetern. Von hier aus wollte Scientology Lobbyarbeit betreiben, Einfluss auf Politik und Wirtschaft nehmen, Prominente für sich gewinnen und vor allem selbst schnell wachsen. In Berlin nicht Fuß gefasst „Um unsere planetarischen Rettungskampagnen in Anwendung zu bringen, müssen wir die obersten Ebenen der deutschen Regierung in Berlin erreichen“, hieß es 2006 in einem internen Strategiepapier. Scientology in Berlin sei verantwortlich, „die nötigen Zufahrtsstraßen in das deutsche Parlament zu bauen, um unsere Lösungen tatsächlich eingearbeitet zu bekommen in die gesamte deutsche Gesellschaft“. Politiker wurden mit persönlichen Anschreiben, Broschüren und DVDs der Organisation überhäuft. Doch bis heute hat sich kein einziger Adressat zu Scientology bekannt. Die Zufahrtsstraße ins Parlament ist noch nicht einmal ein Trampelpfad.
Schon im vergangenen Jahr bescheinigte deshalb der Berliner Verfassungsschutz, der wie fast alle Bundesländer Scientology wegen ihres aggressiven Auftretens sowie ihres totalitären Welt- und Menschenbildes beobachtet, der Organisation Erfolglosigkeit. „Die Berliner Niederlassung ist nicht die Deutschland- oder gar die Europazentrale“, heißt es im Jahresbericht 2008. „Ihre angekündigten Kampagnen, Werbe- und Lobbymaßnahmen blieben bislang erfolglos.“ Scientology stoße auf Ablehnung und habe in und um Berlin lediglich 200 Mitglieder. Sabine Weber spricht von 600, aber auch davon, dass das „noch längst nicht ausreichend“ sei. Stagnierende Mitgliederzahlen In ganz Deutschland gibt es zwischen 5000 und 6000 Mitglieder, schätzt der Bundesverfassungsschutz, doch auch diese Zahl sei seit Jahren unverändert. Scientology selbst hat die Zahl der Sympathisanten von einst 80.000 auf etwa 30.000 korrigiert, wovon circa 12.000 aktive Mitglieder seien, die regelmäßig in die „Kirche“ kämen. Mehr als drei Viertel der deutschen Scientologen leben in Bayern, Baden-Württemberg und Hamburg, von einer Expansion aber ist auch dort nichts zu spüren. „Die Mitgliederzahl stagniert seit Jahren“, konstatiert der bayerische Verfassungsschutz, Baden-Württemberg attestiert der Organisation gar einen „schleichenden Niedergang“: „Die SO kann nur wenige neue Mitglieder dauerhaft an sich binden und ihre Stagnation nicht überwinden.“ Hamburg stellt bei Scientology ein aus „Mitgliederschwund“ resultierendes „reduziertes Kursangebot“ sowie „Überalterung“ fest. Da verwundert es, dass die Organisation bei dieser Lage nicht in die Offensive geht. „Offenbar schlägt hier die Finanzkrise durch“, vermutet Stefan Barthel von der Leitstelle für Sektenfragen. Zudem habe er schon länger den Eindruck, dass die Krisensymptome von Scientology in den Vereinigten Staaten (Austritte von Prominenten, Ausscheiden von Managern) auch auf die europäischen Dependancen wirken. „In Berlin etwa tritt Scientology nicht mehr so auf wie früher“, sagt Barthel. „Sie kommen weniger strategisch, sondern eher konfus daher.“ „Es brummt nicht“
Dass die Expansion in Deutschland stockt, weist nicht einmal Scientology selbst zurück. Mit der Finanzkrise oder den Ereignissen in Amerika und Frankreich habe das allerdings nichts zu tun. „Es geht eben nur sehr langsam voran“, sagt Jürg Stettler, Sprecher der Organisation in Deutschland und Präsident von Scientology in Zürich. „Es war schon immer so, dass nur wenige bei uns bleiben.“ Die Schuld sucht er bei anderen. „Durch die Kampagnen gegen uns sind die Leute extrem zurückhaltend.“ Freilich gebe es Gespräche mit Prominenten, auch Politikern, doch das sei vertraulich. „Wer sich öffentlich bekennt, über den fällt man doch sofort her.“ Auch Sabine Weber gibt zu, dass der Zulauf in Berlin nicht gerade einem „Lauffeuer“ gleiche und man in dem neuen Gebäude noch „viel Platz“ habe. Den nutzten jüngst etwa zwei ranghohe amerikanische Scientologen, die der Berliner Filiale auf die Sprünge helfen sollten. Laut Barthel aber ist der Effekt davon bisher ausgeblieben. „Scientology wirkt stark verunsichert und agiert eher zurückgezogen.“ Kontakte mit der Politik gebe es allenfalls noch sporadisch, und an den immerhin noch zahlreichen „Dianetik“-Infoständen in der Stadt tauchten stets die gleichen Personen auf, die jeden etwaigen Interessenten allerdings auch gnadenlos belagerten.
Nicht einmal die etablierten Kirchen malen beim Thema Scientology noch den Teufel an die Wand. „Es brummt nicht“, stellt Michael Utsch von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW) fest. Früher sei abends das gesamte Scientology-Gebäude illuminiert gewesen, heute leuchte allenfalls noch das Erdgeschoss. Utsch führt die Entwicklung auf Aufklärung, aber auch die starke Aufmerksamkeit zurück, die der Senat in den letzten Jahren der Organisation gewidmet hat. „Die Politik hat reagiert, aber eben anders, als Scientology sich das vorgestellt hat.“ Wissenschaftler plädiert für Gelassenheit „Scientology ist nirgendwo in Europa sonderlich erfolgreich“, sagt der Göttinger Sozial- und Religionswissenschaftler Gerald Willms. Von ihrer Hochphase in den achtziger Jahren sei die Organisation heute weit entfernt. „90 Prozent der Leute, die mal einen Kurs mitgemacht haben, finden's uninteressant und gehen danach nie wieder hin.“ Auch von den restlichen zehn Prozent entschließe sich kaum jemand, der Organisation beizutreten. „Wer es doch tut, glaubt offenbar fest daran“, sagt Willms. Im Zuge seiner Forschungen sei er ohnehin „immer wieder erstaunt, woran Leute so alles glauben“. Er plädiert für mehr Gelassenheit im Umgang mit der Organisation, was ihm wiederum heftige Kritik einbringt. Denn aus der aggressiven Bekämpfung von Scientology ist für manche Buchautoren und Talkshowreisende auch ein Geschäft geworden. „Scientology will gern groß, mächtig und schön erscheinen“, sagt Willms. „Genau so wünschen sich einige Gegner die Organisation auch, um den selbsterzeugten Alarm zu rechtfertigen.“ Aus Versehen werde heute jedoch niemand mehr Scientologe. „Wer das behauptet, ertrinkt auch im Schwimmbad, weil er nicht weiß, dass da Wasser drin ist.“ „Wer unbedingt Scientologe werden will, soll das auch tun, aber er muss eben wissen, worauf er sich einlässt“, sagt Michael Utsch von der EZW. Deshalb dürfe die Aufklärung nicht nachlassen. Die finanzielle und psychische Abhängigkeit, in die Mitglieder geraten können, sowie der enorme Druck auf Aussteiger seien eine ernstzunehmende Gefahr, der man jedoch besonnen begegnen müsse, rät auch Stefan Barthel. „Hysterie schadet nur. Mit einer nüchternen Herangehensweise ist viel mehr zu erreichen.“ So will Berlin künftig in seiner Präventionsarbeit stärker über Merkmale vereinnahmender Gruppen informieren und mit Jugendlichen vor allem über jene Bedürfnisse und Sehnsüchte sprechen, die durch Organisationen wie Scientology ausgenutzt werden. „Das Kümmern, Zuhören und Zeitnehmen wollen wir nicht diesen Gruppen überlassen“, sagt Barthel. Deshalb sollen Gemeinschaft und Geborgenheit auch in Schulen und Jugendeinrichtungen künftig eine große Rolle spielen. Berlins Scientology-Chefin Weber wiederum will ihrerseits aufklären, auch mit neuen Aktionen, auch an Schulen. Ein Ziel sieht sie in Deutschland immerhin schon erreicht: „Die wenigsten Gemeinschaften überstehen so massive Gegenkampagnen wie wir.“
Der Westen, 20.11.2009, Raphaela Spranz
Harmlose Handpuppen… (alle Jahre wieder)
SPIEGEL ONLINE, 20.11.2009, Hendrik Ternieden Zwangsabtreibungen, Folter, Freiheitsberaubungen: Ein australischer Senator hat schwere Vorwürfe gegen Scientology erhoben, Premierminister Kevin Rudd erwägt eine Untersuchung. Die umstrittene Organisation weist die Anschuldigungen zurück. Hamburg – In Australien wurden in dieser Woche Vorwürfe laut, die schockieren: Von Zwangsabtreibungen, Folter und Freiheitsentzug bei Scientology war die Rede. Senator Nick Xenophone aus Adelaide legte Dokumente vor, in denen Aussteiger solche Anschuldigungen erhoben hatten, und forderte eine Untersuchung. «Scientology ist keine religiöse, sondern eine kriminelle Organisation, die sich hinter ihren sogenannten religiösen Überzeugungen versteckt», so Xenophone. Scientology wehrte sich in einer offiziellen Mitteilung: «Der Senator wird offensichtlich von früheren Mitgliedern unter Druck gesetzt, die Hassreden schwingen und Fakten verdrehen. Sie sind in etwa so zuverlässig wie geschiedene Eheleute, die über ihren Ex-Partner reden.» Eine Anfrage von SPIEGEL ONLINE zu dem Thema ließen sowohl Scientology Australien als auch Scientology International in Los Angeles unbeantwortet. Dabei drohen den Scientologen große Schwierigkeiten. Australiens Premierminister Kevin Rudd erwägt eine Untersuchung, die Anschuldigungen seien «ernst» und müssten «sorgsam angeschaut» werden. Erst Ende Oktober wurde Scientology in Paris wegen bandenmäßigen Betrugs zu einer Strafe von 600.000 Euro verurteilt. Nicht überrascht Die Hamburger Scientology-Expertin Ursula Caberta verfolgt die Entwicklungen gespannt: «Es ist wunderbar, dass das in Australien auf höchster politischer Ebene angekommen ist», sagte sie SPIEGEL ONLINE. Caberta gehört zu den profiliertesten Scientology-Gegnern in Deutschland und zeigt sich von den Vorwürfen nicht überrascht. «Zwangsabtreibungen gibt es vor allem in der Sea-Org, der Eliteorganisation innerhalb Scientologys», sagte Caberta. In Deutschland existiere die aber nicht, weshalb von derartigen Fällen in der Bundesrepublik nichts bekannt sei. In den USA berichteten Aussteiger dagegen seit Jahren immer wieder Ähnliches, so Caberta. Nun sind die Horrorgeschichten aus der Scientology-Welt offensichtlich auch im australischen Parlament angekommen. Freiheitsberaubung, Folter und Nötigung Xenophone zitierte vor dem Senat aus einem Brief, in dem Scientology-Aussteiger Aaron Saxton aus Perth ein Geständnis abgelegt hatte: Er selbst sei an Freiheitsberaubung, Folter und der Nötigung schwangerer Frauen beteiligt gewesen. Letztere habe er gedrängt, ihre Kinder abzutreiben. So sollte laut Saxton erreicht werden, dass die Frauen ihre Arbeitskraft auch künftig vollständig in den Dienst Scientologys stellten. In einem anderen Brief berichtete Carmel Underwood, eine frühere Scientology-Direktorin aus Sydney, dass sie als Schwangere extrem bedrängt worden sei, ihr Kind abzutreiben. 16-stündige Arbeitstage seien als Mutter schließlich nicht möglich – das sei der Hintergedanke ihrer Peiniger gewesen. «Alles, was der Expansion von Scientology nützt», so Ursula Caberta, «kann gemacht werden.»[/showhide]
«Scientology ist eine kriminelle Organisation»
kath.net, 18.11.2009
Scientology droht Untersuchungsausschuss in Australien
Xenophon forderte die australische Regierung auf, die Steuerbefreiung für Scientology rückgängig zu machen. Es handle sich um «eine kriminelle Organisation, die sich hinter sogenannten religiösen Überzeugen versteckt.» Premierminister Rudd kündigte an, eine endgültige Entscheidung über die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu treffen, sobald die «schweren Anschuldigungen» Xenophons überprüft worden seien.
news, 01.11.2009, Ines Weißbach
Scientology «Nicht nur gehirngewaschene Sektenmitglieder»
Connection 11/2009, Wolf Schneider
Die Pfui-Sekte
Zum ersten Mal Kontakt mit Scientology bekam ich, als eine Freundin von mir, die immer mal wieder Phasen von Depression erlitt, dort Auditing-Kurse nahm. Das Auditing hatte ihr anfangs geholfen, nun wollte sie immer wieder dorthin, bezahlte viel dafür, die Kosten wurden immer höher, und sie verschuldete sich. Nun war die Depression schlimmer als zuvor, und sie hatte einen guten Grund mehr für ihre Deprimiertheit: die Verschuldung. Um sie zu verstehen las ich in dem Dianetik-Buch von Ron Hubbard. Sein Größenwahn und Ehrgeiz stießen mich ab, auch seine Methoden und die Totalität seiner anmaßenden Forderungen. Ich konnte nicht verstehen, wie man sich in eine solche Organisation begeben konnte. Erst viele Jahre später lernte ich Menschen kennen, die ich schätze, obwohl sie Mitglied bei Scientology sind, wie etwa den Maler Carl-W. Röhrig, von dem wir in connection Bilder veröffentlicht haben, darunter auch Titelbilder, und den Verleger Michael Kent, der die beachtliche »Kent-Depesche« heraus gibt (erfreulich radikal in ihrer Gesellschaftskritik, leider weitgehend unkritisch gegenüber Verschwörungstheorien). Dann gibt es noch einige, die bei Scientology gelernt haben und dann ausgestiegen sind, um was Besseres zu gründen, wie etwa Harry Palmer mit der Avatar-Lehre. In den Jahren 1994 bis 2001 veröffentlichten wir eine Reihe von Artikeln über »Religionen und religiöse Bewegungen« – insgesamt 44 gut recherchierte, mehrseitige Artikel, geliefert vom religionswissenschaftlichen Institut REMID in Marburg. Die Texte bestanden überwiegend aus einem einigermaßen neutral berichtenden faktischen Teil, dann kam eine kritische Würdigung. Behandelt wurden das Christentum, der Buddhismus, die Zeugen Jehovas, Falun Gong und viele andere, darunter auch (im Februar 1995) Scientology. Das hatte Folgen. Was, ihr habt was über Scientology geschrieben? connection, ist das nicht die Zeitschrift, die über Scientology was geschrieben hat? Ich erinnere: Die 90er Jahre, das war die Zeit, in der Ursula Caberta ihre Feindschaft gegen Scientology entfaltete und damit bei den großen Massenmedien (Spiegel, ZDF u.a.) Gehör fand sowie auch in der Politik. Als ich damals an einer Volkshochschule Vorträge geben wollte, musste ich unterschreiben, nichts mit Scientology zu tun zu haben. Jeder musste das. Es war wie ein sich bekreuzigen, bevor man als Dozent in diese Stätte öffentlicher Bildung eingelassen wurde. Hexenwahn Tief eingeprägt aus dieser Zeit hat sich mir die anonyme Postwurfsendung in einem kleinen Ort nahe unseres Verlagssitzes Niedertaufkirchen. Dort wohnte ein Frau, die gelegentlich für uns im Connectionhaus Seminare bekocht hatte. Sonst hatte sie kaum etwas mit uns zu tun, wir waren nur locker befreundet. Die Postwurfsendung warnte die Bewohner ihres Ortes davor, ihre Kinder mit denen unserer Gelegenheitsköchin spielen zu lassen. Warum? Weil ihre Mutter bei uns gekocht hatte, in einem Haus, in dem eine Zeitschrift erstellt wurde, die u.a. über Scientology berichtet hatte. Kritisch berichtet – egal: Wir hatten berichtet. Damit war offenbar das ganze Haus infiziert von dem Bösen, und wer dort ein und aus ging (Köchinnen, Briefträger …) gleich mit. Mich gruselt es bei solchen Vorfällen. Sie erinnern mich an den Hexenwahn, der Europa jahrhundertelang terrorisiert hatte, an Pogrome und Verfolgungen von Minderheiten aller Art, seien es nun ethnische, religiöse, politische oder sprachliche Minderheiten, Homosexuelle oder eben die so genannten »Sekten«, die ja meistens sehr friedliche Gruppen oder Grüppchen sind, oft viel friedlicher und friedliebender als die sie diffamierende Gesellschaft. Kirche oder Unternehmen? Unter diesen Gruppen ist Scientolgy auserkoren worden, auch dank des hohen persönlichen Einsatzes von Frau Caberta, als Vorzeige- und Pfui-Sekte zu dienen. Warum gerade Scientology? Ich meine, diesen Prominentenrang unter den Sekten hat Scientology der Tatsache zu verdanken, dass sie auf besondere Weise die sie diffamierende Gesellschaft karikiert. Ist Scientology eine Kirche oder »bloß« ein Wirtschaftsunternehmen? Die USA, Australien, Spanien, Portugal, Schweden und einige andere Länder haben sie als Kirche anerkannt. Als Russland der »Church of Scientology« den Status einer Religionsgemeinschaft versagte, fand der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das rechtswidrig – die Scientologen jubelten. Von mir aus dürfen sie gerne den Status einer Kirche haben. Ich halte von Kirchen eh nicht viel. Auch Kirchen sind Wirtschaftsunternehmen, einige davon so erfolgreich, da können die Scientologen vor Neid erblassen. Ihre Mitgliederzahl wird, um Panik zu schüren, notorisch übertrieben, wozu auch sie selbst in ihrem Größenwahn gerne beitragen. Vermutlich sind es in Deutschland nur etwa 12.000, das ist ein Sechstel von einem Promille der Bevölkerung. Die katholische Kirche als Ganzes, mit ihren in Deutschland etwa 25 Millionen, weltweit ungefähr eine Milliarde Mitgliedern, richtet weit mehr Schaden an als die paar Scientologen. Ethisch würde ich Scientology in etwa so beurteilen wie das vom Papst so geschätzte Opus Dei. Es ist zahlenmäßig ungefähr so groß wie Scientology, aber unvergleichlich viel mächtiger. »Ich verachte Ihre Meinung, aber ich gäbe mein Leben dafür, dass Sie sie sagen dürfen« »Ich verachte Ihre Meinung, aber ich gäbe mein Leben dafür, dass Sie sie sagen dürfen«, das soll Voltaire gesagt haben (hat er aber nicht, sondern Evelyn Beatrice Hall 1906 in »Die Freunde von Voltaire«. Wörtlich hat Voltaire gesagt: »Du bist anderer Meinung als ich, und ich werde dein Recht dazu bis in den Tod verteidigen«. Quelle: Wikipedia). Ich halte Ron Hubbard für durchgeknallt und größenwahnsinnig, die scientologischen Methoden nur in den seltensten Fällen für hilfreich, und der Orga misstraue ich. Soweit meine Beurteilung. Aber ich setze mich dafür ein, dass sie ihre Meinung sagen dürfen! Zum Beispiel auch hier in dieser Zeitschrift, mit einer Anzeige. Wer hat diesen Kommentar finanziert? Anzeige? »Was bekommt ihr denn dafür? Und ich hatte gedacht, connection sei unabhängig …« Wir bekommen für die Dreimalschaltung der unten stehenden Anzeige circa 1.700?€. Wenn ich die Abokündigungen davon abziehe, die mir die Annahme einer Anzeige dieser Pfui-Sekte einbrocken wird, und den Rückzug von Anzeigen »seriöserer« Kunden, bleiben mir vielleicht 1.000?€. Ha, habe ich endlich mal einen Artikel bezahlt bekommen! Einen Artikel, in dem ich über die Kirchen lästern kann und mich belustigen darf über eine Gesellschaft, die ihr eigenes Spiegelbild jagt: In der Gier, Machtbesessenheit und Pseudoreligiosität der Scientology-Kirche spiegelt sich die Gier, Machtbesessenheit und Pseudoreligiosität einer Gesellschaft, in der die Banken um ein Vielfaches größer und besser eingerichtet sind als die Kirchen – eine Gesellschaft, die dem Mammon dient, dem Wahn und dem Schein und die bereit ist, dafür sogar die Natur zu opfern, die uns Jahrmillionen lang so gut ern ährt hat. Beschmuddel ich mit dieser Tirade einen Anzeigenkunden? Ich denke, die Scientologen sind härteren Tobak gewohnt. Mit unseren Juxanzeigen (siehe auch unser Juxanzeigenmuseum) belustigen wir uns seit Jahren über krasse Auswüchse der Eso-Szene. Wer trotzdem bei uns inseriert, hat Humor oder ein dickes Fell. Oder ist wirklich gut. Bei den Scientologen vermute ich, dass sie ein dickes Fell haben. Und sie dürfen sich freuen: Eine ganze Doppelseite Kommentar des Herausgebers der Zeitschrift! Aufmerksamkeit ist die Währung unserer Zeit.
Tagespost 08.12.2009
Kirchenbegriff klären Sekten-Expertin: Christen sollen gegen Scientology klagen
Leipziger Volkszeitung, 03.12.2009, Peter Krutsch / Frank Döring
«Scientology auf dem Weihnachtsmarkt»